Wachsender Rechtsextremismus in Deutschland

22.09.2024

Die Gay-Pride-Paraden in Leipzig, Dresden und Bautzen wurden 2024 von rechten Gegendemonstrationen begleitet. Ein Beleg dafür, wie offensiv und aggressiv rechtsextreme Gruppen vor allem im Osten Deutschlands auftreten. Rechtsextremismus stellt in Deutschland eine erhebliche und wachsende Gefahr dar. Diese Bedrohung zeigt sich nicht nur in der Zahl der rechtsextremen Straftaten, sondern auch in der zunehmenden Verbreitung extremistischer Ideologien, die durch soziale Medien noch verstärkt werden.

Anstieg der Straftaten

Die Zahl rechtsextremer Straftaten ist besorgniserregend hoch und zeigt eine weiter steigende Tendenz. Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2023 verzeichnete Deutschland einen Anstieg der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK), insbesondere im Bereich des Rechtsextremismus. Die Anzahl der Straftaten, die dem Bereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ zugeordnet werden, hat erneut zugenommen, und auch die Gewaltkriminalität in dieser Gruppe. Von 60.028 Gesamtstraftaten, die laut PMK im Jahr 2023 begangen wurden, sind 28.945 Fälle dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen, also fast die Hälfte. Auch bei der Gewaltkriminalität führen Rechtsextremisten mit 1.270 Fällen die Statistik an. Hier beträgt die Zunahme im Vergleich zum Vorjahr 8,6 Prozent. Laut Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zählen etwa 14.500 Personen zum gewaltorientierten rechtsextremen Spektrum. Insgesamt werden der rechtsextremen Szene etwa 40.600 Personen zugeordnet. Sie besteht aus Parteien, parteiunabhängigen beziehungsweise parteiungebundenen Strukturen wie Kameradschaften, Vereinen und Verlagen sowie organisationsungebundenen Rechtsextremisten.

Rechtsextreme Gruppen und Strömungen

Rechtsextremismus in Deutschland ist vielfältig und umfasst unterschiedliche Gruppen und Strömungen. Dazu gehören traditionelle rechtsextreme Parteien wie die NPD, die „Neue Rechte“, die sich intellektuell-rechtsextrem gibt, sowie radikale Gruppen wie die „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland ablehnen. Diese Gruppen unterscheiden sich in ihrer ideologischen Ausrichtung und ihrer Organisationsstruktur, jedoch verbindet sie alle eine Ablehnung der demokratischen Grundordnung. Die Bereitschaft zum Einsatz von Gewalt ist unterschiedlich hoch: Während einige rechtsextreme Parteien primär ideologisch agieren und sich formal vom Einsatz von Gewalt distanzieren, sind andere Gruppen, insbesondere gewaltbereite Neonazi-Netzwerke und Skinhead-Banden, offen für den Einsatz von Gewalt, um ihre Ziele zu erreichen.

Regionale Verteilung und Präsenz

In den letzten Jahren gab es zahlreiche Beispiele für rechtsextreme Gewalt in Deutschland. Der Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Jahr 2019 und der Anschlag auf die Synagoge in Halle im selben Jahr haben die tödliche Bedrohung durch den Rechtsextremismus auf erschreckende Weise verdeutlicht. Auch Übergriffe auf Migranten, politische Gegner und jüdische Einrichtungen sind wiederholt vorgekommen, was zeigt, dass rechtsextreme Gewalt in Deutschland eine relevante Gefahr darstellt. Rechtsextreme Aktivitäten sind in Deutschland nicht gleichmäßig verteilt. Besonders stark ist der Rechtsextremismus in den ostdeutschen Bundesländern präsent, insbesondere in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Diese Regionen verzeichnen eine höhere Anzahl rechtsextremer Straftaten und eine stärkere Präsenz rechtsextremer Gruppierungen. Aber auch in einigen westdeutschen Bundesländern, wie Nordrhein-Westfalen und Bayern, gibt es eine bedeutende rechtsextreme Szene.

Ursachen für die Empfänglichkeit für Rechtsextremismus

Menschen sind aus verschiedenen Gründen empfänglich für rechtsextreme Ideologien. Soziale und wirtschaftliche Unsicherheit, ein Gefühl der Entfremdung, Identitätskrisen und der Wunsch nach einfachen Lösungen für komplexe Probleme können dazu führen, dass Menschen sich rechtsextremen Bewegungen zuwenden. Insbesondere junge Menschen, die sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen, sind anfällig für die Anwerbungsversuche extremistischer Gruppen. In diesem Zusammenhang sind vor allem rechtsextreme Musik und Musikveranstaltungen von großer Bedeutung. Vor allem jungen Menschen bietet die Teilnahme an rechtsextremen Musikveranstaltungen wie Konzerten oder Liederabenden ein identitätsstiftendes Gemeinschafts- und Stärkegefühl. Zugleich werden durch die Liedtexte rechtsextreme Ansichten, Feindbilder und Ideologiefragmente verbreitet und gefestigt. Laut Verfassungsschutz erreichte die Zahl der rechtsextremen Musikveranstaltungen in Deutschland im Jahr 2023 einen Höchststand. Ausschlaggebend dafür waren überwiegend kleinere Veranstaltungen wie Liederabende und Szenefeiern mit Livemusik. Die Zahl der (Live-)Konzerte blieb dagegen verhältnismäßig gering und dort war die durchschnittliche Besucherzahl auch stark rückläufig. Im Jahr 2023 fehlten weiterhin die besucherstarken und öffentlichkeitswirksamen Musikgroßveranstaltungen mit mehr als 500 Teilnehmer, die zuletzt im Jahr 2019 stattgefunden hatten.

Rolle der sozialen Medien

Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung rechtsextremer Ideologien spielen die Sozialen Medien. Plattformen wie Facebook, Telegram und Twitter werden von Rechtsextremisten genutzt, um ihre Botschaften zu verbreiten, Anhänger zu rekrutieren und Hasskampagnen zu organisieren. Die Anonymität und Reichweite der sozialen Medien ermöglichen es diesen Gruppen, ihre Propaganda effektiv zu verbreiten und Gleichgesinnte zu vernetzen. Das Internet hat sich zu einem wichtigen Instrument für rechtsextreme Mobilisierung und Radikalisierung entwickelt. Das erschwert die Bekämpfung des Rechtsextremismus erheblich. Das Ziel rechtsextremer Gruppen ist es, im Diskurs den Anschluss an bürgerlich-demokratische Kreise zu finden. Dabei konzentrieren sie sich vor allem auf den Themenkomplex „Migration und Asyl“ und sprechen hier die Sorgen vieler Menschen hinsichtlich der unkontrolliert erscheinenden, steigenden Zahl von Flüchtlingen und den damit verbundenen Herausforderungen für die Gesellschaft an.

Bekämpfung des Rechtsextremismus

Die steigende Zahl rechtsextremer Straftaten, die zunehmende Gewaltbereitschaft und die Verbreitung extremistischer Ideologien über soziale Medien zeigen, dass hier dringend Handlungsbedarf besteht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat im Februar 2024 ein neues Maßnahmenpaket zum Schutz der Demokratie und zur Bekämpfung des Rechtsextremismus vorgestellt. Sie kommentierte das Paket so: „Wir wollen alle Instrumente des Rechtsstaats nutzen, um unsere Demokratie zu schützen.“ Der Ansatz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus sollte daher ganzheitlich sein. Alle Rechtsverstöße sollten geahndet, Finanzquellen rechtsextremistischer Organisationen ausgetrocknet und der Hass im Internet bekämpft werden. „Wir sollten rechtsextremistische Netzwerke so behandeln wie Gruppierungen der Organisierten Kriminalität. Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen. Das bedeutet, jeden Rechtsverstoß konsequent zu ahnden. Das kann nicht nur durch die Polizei, sondern auch durch Ordnungsbehörden wie die Gaststätten- oder Gewerbeaufsicht geschehen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz verstärkt hierfür seine Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden vor Ort. Bei Rechtsextremisten jeden Stein umzudrehen – das muss der Ansatz sein", so die Innenministerin.