BGH-Urteil: Patientenverfügung muss konkret werden

17.08.2016 | Altenhilfe | Nachrichten

Eine Patientenverfügung muss sich vielmehr auf konkrete Maßnahmen oder konkrete Krankheiten beziehen, um bindende Wirkung zu entfalten, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschied. Eine allgemeine Äußerung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wünschen, enthält jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung, heißt es in einer Presseerklärung des Bundesgerichtshofes zu seinem Beschluss (Aktenzeichen: XII ZB 61/16). Auch aus einer Vorsorgevollmacht muss danach deutlich hervorgehen, ob sie sich auch auf Maßnahmen wie die künstliche Ernährung oder Beatmung bezieht.
Von vornherein nicht ausreichend seien allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist. Zugleich räumte der BGH ein, dass die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung auch nicht überspannt werden dürften. Vorausgesetzt werden könne nur, dass der Betroffene umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht. Die insoweit erforderliche Konkretisierung könne gegebenenfalls durch die Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen oder die Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen erfolgen. Vorausgegangen war ein Urteil des Landgerichtes Mosbach im Falle des Streites dreier Schwestern zur weiteren künstlichen Ernährung ihrer 75-jährigen Mutter. Früher hatte sich die Frau in zwei Patientenverfügungen gegen „lebensverlängernde Maßnahmen“ ausgesprochen, wenn ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt. Nach einem Hirnschlag vor fünf Jahren, wird sie über eine Magensonde ernährt. Später erlitt sie schwere epileptische Anfälle, so dass sie sich nicht mehr selbst äußern kann. Einer ihrer drei Töchter hatte sie eine notarielle „Generalvollmacht“ erteilt, die auch gesundheitliche Angelegenheiten umfasst. Danach darf die Tochter auch über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen entscheiden. Sie und auch die Hausärztin der 75-Jährigen sind der Auffassung, dass ein Abbruch der künstlichen Ernährung bislang nicht deren Willen entspräche. Genau dies meinen aber die beiden anderen Töchter. Dem war das Landgericht Mosbach gefolgt. Es setzte eine der beiden anderen Töchter als „Kontrollbetreuerin“ nach Paragraph 1896 Abs. 3 BGB für den Bereich der Gesundheitsfürsorge ein. Der BGH hob mit seinem Beschluss die Entscheidung des Landgerichts nun auf. Eine schriftliche Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 BGB entfaltet unmittelbare Bindungswirkung nur dann, wenn ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen entnommen werden können. Sowohl die beiden privatschriftlichen Schriftstücke als auch die in der notariellen Vollmacht enthaltenen Äußerungen kämen nicht als bindende, auf den Abbruch der künstlichen Ernährung gerichtete Patientenverfügungen in Betracht, weil sie sich nicht auf konkrete Behandlungsmaßnahmen beziehen, sondern  ganz allgemein "lebensverlängernde Maßnahmen" benennen. Der BGH verwies den Streit zur erneuten Prüfung dorthin zurück, weil der Wille der 75-Jährigen nicht fest stehe. Das Landgericht soll nun prüfen, ob die Frau früher mündliche Äußerungen gemacht hat, die auf ihren Willen schließen lassen.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes vom 9. August 2016