Heidelberger Hundertjährigen-Studie zeigt Gesundheitspotenziale auf

Die Zweite Heidelberger Hundertjährigen-Studie zeigt eine beträchtliche Anzahl an Krankheiten. Eine Vermeidung oder Milderung sei jedoch möglich, teilen Gerontologen der Universität Heidelberg mit. Demnach leiden Hundertjährige in Deutschland häufig unter Schmerzen und sind vor allem durch Hör- und Seheinschränkungen sowie Mobilitätsprobleme gesundheitlich beeinträchtigt. Mit einem optimierten Krankheitsmanagement im Schmerzbereich sowie Präventivmaßnahmen etwa bei Gangsicherheit, Gleichgewichtssinn und Beweglichkeit könne ihre Lebensqualität verbessert werden, so das Fazit der Experten nach Auswertung der Zweiten Heidelberger Hundertjährigen-Studie unter dem Gesichtspunkt von gesundheitlichen Problemen von Hochaltrigen in Deutschland. „Wir sehen ein hohes Beeinflussungspotenzial bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen, so dass diese mit geeigneten Vorbeugemaßnahmen verhindert oder zumindest gemindert werden könnten“, erklärt Studienleiterin Prof. Dr. Daniela Jopp.
In Deutschland liegen nach Angaben der Heidelberger Gerontologen bisher nur begrenzt Informationen zu Gesundheitsproblemen bei Hundertjährigen vor. Um häufige Erkrankungen in dieser Altersgruppe zu identifizieren, wertete das Wissenschaftlerteam um Prof. Jopp die Daten der 2013 veröffentlichten Zweiten Heidelberger Hundertjährigen-Studie im Hinblick auf aktuelle und chronische Krankheiten sowie Schmerzen aus. Im Rahmen der Studie waren 112 Hundertjährige und deren Angehörige aus Heidelberg und Umgebung zu ihrer Lebenssituation befragt worden. Die Ergebnisse der Auswertung zeigen, dass sehr alte Menschen mit durchschnittlich fünf akuten oder chronischen Erkrankungen gesundheitlich stark belastet sind. Fast alle deutschen Hundertjährigen litten unter Hör- und Seheinschränkungen. Am zweithäufigsten lagen Mobilitätsprobleme vor, wobei mehr als 70 Prozent der Befragten von mindestens einem Sturz seit ihrem 95. Lebensjahr berichteten. Danach folgen Erkrankungen des Bewegungsapparats und Arthritis. Potenziell lebensgefährliche Krankheiten wie Schlaganfall oder Krebs kamen eher selten vor – eine Ausnahme bilden Herz-Kreislauf-Erkrankungen, unter denen etwa zwei Drittel der Hundertjährigen leiden. Über häufige Schmerzen klagte ein Drittel der Befragten, 36 Prozent gaben eine Schmerzintensität an, die höher als „erträglich“ war. „Die Tatsache, dass eine beträchtliche Anzahl der Hundertjährigen an Schmerzen leidet, ist besorgniserregend und verdient mehr Aufmerksamkeit“, betont Daniela Jopp. Unklar ist nach ihren Worten, ob die behandelnden Ärzte nicht ausreichend über die Schmerzen informiert sind oder ob Medikamente nicht richtig wirken. Es sei wichtig, dass Ärzte in diesem Bereich gezielt nachfragten. Um die Mobilität der Hochaltrigen zu verbessern, schlagen die Wissenschaftler präventiv eine frühzeitige Stärkung der Fitness über gezielte Programme vor. Besonders wichtig sind laut Dr. Christoph Rott, Co-Autor der Veröffentlichung, Übungen zur Stärkung der Beinmuskulatur. Die Gerontologen verweisen zudem auf die vielen niederschwelligen Bewegungsangebote in der Stadt, beispielsweise das „Heidelberger Bewegungsprogramm“, mit dem Ältere über die Seniorenzentren zum gemeinsamen Spazierengehen animiert werden und so ihre Gehfähigkeit verbessern können. Mit Blick auf einen Rückgang des Seh- und Hörvermögens schlagen die Wissenschaftler vor, die technischen Hilfsmittel wie Hörgeräte und Brillen häufiger zu kontrollieren. „Auch im hohen Alter verändern sich die Fähigkeiten, und eine regelmäßige Anpassung kann helfen, den hochbetagten Menschen einen besseren Zugang zum Alltagsleben und zur Teilhabe zu ermöglichen“, sagt Daniela Jopp. „Dies ist vor allem wichtig, weil diese Einschränkungen häufig gravierende Folgen für die Lebensqualität haben – beispielsweise auch Depressionen.“ Die Ergebnisse der Auswertung wurden im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht.

Quelle: Pressemitteilung der Universität Heidelberg vom 19. Mai 2016