Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Personal und mehr Wertschätzung für Pflegende

von Ines Nowack
12.05.2016 | Altenhilfe, Sozialpolitik | Nachrichten

Fach- und Interessenverbände melden sich zum heutigen Internationalen Tag der Pflege zu Wort

Der heutige Internationale Tag der Pflege ist Fach- und Interessenverbänden Bedürfnis, auf die spannungsreiche Lage des Berufsstandes der Pflegenden aufmerksam zu machen. Professionell Pflegenden wird aufgrund der demografischen Entwicklung eine sichere berufliche Zukunft vorausgesagt, mit bundesweiten Kampagnen wächst die Zahl der Auszubildenden vor allem in der Altenpflege schneller als in anderen Ausbildungsberufen. Neu- oder UmsteigerInnen erleben im Pflegealltag jedoch oftmals prekäre Personalsituationen und schwierige Arbeitsbedingungen. Was für eine bessere Zukunft der Berufspflege getan werden muss, darüber gibt es unter den (berufs-)politischen Akteuren unterschiedliche Positionen. Alle sprechen heute jedoch von der Notwendigkeit einer höheren Wertschätzung des Engagements und ihrer Arbeit.  Mit einem bundesweiten Aktionstag haben die Diakonie und ihr Fachverband Deutscher Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) ihre Altenpflegeheime und ambulanten Pflegedienste in ganz Deutschland dazu aufgerufen, auf den Fachkräftemangel aufmerksam zu machen. Pflegekräfte und Leitungen von Pflegediensten verteilten dort, wo sie mit Menschen ins Gespräch kommen können, z.B. auf Marktplätzen oder in Fußgängerzonen, Blumen an Passanten.

Diakonie und DEVAP: Gute Pflege erfordert mehr finanzielle und personelle Ressourcen

„Wir brauchen mehr Wertschätzung für die hochfachliche und engagierte Arbeit der Pflegekräfte. Wir müssen ausdrücklich klarstellen, dass eine gute Pflege mehr personelle und finanzielle Ressourcen erfordert. Dies wird immer noch allzu gern vergessen,“ betont der Vorsitzende des DEVAP, Bernhard Schneider. Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland hält rasche Korrekturen bei den Personalschlüsseln in den Pflegeheimen für notwendig: „Die Altenpflege hat sich in den letzten Jahren verändert. Menschen werden oft erst im hohen Alter pflegebedürftig, brauchen dann aber eine umfassende und qualifizierte Zuwendung. Die palliative Pflege am Lebensende ebenso wie die Versorgung bei demenzieller Erkrankung braucht mehr Pflegezeit als es die Vereinbarungen mit den Pflegekassen vorsehen."

Pflegenachwuchs mit modernder Pflegeausbildung qualifizieren - Aber wie?

Für die Diakonie und den DEVAP führt an der Investition in qualifizierten Nachwuchs für eine moderne kein Weg vorbei. Sie befürworten die neue generalistische Pflegeausbildung und begrüßen das neue Pflegeberufsgesetz als Grundlage für eine moderne Pflegeausbildung mit großen Vorteilen für die Auszubildenden und die spätere Berufspraxis: „Die Schulgeldfreiheit, die Ausbildungsvergütung und das breite Praxisspektrum macht die Ausbildung attraktiv“, so Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland.

bpa: Einzelne Abschlüsse stärken und für spezielle Anforderungen fit machen

Scharfer Kritiker der generalistischen Ausbildung ist der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). Es sei angesichts von mehr als drei Millionen Pflegebedürftigen im Jahr 2030 unverständlich, warum der Gesetzgeber jetzt durch das Pflegeberufegesetz gerade die Alten- und die Kinderkrankenpflege schwächen wolle. „Die Energie, die man bei diesem Gesetz vergeudet, sollte man eher in die Fragen investieren, wie man die einzelnen Abschlüsse stärken und sie für die zukünftigen Anforderungen, die immer spezialisierter werden, fit machen kann“, bekräftigte zum heutigen Tag der bpa-Präsident Bernd Meurer frühere Forderungen des Verbandes.

Scharfe Töne zu Bildern und Wirklichkeit von Pflegealltag

Der Verband setzte zum heutigen Tag auf Schlagzeilen. Er will Wertschätzung nicht nur an einem, sondern an 365 Tagen im Jahr. Es ist „mehr als ärgerlich, wenn ständig nur über die Herausforderungen in der Pflege gejammert wird und man düstere Bilder zeichnet. Das entspricht weder der Realität noch wird es den Pflegekräften gerecht. Wir sollten junge Menschen gemeinsam ermutigen, einen Beruf in der Pflege zu ergreifen und sie nicht dauernd durch ein von manchen Berufsverbänden selbst gepflegtes Negativimage verunsichern“, so Meurer.  Welche Berufsverbände gemeint sind, bleibt dabei ungesagt. Es gibt in Deutschland eine Reihe von eher spezialisierten Interessenverbänden von Pflegeberufen. Der größte Vertreter der freien beruflichen Pflege, der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), hatte heute ebenfalls scharfe Töne angeschlagen. „Immer mehr Arbeit soll von immer weniger und geringer qualifiziertem Pflegepersonal bewältigt werden, bei steigenden Qualitätsanforderungen. Arbeitsrecht und Arbeitsschutzbestimmungen werden dabei gern großzügig ausgelegt, immer auf Kosten der Beschäftigten."

Erste Ergebnisse von DBfK-Aktion: „Mein Recht auf Frei"

Aus Anlass des Internationalen Tags der Pflegenden veröffentlichte der DBfK erste Ergebnisse seiner diesjährigen Aktion „Mein Recht auf Frei“. Von Anfang März bis Mitte April 2016 hatte der Verband eine Online-Umfrage zur Dienstplanung und Pausenregelung für Pflegende in Kliniken, Heimen und der ambulanten Pflege durchgeführt. 3572 Antworten gingen ein, wie der DBfK mitteilte. Sie konnten in die Auswertung einbezogen werden, die momentan noch fortgesetzt wird. Beispielsweise berichtet danach knapp die Hälfte der UmfrageteilnehmerInnen, dass sie ein- bis zweimal im Monat kurzfristig Schichten übernehmen müssen, ein weiteres Drittel ist davon sogar drei- bis fünfmal pro Monat und weitere neun Prozent quasi wöchentlich betroffen. Der Berufsverband der Pflegefachkräfte fordert, die Pflegepersonalbemessung so zu gestalten, dass Ausfälle (zum Beispiel durch Krankheit) einkalkuliert sind, Arbeitsrecht und Arbeitsschutzbestimmungen einzuhalten, Freizeit und Privatleben der Beschäftigten zu respektieren.Wer mehr Attraktivität für die Pflegeberufe will, darf nicht gleichzeitig schlechte Arbeitsbedingungen tolerieren. Diese Verantwortung tragen Politiker, Aufsichtsbehörden und Arbeitgeber gleichermaßen, heißt es in einer Erklärung des Verbandes heute. 

BIVA: Gravierende Mängel in der stationären Pflege nur durch bundesweit einheitlichen Personalschlüssel zu beheben 

Gute Pflege muss sich am Menschen messen lassen, der Unterstützung braucht. In diesem Sinne, meldete sich die bundesweite Interessenvertretung für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen und für von Pflege Betroffene BIVA zu Wort und erinnerte an gravierende Mängel in der stationären Pflege. Weder die Ernährung noch die Medikamentenversorgung oder der Umgang mit Sturzgefahren sind im Durchschnitt der Pflegeeinrichtungen so gut, dass sich die Menschen jederzeit und überall vertrauensvoll in eine Pflegeeinrichtung begeben können. Darauf weist Dr. Manfred Stegger, Vorsitzender der BIVA, hin. Das liege nicht an der Qualität der Pflegenden, sondern an der zu geringen personellen Ausstattung der Einrichtungen. Nur ein besserer und bundesweit einheitlicher Personalschlüssel könnte hier für Abhilfe sorgen. Stegger macht die Pflegekräfte für die fehlende Qualität ausdrücklich nicht verantwortlich. Pflegende „sind das schwächste Glied in der Kette. Die meisten sind hochmotiviert und versuchen trotz harter Bedingungen das Beste für die Bewohnerinnen und Bewohner zu erreichen. Ihnen gilt unsere Anerkennung und unser Respekt“, so Stegger. Es gelte daher, jedem Pflegenden mehr Zeit für die einzelnen Aufgaben zur Verfügung zu stellen.

BDH: Aufwertung der Pflege kommt dem gesamten Healthcare-Sektor zugute

Wie der BDH Bundesverbandes Rehabilitation vor wenigen Wochen meldete, hält er auch eine grundsätzliche Aufwertung für fällig. „Würden heute die richtigen Weichenstellungen gewählt, könne das Land das Gute mit dem Nützlichen verbinden und über eine qualitative Aufwertung der Pflegeberufe auf der einen Seite den wachsenden Pflegebedarf abbilden und auf der anderen Seite für Dynamik auf dem Arbeitsmarkt sorgen, unterstrich die Vorsitzende des Sozialverbands, Ilse Müller: Eine grundsätzliche Aufwertung der Pflegebranche durch differenzierte Ausbildungsberufe, Förderung des Investitionsumfelds und Anhebung der Personalschlüssel sorge zudem auf lange Sicht für ein professionelles Umfeld, in dem auch pflegenahe Dienstleistungen, Heilberufe, Gesundheitszentren sowie der gesamte Healthcare-Sektor profitieren würden, so ließ der BDH verlauten.


Quelle: Gemeinsame Presseinformation von Diakonie und ihrem Fachverband Deutscher Evangelischer Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) vom 10. Mai 201, bpa-Presseinformation vom 11. Mai 2016, BIVA-Presseinformation vom 11. Mai 2016, DBfK-Presseinformation vom 12. Mai 2016, BDH-Presseinformation vom 12. April 2016