Pränatale Bluttests gehören nicht in die Regelversorgung - Offener Brief an G-BA

Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt plant der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) morgen über eine Methodenbewertung zu beraten, die nach Ansicht des Gen-ethischen Netzwerkes (GeN) zur Einführung von nicht-invasiven Bluttests (NIPT) in die reguläre Schwangerenversorgung führen wird. In einem Offenen Brief protestieren GeN gemeinsam mit fünf anderen Organisationen vehement.  Sie fordern den G-BA auf, den Punkt unverzüglich von der Tagesordnung der Sitzung zu streichen. Das Plenum soll dort über die Einleitung eines Beratungsverfahrens entscheiden. „Es kann nicht sein, dass ein Vorhaben mit so vielschichtigen gesellschaftspolitischen Implikationen ohne jegliche öffentliche Debatte seinen bürokratischen Gang geht“, kommentiert Uta Wagenmann, beim GeN mit Medizin und Gesundheitssystem befasst. In einem Bewertungsverfahren prüfe der G-BA den diagnostischen Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit einer neuen Methode im Vergleich zu etablierten Kassenleistungen. „Die pränataldiagnostische Praxis mit ihrer Fahndung nach fötalen Abweichungen würde in so einem Verfahren nicht hinterfragt, sondern im Gegenteil die Grundlage der Bewertung der Bluttests bilden“, so Wagenmann. „Das ist vollkommen inakzeptabel. Was wir brauchen, ist endlich eine breite und ehrlichegesellschaftliche Debatte über das geradezu zwanghafte Bedürfnis nach Kontrolle und Planung, das in der heutigen Schwangerenversorgung so dominant ist.“
In dem beantragten Prüfverfahren, so ist in der Tagesordnung der morgigen G-BA-Sitzung zum kritisierten TOP zu lesen, "werden die Gremienmitglieder des G-BA in ihren Beratungen zur evidenzbasierten medizinischen Bewertung der NIPD die in zahlreichen gesellschaftlichen Gruppen diskutierten Befürchtungen einer möglichen Indikationsausweitung der Pränataldiagnostik und einer damit einhergehenden potenziellen Gefahr der selektiven Verhinderung von Schwangerschaften, insbesondere mit fetaler Trisomie 21, im Blick behalten." Der G-BA sei sich in seinen Beratungen der Tatsache bewusst, dass dieses Verfahren neben den standardmäßig zu prüfenden medizinischen Gesichtspunkten in besonderer Weise ethische Fragestellungen berührt, die stets mitbedacht werden müssen. Um diese Perspektive zu stärken, sei es vorgesehen, im weiteren Beratungsverfahren, zum Beispiel im Rahmen des ersten Einschätzungsverfahrens oder auch im abschließenden Stellungnahmeverfahren neben den wissenschaftlichen Fachgesellschaften weitere gesellschaftliche Organisationen wie beispielsweise den Deutschen Ethikrat einzubeziehen.
Scharfe Kritik von zivilgesellschaftlichen Organisationen ebenso wie von Bundestagsabgeordneten aller Fraktionen gab es bereits vor gut zwei Jahren, so GeN, nachdem der G-BA vor gut zwei Jahren angekündigt hatte, NIPT probeweise in die Regelversorgung einführen zu wollen, um mehr Evidenz zu Nutzen und Aussagekraft der Tests zu gewinnen. Bereits damals blieben gesellschaftspolitisch und ethisch bedenkliche Entwicklungen in der Pränataldiagnostik außen vor. Angesichts möglicher Auswirkungen eines temporär als Kassenleistung angebotenen pränatalen Bluttests wurde der G-BA damals immer wieder aufgefordert, transparenter zu agieren und die Zivilgesellschaft zu beteiligen. Das Vorhaben der Erprobung sei nun offensichtlich vom Tisch, stattdessen wurde im G-BA die Einleitung des regulären Bewertungsverfahrens beantragt, wie man aber nur aus der Tagesordnung für die Sitzung hat schließen können, die Öffentlichkeit sei nicht informiert worden.  Der Offene Brief kann heruntergeladen werden unter www.gen-ethisches-netzwerk.de/gen/2016/pr%C3%A4natale-bluttests-geh%C3%B6ren-nicht-regelversorgung

Quelle: Presseinformation des Gen-ethischen Netzwerkes vom 12. August 2016/ www.g-ba.de, Stand: 17. August 2016