Studie: Ehrenamtliche Flüchtlingshilfe engagiert und professionalisiert sich weiter

Eine von der Bertelsmann-Stiftung beauftragte qualitative Helfer-Studie bestätigt die Eindrücke vor Ort: Freiwillige Flüchtlingshelfer lassen nicht nach in der Hilfe und stärken Willkommenskultur.  Die Studie „Koordinationsmodelle und Herausforde­rungen ehrenamtlicher Flüchtlingshilfe in den Kommunen“ wurde vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) an der Berliner Humboldt-Universität durchgeführt. Dabei sind in 17 Kommunen deutschlandweit 25 qualitative Interviews geführt, sowie ein Workshop mit ehrenamtlichen und hauptamtlichen Koordinatoren umgesetzt wor­den. Die Erhebung fand zwischen Januar und März 2016 statt. Sie zeige, dass viele Initiativen inzwischen dabei sind, sich zu institutionalisieren und beispielsweise Vereine gründen. Insbesondere 2015 seien viele Inititaitven gegründet worden. Die engagierten Helfer in Deutschland übernehmen in der Flüchtlingsarbeit unter anderem Aufgaben, die normalerweise der Staat leisten müsste, wie zum Beispiel die Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung und Wohnraum. Weiterhin besonders wichtig bleibt ihr Einsatz als Brücke zwischen den Geflüchteten und den Behörden. Beispielsweise übernehmen sie wichtige Lotsen-Funktionen, begleiten Geflüchtete bei Behördengängen, bei ersten Schritten in Schulen und Praktika oder führen frühzeitige Sprachförderung unabhängig vom Status der Flüchtlinge durch. So sorgen sie dafür, dass geflüchtete Menschen Angebote zur Integration überhaupt wahrnehmen können. Freiwillig Engagierte brauchen Unterstützung von Kommunen Gleichzeitig brauchen die freiwillig Engagierten die Unterstützung durch hauptamtliche Mitar­beiter auf Seiten der Kommunen, um sich auf die Integration konzentrieren zu können und eine Entlastung bei den zentralen Personen zu erreichen. „Das vielfältige Engagement ist und bleibt zentral für die Integration der geflüchteten Menschen“, sagt Bettina Windau, Leiterin des Bereiches „Zukunft der Zivilgesellschaft“ bei der Bertelsmann Stiftung. Windau weiter: „Damit dies langfristig gelingt, müssen Wege gefunden werden, um vor Ort das Engagement koordinierend zu unterstützen. Gleichzeitig müssen Autonomie und Mitsprache der Engagierten und der Geflüchteten geachtet werden.“ Die Forscher haben in der Studie drei Formen, wie die Zusammenarbeit zwischen Stadt und Initiativen vor Ort organisiert wird, identifiziert: Nach dem ersten Modell übernehmen vor allem einzelne Menschen ehrenamtlich die Koordination in den Städten oder Stadtteilen. Ihre Aufgaben reichen von der Einführung neuer Engagierter in die Initiativen über die Vermittlung konkreter Hilfsangebote bis zur Beantragung von Fördermitteln. Diese Koordination zwischen Behörden und Geflüchteten ist oft ein Vollzeitjob. Der Vorteil: Der Koordinator weiß genau, was Geflüchtete und Engagierte brauchen. Der Nachteil: Schnell kann es hierbei zu einer Überlastung einzelner Personen kommen. Beim zweiten Modell handelt es sich um eine Netzwerk-Koordination. Hierbei gibt es keinen einzelnen, zentralen Akteur, sondern die Aktiven treffen ihre Entscheidungen an runden Tischen. Der Vorteil: Die Netzwerk-Koordination ermöglicht Austausch auf Augenhöhe. Der Nachteil: Es gibt keinen zentralen Ansprechpartner. Entscheidungen brauchen viel Zeit und Geduld. Hinzu kommt, dass die Augenhöhe zwischen Freiwilligen und Behörden-Mitarbeitern selten erreicht wird. Vor allem Engagierte, aber auch Geflüchtete erleben ihre Teilnahme nicht selten als Alibi. Das dritte Modell bildet die zentrale Koordinationsstelle in der Kommunalverwaltung. Hier gibt es einen hauptamtlichen Ansprechpartner, dem entsprechende Kompetenzen und Mittel zur Verfügung stehen. Seine Hauptaufgaben: Bedarfe und Angebote zusammenbringen, Infor­mationen bündeln, Fördermittel, Austausch und Fortbildungen organisieren. Damit die Arbeit der zentralen Koordinierungsstelle wirkt, muss sie unabhängig arbeiten können und von den Initiativen akzeptiert sein. Außerdem sollte sie auf die Unterstützung der Initiativen ausgerichtet sein. Freiwilliges Engagement ist der Kitt der Gesellschaft Die Studie gibt einen Hinweis darauf, dass anscheinend viele Initiativen in Deutschland nicht nur als Hilfe für die Geflüchteten entstanden sind, sondern auch, um die Willkommenskultur zu stärken und um ein Zeichen gegenüber Andersgesinnten zu setzen. „Gerade jetzt nach den Gewalttaten der vergangenen Wochen, an denen offenbar auch Flüchtlinge beteiligt waren, sind die engagierten Freiwilligen eine zentrale Stütze. Denn: Durch ihre Arbeit wird in den Kommunen eine positive Stimmung gegenüber Geflüchteten erhalten. Diese Dimension des Engagements hat politische Wirkung gegen rechte Stimmungsmache. Die Gruppen und Ver­eine stärken somit den Zusammenhalt der Gesellschaft“, sagt Windau. Städte und Gemeinden seien gut beraten, auch künftig Koordinationsstellen aufzubauen und freiwilliges Engagement öffentlich mehr anzuerkennen. Denn ehrenamtliche Helfer leisten einen wichtigen Beitrag für das Zusammenleben in Deutschland. Koordinationsstellen stärken das Potenzial und die Wertschätzung der Zivilgesellschaft insgesamt. Die Studienergebnisse können kostenlos auf den Internetseiten der Bertelsmann-Stiftung heruntergeladen werden, www.bertelsmann-stiftung.de