WSI-Verteilungsbericht: Soziale Mobilität sinkt, Ungleicheit steigt auf Höchststand

Der neue Verteilungsbericht des Wirtschafts-und Sozialwissenschaftlichen Institutes (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung legt den Finger in eine immer deutlicher sichtbare Wunde: Trotz guter Konjunktur, trotz Reallohnzuwächse und Rekordbeschäftigung entkommen nach Ergebnissen des Berichtes Arme immer seltener dauerhafter Armut. Sehr Reiche können dagegen zunehmend sicher sein können, ihre Einkommensvorteile auf Dauer zu behalten.

So schaffe es die Hälfte der Armen nicht, innerhalb von fünf Jahren aus der Armut herauszukommen. Das sei deutlich mehr als noch in den 1990-er Jahren. Für Angehörige der unteren Mittelschicht ist im Zeitvergleich das Risiko des finanziellen Abstiegs gewachsen, während bereits Wohlhabende tendenziell größere Aufstiegschancen haben, so das WSI.

Parallel dazu habe die Ungleichheit bei der Einkommensverteilung in Deutschland einen neuen Höchstwert erreicht. Gleichzeitig seien die Abstände zwischen hohen und niedrigen Einkommen spürbar gewachsen. „Bei der Einkommensungleichheit, gemessen nach dem so genannten Gini-Koeffizienten haben wir sogar den bisherigen Höchststand aus dem Jahr 2005 wieder überschritten“, erklärt Prof. Dr. Anke Hassel, die wissenschaftliche Direktorin des WSI.

Im internationalen Vergleich zeige sich: Die soziale Mobilität, insbesondere zwischen Kinder- und Elterngeneration, ist fast nirgendwo so niedrig wie in Deutschland. Das heißt: In kaum einem anderen Land hängen die Chancen so stark von der Herkunft ab wie hierzulande.  Allerdings: Anders als noch in den Anfangsjahren der Bundesrepublik, können selbst gutsituierte Eltern nicht mehr davon ausgehen, dass es ihre Kinder einmal besser haben werden. Das Risiko, gegenüber den Eltern sozial abzusteigen, ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gestiegen, so das WSI.

„Viele dieser Entwicklungen vollziehen sich nicht in spektakulären Sprüngen, sondern langsam, aber recht kontinuierlich und selbst bei guter wirtschaftlicher Lage. Das macht sie besonders gefährlich, weil politischer Handlungsdruck lange übersehen werden kann. Dabei ist es höchste Zeit, gegenzusteuern“, so Hassel.

Für den Bericht hat WSI-Verteilungsexpertin Dr. Dorothee Spannagel die relevanten Quellen analysiert, unter anderem umfangreiche Daten aus dem sozio-oekonomischen Panel (SOEP), einer jährlichen Wiederholungsbefragung in mehr als 10.000 Haushalten.

Um aussagekräftige Trends herauszuarbeiten, vergleicht der Verteilungsbericht die soziale Mobilität in den 5-Jahres-Zeiträumen 1991/1995 und 2009-2013, dem derzeit aktuellsten Jahr, für das SOEP-Daten vorliegen. Vor allem am oberen und unteren Ende der Einkommenshierarchie zeigen sich danach deutliche Verfestigungen: Zwischen 1991 und 1995 schafften es noch rund 58 Prozent der Armen, in eine höhere Einkommensgruppe aufzusteigen. Knapp 20 Jahre später gelang das innerhalb von fünf Jahren nur noch 50 Prozent. Allein der Anteil der Aufstiege in die untere Mittelschicht sank um gut zehn Prozentpunkte, ein Rückgang, der sich durch etwas häufigere Aufstiege in die Gruppe der Wohlhabenden bei weitem nicht ausgleichen lässt.

Der Report und flankierende Informationen sowie übersichtliche Infografiken unter www.boeckler.de/wsi_67151.htm

Ausführlichere Informationen, auch zu den Berechnungsgrundlagen, in der Presseinformation des Institutes


Quelle: Pressedienst des Wirtschafts-und Sozialwissenschaftlichen Institutes der Hans-Böckler-Stiftung vom 10. Oktober 2016