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Zur Lage der Sozialen Arbeit an den bundesdeutschen Hochschulen

Gemeinsame Stellungnahme der Vorstände der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) und des Vorstands der Kommission Sozialpädagogik in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE)

Soziale Dienstleistungsberufe in den Feldern der Sozialen Arbeit stellen am Beginn des 21. Jahrhunderts eine der größten und am stärksten wachsenden Berufsgruppen im bundesdeutschen Kontext dar. Kaum ein Segment auf dem Arbeitsmarkt kann auf eine derart ausdifferenzierte und umfängliche Expansion und Entwicklung in den vergangenen vierzig Jahren verweisen. Wohlfahrtsstaatliche Unterstützungsstrukturen basieren in zentraler Weise auf dem professionellen Engagement der Fachkräfte Sozialer Arbeit. Dessen wissenschaftliche Fundierung ist notwendige Voraussetzung ihrer professionellen Leistungen in den verschiedenen Handlungsfeldern von Sozialarbeit und Sozialpädagogik [1]. Zugleich sind die AkteurInnen in den professionellen Feldern und im Wissenschaftsfeld der Sozialen Arbeit angesichts der grundlegenden Veränderungsprozesse des bisherigen wohlfahrtsstaatlichen Kontextes am Anfang des 21. Jahrhunderts neu herausgefordert, ihre Position zu lokalisieren und ihre Aufgaben zu konzipieren. Entsprechende forscherische Aktivitäten werden insbesondere von den Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) und den Mitgliedern der Kommission Sozialpädagogik in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) an den bundesdeutschen Hochschulen in vielfacher Weise verantwortet und vorangetrieben. Seit den späten 1960er Jahren hat sich die akademische Ausbildung von sozialarbeiterischen und sozialpädagogischen Fachkräften durch die Einrichtung eigener Studiengänge an Universitäten und Fachhochschulen etabliert. Inzwischen werden jährlich mehr als 15.000 AbsolventInnen an den Hochschulstandorten erfolgreich zu einem Studienabschluss begleitet. Trotzdem konstatieren Träger sozialer Dienstleistungsangebote in einigen Regionen Deutschlands am Anfang des 21. Jahrhunderts einen neuen Fachkräftemangel. Korrespondierend zur akademischen Ausbildung hat sich an den  bundesdeutschen Universitäten und Fachhochschulen inzwischen eine Forschungslandschaft etabliert, innerhalb derer sowohl im Bereich der anwendungsbezogen, evaluativen Forschung als auch im Bereich der Grundlagenforschung systematisches Wissen generiert wird, das nicht zuletzt für die Gestaltung des sozialen Zusammenhalts und für das Feld zivilgesellschaftlichen Engagements von großer Bedeutung ist: Forschungsschwerpunkte sind hierbei u.a. die Bearbeitung von Fragen der Bildung und Erziehung, der Inklusion/Integration, der Verminderung bzw. Vermeidung sozialer Risiken und der Ausgrenzung, der Teilhabe und Förderung von Selbsthilfepotenzialen sowie der Gestaltung professioneller Arrangements und Netzwerke, sozialer Organisationen und sozialpolitischer Instrumente. Wohlfahrtsstaatliche Unterstützungsstrukturen werden auch in Zukunft nur zu gewährleisten sein, wenn an Hochschulen solches Wissen generiert wird und werden kann. Dazu ist die nachhaltige Weiterentwicklung und Stärkung des wissenschaftlichen Engagements in den Forschungsfeldern der Sozialen Arbeit notwendig. Die seit einiger Zeit zu beobachtenden Entwicklungen, Lehr- und Forschungseinheiten an den bundesdeutschen Hochschulen in diesem Bereich zu verkleinern oder gar ganz aufzulösen, ist eine Politik, die gegen den zunehmenden Bedarf an wissenschaftlich gut qualifizierten Fachkräften ausgerichtet ist. Denn zur nachhaltigen Professionalisierung Sozialer Arbeit ist eine ausgewiesene Wissenschaftsbasis unerlässlich. Dazu gehören eine angemessene Absicherung und ein Ausbau der vorhandenen Lehr- und Forschungsinfrastruktur sowie die Stärkung des Wissenschaftsfeldes an allen bundesdeutschen Hochschulen. Mit großer Sorge und Unverständnis beobachten die Vorstände der DGSA und der Kommission Sozialpädagogik in der DGfE daher den gegenwärtigen Abbau und die Um-denomination von bisherigen Professuren für Soziale Arbeit und Sozialpädagogik an einigen Universitäten sowie den Abbau universitärer Studiengänge und die Reduzierung entsprechender Studienschwerpunkte innerhalb erziehungswissenschaftlicher Studiengänge. Wir halten es für dringend geboten, diese für die Qualität sozialer Unterstützungssysteme und die Professionalität sozialer Dienstleitungen äußerst schädliche Entwicklung umgehend anzuhalten und wieder umzukehren. Für die Sicherung ihres wissenschaftlichen Nachwuchses ist Soziale Arbeit in ihrer ganzen Breite als Disziplin wie Profession außerdem auf eine breit gefächerte akademische Verankerung angewiesen, die ihrer gesellschaftlichen und beschäftigungspolitischen Bedeutung mit gegenwärtig etwa 1,5 Millionen Beschäftigten in den sozialen Berufen (davon 300.000 SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen) entspricht. Vor dem Hintergrund der damit verbundenen gesellschaftlichen Anforderungen an die zukünftigen Fachkräfte werden nicht weniger, sondern deutlich mehr Professuren benötigt. Daher sind auch die institutionellen Möglichkeiten zur Promotion an den Hochschulen für Absolventinnen und Absolventen weiter auszubauen, um rechtzeitig und ausreichend akademischen Nachwuchs ausbilden zu können. Deshalb ist die Zusammenarbeit im Bereich der Promotionsförderung zwischen Universitäten und Fachhochschulen, wie sie in einzelnen Hochschulregionen bereits implementiert wurde, zukünftig in allen Bundesländern abzusichern und damit die Basis für den weiteren Aufbau kooperativer Promotionsstrukturen zu gewährleisten. Nur die Sicherung Sozialer Arbeit als Profession wie als Wissenschaftsfeld – an allen Hochschulen – kann die Zukunft adäquater und nachhaltiger  wohlfahrtsstaatlicher Sicherungs- und Unterstützungsstrukturen auch im 21. Jahrhundert garantieren. Die Vorstände der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit und der Kommission Sozialpädagogik in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA): Prof. Dr. Herbert Effinger (Dresden)
Prof. Dr. Silke Birgitta Gahleitner (Berlin)
Prof. Dr. Björn Kraus (Freiburg)
Prof. Dr. Ingrid Miethe (Gießen)
Prof. Dr. Sabine Stövesand (Hamburg) Vorstand der Kommission Sozialpädagogik in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE): Prof. Dr. Karin Bock (Münster)
Prof. Dr. Cornelia Füssenhäuser (Wiesbaden)
Prof. Dr. Fabian Kessl (Duisburg-Essen)
Prof. Dr. Thomas Olk (Halle)
Prof. Dr. Uwe Uhlendorff (Dortmund) Fussnote [1] Sozialarbeit/Sozialpädagogik werden im Folgenden im Begriff Soziale Arbeit zusammengeführt, obwohl wir uns der verschiedenen Traditionen durchaus bewusst sind.

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