Fachtag Gewaltprävention bei Kinder- und Jugendgewalt in Niedersachsen
Mehr Straftaten, zunehmend brutale Auseinandersetzungen, antisemitische Vorfälle und Alarmmeldungen auch aus Schulen - angesichts der aktuellen Diskussion über zunehmende Gewalt unter Kindern und Jugendlichen hat die Niedersächsische Landesregierung Vertreterinnen und Vertreter von Vereinen, Verbänden, der Wissenschaft sowie Praktikerinnen und Praktiker am 11.04.24 zu einem Fachtag eingeladen. Im Fokus stand dabei der ministeriums- und fachübergreifende Austausch über mögliche Strategien zur Prävention von Kinder- und Jugendgewalt. Beteiligt waren u.a. die Ministerien für Kultus, Inneres, Justiz und Soziales.
Eine erste gesellschaftliche Einordnung lieferte Thomas Bliesener vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN). Er ließ in seinem Impulsvortrag die Entwicklung der zurückliegenden Monate Revue passieren und hob die Bedeutung einer effektiven Förderung der Präventionsarbeit hervor. Im Anschluss ging es für die Teilnehmenden in die erste von insgesamt zwei Workshoprunden, die sich u.a. mit frühem aggressivem Verhalten im Kindesalter, Cyber-Mobbing, aber auch mit sexualisierter sowie politisch und religiös motivierter Gewalt beschäftigten.
Am Mittag folgte im Plenum eine Podiumsdiskussion, an der für die Landesregierung Kultusministerin Julia Willie Hamburg, Innenministerin Daniela Behrens, Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann und die Staatssekretärin im Sozialministerium, Dr. Christine Arbogast, teilnahmen sowie die Vorsitzende des Landespräventionsrates Niedersachsen, Prof. Ute Haas, und die kommissarische Vorsitzende des Landesschülerrates Louisa Basner. Hier rückte insbesondere die Rolle von ressortübergreifender Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Akteuren in den Vordergrund, darunter Schulen, Jugendämter, Schulpsychologie, Polizei, Justiz und Hilfsorganisationen. So strebt das Land eine Überarbeitung des bisherigen Erlasses „Sicherheits- und Gewaltpräventionsmaßnahmen in Schulen in Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft“ an, gleichzeitig sollen auch die Handreichungen zur Krisenprävention und -intervention umfangreich angepasst werden.
„Die Zunahme von Gewalttaten in Schulen, aber auch in der Gesellschaft, erfordern eine verstärkte Aufmerksamkeit und Handlungsbereitschaft“, betonte Kultusministerin Hamburg. „Jede einzelne Ebene allein kann dieser Herausforderung nicht begegnen. Es braucht ein konsequenteres Ineinandergreifen und professionenübergreifendes Handeln. Es ist aber auch eine gesellschaftliche Verantwortung, dieser Entwicklung durch Respekt und Grenzen Einhalt zu gebieten. Das große Interesse an diesem Fachtag zeigt die Bereitschaft aller Verantwortlichen zur engeren Zusammenarbeit. Unser Ziel ist es, die Schnittstellen der einzelnen Institutionen noch besser zu nutzen und zu verzahnen. Gleichzeitig muss es darum gehen, die Ursachen von Gewalt frühzeitig zu bekämpfen. Darum geht es bei dem heutigen Fachtag.“
Niedersachsens Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, erklärte: „Die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik der vergangenen beiden Jahre beschreiben bei der Kriminalität von Kindern und Jugendlichen einen besorgniserregenden Trend, dem wir gesamtgesellschaftlich entgegenwirken müssen. Die Niedersächsische Polizei setzt bereits intensiv auf das Thema Gewaltprävention und wird ihre Aktivitäten in diesem Bereich weiter verstärken. Letztlich werden wir die Entwicklung jedoch nicht allein mit polizeilichen Mitteln umkehren können. Wir brauchen vielmehr eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von allen Akteurinnen und Akteuren, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, um unmissverständlich klar zu machen: ‚Gewalt kann und darf nie die Antwort sein.'“
Justizministerin Dr. Kathrin Wahlmann hob hervor, dass sich zahlreiche Akteure der Justiz - insbesondere Jugendrichterinnen und Jugendrichter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte - bereits jetzt aktiv in kommunale Präventionsgremien einbrächten und dort sehr konstruktiv mitarbeiteten. Das geschehe nicht zuletzt auch aus eigenem Interesse: „Gute Präventionsarbeit ist guter Opferschutz. Jeder Fall von gelungener Prävention ist daher ein Gewinn für die Sicherheit in der Bevölkerung - und darüber hinaus auch eine konkrete Entlastung der Justizbehörden. Kommt es trotz aller Bemühungen im Vorfeld dennoch zu verfolgbaren Straftaten, bietet aber auch das Jugendstrafrecht mit seinem Erziehungs- und Präventionsgedanken passgenaue Instrumente, um weitere Delikte zu verhindern und die Jugendlichen zur künftigen Gesetzestreue anzuhalten. Unsere Jugendrichterinnen und Jugendrichter gehen in diesem sensiblen Bereich mit viel Fingerspitzengefühl vor.“
Darüber hinaus leiste insbesondere die Geschäftsstelle des Landespräventionsrates (LPR), die im Niedersächsischen Justizministerium in der dortigen Referatsgruppe „Prävention und Opferschutz“ verankert ist, einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung von Kinder- und Jugendgewalt: „Die vom LPR initiierten Fortbildungsangebote, Fachtagungen und Vor-Ort-Beratungen helfen den kommunalen Präventionsgremien enorm dabei, zielgerichtete und wirksame Maßnahmen zur effektiven Gewaltprävention zu ergreifen. Wir dürfen auf keinen Fall darin nachlassen, die Kommunen bei ihrer Vernetzung in der Präventionsarbeit zu unterstützen. Die wichtige ressortübergreifende Zusammenarbeit auf Landesebene sollten wir dazu auf jeden Fall weiter vertiefen - Veranstaltungen wie diese sind dafür genau der richtige Weg.“
Staatssekretärin Dr. Christine Arbogast ergänzte: „Heute haben wir erneut festgestellt, dass Gewaltprävention nicht auf ein einzelnes Ressort beschränkt ist. Es braucht eine gemeinsame Anstrengung verschiedener Bereiche, um effektive Präventionsstrategien zu entwickeln. Wie Zahnräder müssen diese Strategien nahtlos ineinandergreifen. Das Kinderschutzprojekt der Landesregierung ist bereits ein Beispiel dafür, wie verschiedene Ressorts zusammenarbeiten können. Die Prävention steht dabei an erster Stelle. Deshalb sollte Gewaltprävention früh beginnen und entlang der gesamten Bildungskette fortgesetzt werden. Wenn Kinder und Jugendliche von Familie und Institutionen wie beispielsweise Schulen auf Augenhöhe unterstützt werden, bleibt wenig Raum für Gewalt.“
Quelle: Pressemitteilung des Nds. Kultusministerium vom 12.04.2024