Zu viel Bürokratie behindert soziale Teilhabe

Die „Vereinigung der Profession für Soziale Arbeit e.V.“ (VPSA) hat auf ihrem jüngsten Fachtag eindringlich vor den negativen Folgen übermäßiger Bürokratie gewarnt. Die Veranstaltung, an der über 100 Fachkräfte und Studierende teilnahmen, machte deutlich, dass die Komplexität bürokratischer Verfahren die soziale Teilhabe vieler Menschen behindert. Durchgeführt wurde der diesjährige Fachtag von der VPSA, gemeinsam mit der "Hochschule für Technik und Wirtschaft Saar" (htw saar), Fakultät für Sozialwissenschaften, und weiteren Partnern am 07. und 08. November 2024 in Saarbrücken.

Die diesjährige Fachtagung wurde von der Dekanin der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der HTW Saar, Prof. Dr. Iris Leisner-Rupin, eröffnet. Der Vorsitzende des VPSA, Thomas Greune, begrüßte neben zahlreichen weiteren Gästen auch Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Praxis, darunter Claudia Wiotte-Franz vom DBSH-Saar, Christof Jakob von der Saarländischen Armutskonferenz und Lilliane Roser-Jeckler von der GEW. Er bedankte sich bei der HTW - Fakultät Sozialwissenschaften - für die Unterstützung, besonders bei Julia Matheis. Des Weiteren bedankte er sich bei den weiteren Sponsoren und Unterstützenden, dem Ministerium für Arbeit Soziales Frauen Gesundheit, der BBBank, sowie der Villa Lessing. 

Thomas Greune rief in seiner Eröffnungsrede dazu auf, die Bürokratie nicht als Feind, sondern als gemeinsame Herausforderung zu betrachten. Er stellte die Frage, wie wir trotz der komplexen bürokratischen Strukturen die Teilhabe aller Menschen gewährleisten können. Greune betonte, dass es dabei nicht um abstrakte Diskussionen gehe, sondern um die Lebensrealität von Menschen, die oft im bürokratischen Dschungel verloren gehen.
 
Studiendekan Prof. Dr. Thomas Klein wies darauf hin, dass eine gute Verwaltung nicht bedeutet, weniger Regeln zu haben, sondern bessere Regeln. Er kritisierte die oft unreflektierte Forderung nach Bürokratieabbau und forderte stattdessen eine Modernisierung der Verwaltung, die sich an den Bedürfnissen der Bürger orientiert. Dabei müssen die Prinzipien des Rechtsstaats und die sozialen Standards gewahrt bleiben. 
 
Die Hoffnung auf eine Vereinfachung der Leistungen für Familien mit Kindern könnte enttäuscht werden, so Christine Steimer von der Saarländischen Armutskonferenz. Die geplante Kindergrundsicherung sieht zwar einige Verbesserungen vor, birgt jedoch auch die Gefahr einer weiteren Bürokratisierung. Steimer fordert eine deutlich stärkere Vereinfachung der Antragsverfahren und eine bessere Koordinierung zwischen den Behörden. 
 
Christine Steimer zeigt in ihrem Ausblick folgende Forderungen auf, welche die Saarländische Armutskonferenz (SAK) entsprechend mittrage:
  • ja zur Besserstellung der finanziellen Situation der Familien
  • kostenlose Kita und Nachmittagsbetreuung inkl. Mittagsessen - Sachleistungen an Träger
  • vollständige Lernmittelfreiheit inkl. IT-Ausstellung
  • umfängliches Bildungs- Teilhabeangebot einschließlich unbürokratischen Zugangs 
 
Die Podiumsdiskussion machte deutlich, dass die Bürokratie eine der größten Herausforderungen für die soziale Teilhabe darstellt. Experten aus verschiedenen Bereichen waren sich einig, dass eine grundlegende Reform der Verwaltung notwendig ist. Neben einer besseren Koordinierung zwischen den Behörden fordern sie auch eine stärkere Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei der Gestaltung von Verwaltungsprozessen. Die Ergebnisse der Diskussion zeigen, dass ein Umdenken in der Verwaltung dringend notwendig ist, um eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft zu schaffen. Zu den Teilnehmern der Podiumsdiskussion gehörten: Christoph Jacob (SAK) brachte die Perspektive der Betroffenen ein, Peter Fried (AKKS) vertrat die Sichtweise der Gemeinwesenarbeit, Georg Hofmann (DBSH LV Saar) sprach über Migration, Swen Sesterhenn (DBSH LV Saar) über Jugendhilfe und Marco Wirbel (VPSA e.V.) über stationäre Einrichtungen, Ingo Müller-Baron (DVSG) übernahm die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, und Prof. Dr. em. Dieter Filsinger, Professor für Sozialwissenschaftliche Grundlagen, Sozialpolitik und Evaluation, ergänzte die Diskussion mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion von Michael Leinenbach, 2. Vorsitzender des VPSA. 
 
Die VPSA wird sich weiterhin für eine Vereinfachung der Bürokratie und eine Stärkung der sozialen Teilhabe einsetzen und entwickelte, resultierend aus der diesjährigen Fachtagung folgende Forderungen zum Thema Bürokratieabbau:
 
  • Forderung nach „Bürokratieabbau“ müssen dahin geprüft werden, dass sie nicht auch als Synonym für Angriffe auf soziale Standards angesehen werden können. Diese sind abzulehnen.
  • Gute Verwaltung und gute Regulierung muss:  adressatenfreundlich, praxistauglich, verständlich, nutzerorientiert, digital, barrierefrei und serviceorientiert sein. Zudem sollte sie das Once-Only-Prinzip verfolgen, den Anspruch der Datenbeschaffung durch die Verwaltung erfüllen und im Handeln schnell sein. 
  • Zusätzliche Gesetzesentwürfe, wie die Kindergrundsicherung, müssen so gestaltet werden, dass es nur noch eine zentrale Stelle für jegliche Antragsverfahren gibt. Diese zentrale Stelle soll alle Anträge zusammenfassen und die Bürokratie entsprechend abbauen. Zudem müssen die Schnittstellen zwischen den Behörden verbessert werden.
  • Zentrale Anlaufstellen für Menschen in den Stadtteilen und Quartieren
  • Da Bürokratie Experten*innen benötigt werden, sind für Fachkräfte „Training in the Jo“b sowie Weiterbildung und Ausbildung nach dem Studium notwendig
  • Notwendigkeit des Einsatzes von Lotsen, Paten und Assistenten
  • Wesentliche Ziel - die Benennung der Rechte
  • In allen Prozessen sind die Gewährung der Rechtssicherheit, der Verbraucherschutz, adäquate Studien, der Anspruch der Teilhabe (u.a. einfache Sprache), geltendes Recht umsetzen sowie die Prüfung und Optimierung von Verfahrensabläufe zu prüfen
  • Es Bedarf im System „Grenzgänger und Grenzüberschreiter“
  • Grundsätzlich sind bürokratische Regelungen zu kompliziert und es müssen Vereinfachungen vorgenommen werden. 
In den Hochschulen könnten Projekte durchgeführt werden, in denen Studierende in einem Projekt prüfen, ob Anträge vereinfacht werden können.
Der VPSA stellt fest, dass die Form und Methode aus fachlichen Vorträgen aus der Disziplin und die Kommentierung aus der Profession gelungen ist und fortgesetzt werden soll. 
 
Der VPSA bedankt sich bei allen Akteuren des diesjährigen Fachtages mit Netzwerktreffen. Besonders bedanken möchte sich der VPSA bei Studiendekan Prof. Dr. Thomas Klein von der HTW Saar, Fakultät Sozialwissenschaft, und Christine Steimer von der Saarländischen Armutskonferenz für ihren wichtigen Impulse für die Profession Soziale Arbeit.

Quelle: Pressemitteilung der Vereinigung der Profession Soziale Arbeit (VPSA) e.V. vom 12.12.2024