Abschiebungshaft in Gefängnissen vor dem Aus

20.09.2013 | Sozialpolitik | Nachrichten

Die Diakonie und der Jesuiten-Flüchtlingsdienst erwarten den sofortigen Stopp der Inhaftierung von Abschiebungsgefangenen in normalen Gefängnissen. Der Bundesgerichtshof hat in zwei aktuellen Beschlüssen die gängige Praxis, Abschiebungshäftlinge gemeinsam mit Straftätern zu inhaftieren, in Frage gestellt und dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Nach Ansicht von Diakonie und Jesuiten-Flüchtlingsdienst muss die Abschiebungshaft damit in den Bundesländern unterbleiben, in denen nur Justizvollzugsanstalten zur Verfügung stehen. "Diese mutmaßlich rechtswidrige Praxis muss sofort aufgegeben werden, da der Bundesgerichtshof bereits deutliche Zweifel geäußert hat", so Heiko Habbe, Policy Officer des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes. "Abschiebungshaft ist unverhältnismäßig. Schließlich haben Abschiebungshäftlinge keine Straftat begangen", erläutert Maria Loheide, sozialpolitischer Vorstand der Diakonie Deutschland. "Die Betroffenen leiden massiv unter ihrer Inhaftierung - psychisch und physisch." In Abschiebungshaft kommen inzwischen überwiegend Asylsuchende, für deren Asylverfahren möglicherweise ein anderer EU-Mitgliedstaat zuständig ist. Diese Fälle machten zurzeit nach Schätzung von Seelsorgern und Beratern bis zu 80 Prozent der Inhaftierten aus. "Dass Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, ins Gefängnis gebracht werden, ist für viele Betroffene eine verstörende und traumatisierende Erfahrung", so Habbe. "In einem Rechtsstaat darf nicht die Frage im Vordergrund stehen, wohin Asylsuchende möglichst schnell wieder abgeschoben werden können. Es muss uns um die Frage gehen, wo Schutzbedürftige ihren Anspruch effektiv prüfen lassen und durchsetzen können. In den meisten Fällen, so Diakonie-Vorstand Loheide, sei Abschiebungshaft zudem überflüssig, weil es zum Freiheitsentzug Alternativen gibt. Sie hoffe, dass die Zahl der Abschiebungshäftlinge insgesamt zurückgeht, wenn die Bundespolizei nicht mehr - wie bisher - für alle Asylsuchenden, die an der Grenze aufgegriffen werden, sofort einen Haftantrag stellt. Hintergrund:
Der Bundesgerichtshof hat dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die Luxemburger Richter werden nun darüber urteilen, ob die in vielen Bundesländern übliche Unterbringung von Abschiebungsgefangenen in normalen Gefängnissen mit europäischem Recht vereinbar ist. Das zweite Verfahren betrifft die Frage, ob Gefangene in eine gemeinsame Unterbringung mit Strafgefangenen einwilligen können. Dabei hat der Europäische Gerichtshof Bestimmungen der Rückführungsrichtlinie (Richtlinie 2008/115/EG vom 16.12.2008) auszulegen, die eine Unterbringung von Abschiebehäftlingen grundsätzlich in besonderen Hafteinrichtungen vorsehen. Kirchliche Organisationen bezweifeln seit langem die Rechtmäßigkeit des Vollzugs von Abschiebungshaft, der jährlich mehrere tausend Menschen in Deutschland unterworfen werden. Die letzte offizielle Statistik von 2011 verzeichnete rund 6.500 Abschiebungsgefangene bundesweit. Nur drei Bundesländer verfügen über eigene Einrichtungen für Abschiebungsgefangene. Das Diakonische Werk und der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland engagieren sich seit vielen Jahren in der Seelsorge und Beratung von Menschen in der Abschiebungshaft. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Deutschland unterstützt die beiden Vorlage-Verfahren aus seinem Rechtshilfefonds.

Quelle: Pressemitteilung der Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband vom 29.08.2013
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