BAG Wohnungslosenhilfe: Gewalt gegen wohnungslose Menschen bleibt alltäglich

Bedrückende Zahlen veröffentlicht die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) am Jahresanfang 2017. Nach Erhebungen des bundesweiten Dachverbandes der Wohnungslosenhilfe in Deutschland gab es im Jahr 2016 mindestens 17 Todesfälle durch Gewalt gegen wohnungslose Menschen. In acht Fällen waren nach BAG W-Angaben die Täterinnen und Täter selber nicht wohnungslos. Seit 1989 gab es in Deutschland mindestens 502 Todesfälle durch Gewalt gegen wohnungslose Menschen, so die BAG W.

Darüber hinaus sei es zu mindestens 128 Fälle von Körperverletzungen, Vergewaltigungen, Raubüberfällen und bewaffneten Drohungen gegen wohnungslose Menschen in Deutschland gekommen sein, wie berichtet wird. In 52 Fällen seien die Täterinnen oder Täter nicht wohnungslos gewesen. Damit befänden sich die nicht-tödlichen Gewaltfälle auf einem konstant hohen Niveau.

Die BAG W bezieht sich bei diesen Zahlen auf eigene systematische Pressebeobachtungen. Das  Dunkelfeld der Gewalt gegen wohnungslose Menschen dürfte noch deutlich größer sein, so der Verband, denn in der Presse erschienen in der Regel nur die schwereren Fälle von Gewalt.

Nicht-wohnungslose Täterinnen und Täter sind nach diesen Pressebeobachtungen meist jüngere Männer oder Jugendliche, die zum Teil als Gruppe oder aus Gruppen heraus gewalttätig werden. Ihre Opfer seien in der Regel einzelne Männer im mittleren oder höheren Alter, die oft erkennbar schutzlos sind.

Nach Erkenntnissen der BAG W spielen dabei menschenverachtende und rechtsextreme Motive häufig eine zentrale Rolle. Die Täterinnen und Täter wiesen dabei aber nicht notwendigerweise ein geschlossen rechtsextremes Weltbild auf und seien auch nicht unbedingt in rechtsextremen Zusammenhängen organisiert. Vorurteile und Abwertungen gegenüber wohnungslosen Menschen kämen in breiten Schichten der Bevölkerung vor. Letzteres belegen auch einschlägige Studien des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Unter den mindestens 179 Todesopfern rechtsextremer Gewalt seit 1990 sind etwa 20 Prozent wohnungslose Menschen.

Bei den Gewalttaten wohnungsloser Menschen untereinander spielten dagegen häufig Alkohol- und Drogenkonsum, Streit um knappe Güter des alltäglichen (Über-)Lebens und beengte Verhältnisse in den Obdachlosenunterkünften eine wichtige Rolle. Schon geringfügige Anlässe könnten aufgrund der schwierigen persönlichen und sozialen Lebensumstände der wohnungslosen Menschen die Gewalt untereinander eskalieren lassen.

Wohnungslose Frauen erleiden häufig auch sexuelle Gewalt, so die BAG W. Dies geschehe im Zuge von Mitwohnverhältnissen, bei denen teilweise sexuelle Dienstleistungen als Gegenleistung für die Gewährung einer Unterkunft eingefordert werden. Aber auch in den häufig männlich dominierten Obdachlosenunterkünften und Straßenszenen komme es zu sexuellen Übergriffen. Bei sexueller Gewalt gegen wohnungslose Frauen werde ebenfalls ein großes, polizeilich nicht bekannt gewordenes Dunkelfeld vermutet, da viele Frauen Angst vor den Tätern und kein Vertrauen zu den Behörden hätten.

Die BAG W fordert, dass Gewalt gegen wohnungslose Menschen durch präventive und nachsorgende Konzepte und Maßnahmen sowie konsequente Strafverfolgung eingedämmt wird. Vor allem müssen ihrer Ansicht nach dringend Wohnungen für alle wohnungslosen Menschen bereitgestellt werden, denn eine eigene Wohnung bietet meist den besten Schutz vor Gewalt. In Unterkünften für wohnungslose Menschen seien ausreichend Privatsphäre und Schutz vor Diebstahl zu gewährleisten. Wohnungslose Frauen müssen sicher und in ausschließlich Frauen vorbehaltenen Unterkünften untergebracht werden können, heißt es weiter.

Nötig sei auch mehr wissenschaftliche Forschung zu den Ursachen von Gewalt und zu Präventionsmöglichkeiten; insbesondere menschenverachtende und rechtsextreme Motive und Hintergründe der Gewalt müssen dokumentiert und wissenschaftlich sowie politisch aufgearbeitet werden, so die BAG W. Zudem fordert der Verband, dass mehr zielgruppengerechte Beratungs- und Präventionsangebote für Opfer sowie Therapieangebote für Täterinnen und Täter geschaffen werden.


Quelle: Pressemitteilung der BAG Wohnungslosenhilfe vom 11. Januar 2017