Eine motivierende Tasse:
Nathan Dumlao / Unsplash

Die Bewältigungsfrage in der systemischen Beratung

von Ursula Pabsch
27.07.2023 | Dossier

Die Frage nach der Bewältigung, dem sogenannten „Coping“, ist eine der vielen Varianten der Systemischen Fragen. Sie gehört zur Lösungsorientierten Kurzzeittherapie von Steve de Shazer und Insoo Kim Berg.

Was sind Bewältigungsfragen?

Mit einer Bewältigungsfrage wird ganz genau nach dem persönlichen Erfolgsrezept zur Problemlösung gefragt. Dabei zählt es schon, sich den Schwierigkeiten zu stellen, statt sie zu ignorieren. „Wow - Sie geben nicht auf. Was hilft Ihnen dabei?“ Mit dieser Fragetechnik wird an die eigenen Kompetenzen, Erinnerungen und Erfolgserlebnisse erinnert, um sie bei den jetzigen Schwierigkeiten nutzen zu können. Der Fokus liegt auf den Situationen, bei denen das Problem schon mal bewältigt worden ist. Diese Fragetechnik ist eine Möglichkeit, aus der Problemtrance herauszukommen und konsequent über Lösungsmöglichkeiten zu reden. Der Körper speichert diese erfolgversprechende Energie in seinen vielfältigen Zellen ab, auf die er jederzeit emotional zurückgreifen kann. Jede erlebte Bewältigung ist eine neue Ressource. Jede Erinnerung daran spiegelt sich mental und in körperlichen Reaktionen wie vielleicht ein Schmunzeln, Lächeln oder ein entspannter Rücken. Die Frage nach der körperlichen Manifestation der Bewältigung verstärkt den Effekt. Stolz und Selbstbewusstsein kann sich wieder sichtbar entwickeln.

Anwendungsmöglichkeiten

Die Bewältigungsfrage bietet sich an, wenn der/die Klient:in felsenfest davon überzeugt ist, keinen Ausweg zu finden. Das Problem dominiert im Leben, es ist ständig vor Augen und verbreitet Angst und Panik. Mit der Suche nach Erfolgserlebnissen erhalten die Gedanken stattdessen eine neue Zielrichtung. Neben den therapeutischen Kontexten im psychiatrischen Bereich, Suchtberatung oder im familientherapeutischen Setting gibt es viele weitere Anwendungsmöglichkeiten für Bewältigungsfragen. Dazu gehören Coachingprozesse mit Führungskräften, Berufsberatung mit Jugendlichen oder Langzeitarbeitslosen oder andere klassische Arbeitsfelder der sozialen Arbeit. Bei Supervisionen oder Teamentwicklungsprozessen kann man die Frage auch an das ganze Team stellen.

Herausforderungen bei der Anwendung von Bewältigungsfragen

Die konsequente Hinführung zu Lösungen und Ausnahmen kann für beide Seiten sehr anstrengend sein. Nur mit viel Hartnäckigkeit und auch dem Glauben an die Lösungsschätze der Klient:innen, können diese erarbeitet werden. Es gleicht oft der berühmten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Familien mit vielfältigen Problemlagen, schier aussichtslosen Situationen oder auch schwerwiegenden Traumata erfordern ein behutsames Vorgehen. Kleine Momente des Glücks und der Zuversicht brauchen viel Fürsorge, um die Möglichkeiten für den Klienten erweitern zu können.

Beispiele für die Bewältigungsfrage

Bewältigungsfragen haben unterschiedliche Nuancen. Das berühmte „Coping“ mit dem „wie haben Sie es geschafft?“ ist die wohl bekannteste Variante dieser Frage. Die Suche nach Ausnahmen oder auch Verschlimmerungsfragen geben weitere Hinweise auf bisherige Bewältigungsmuster.

  • Wie schaffen Sie es eigentlich, jeden Morgen aufzustehen?
  • Woher nehmen Sie den Mut, eine neue Ausbildung zu beginnen?
  • Wenn Sie beim alten Arbeitsplatz ein wichtiges Projekt hatten, was waren Ihre ersten Schritte?
  • Wie könnte man die Strategie von damals auf heute übertragen?
  • Was war Ihr Beitrag, dass nicht alles nur noch schlimmer geworden ist?
  • Welche Gedanken haben Sie gestern davon abgehalten, sich wieder Alkohol zu besorgen?
  • Wen haben Sie früher bei Problemen um Rat gefragt? Was hat Sie bei ihm beeindruckt?
  • Was genau hat er anders gemacht als Sie? Was hat bisher immer funktioniert, wenn Sie Stress miteinander hatten?
  • Was glauben Sie, was müssten Sie machen, um mich konsequent loszuwerden?
  • Wenn Sie sich an die Zeit erinnern, wo die jetzigen Probleme nicht das Zepter in der Hand hatten, wie genau sind Sie in dieser Zeit mit Herausforderungen umgegangen?
  • Wie schaffen Sie es eigentlich, jeden Tag in die Klinik zu Besuch zu kommen? Wie kriegen Sie es im Team immer wieder hin, trotz allem Stress die Termine einzuhalten?