Problemorientiertes Fragen
Der Tanz um das Problem
Lösungen spielen in der systemischen Beratung eine besonders große Rolle. Wann ergibt es trotzdem Sinn, sich mit Problemen zu beschäftigen?
Erkundungen des Anlasses
Gerade in Erstgesprächen ist es sinnvoll, sich mit Klient:innen über das zugrundeliegende Problem zu unterhalten. Wenn in der Therapie oder Beratung mehrere Personen sitzen, können diese mitunter ganz verschiedene Vorstellungen davon haben, was das Problem ist. Oder sehr unterschiedliche Perspektiven auf ein gemeinsames Problem haben. Diese Unterschiede gilt es zu klären, weil sich dadurch auch der Auftrag an die beratende Person oder Therapeut:in verändert.
Im „Tanz um das Problem“ erkunden systemische Fachleute:
- unterschiedliche Perspektiven
- zeitliche Aspekte
- Ausnahmen – wann tritt das Problem nicht auf?
Diese Fragen helfen bei der Anamnese und damit auch bei der Hypothesenbildung, welche Muster dem Problem zugrunde liegen, und auf welche Weise sie beeinflussbar sind.
Auch wenn es demnach in lösungsorientierten Arbeitskontexten auf den ersten Blick unsinnig erscheint, lohnt es sich, mit Bedacht das Problem zu thematisieren. Wichtig ist dabei vor allem, dass die gesprächsführende Person den Fokus danach wieder in Richtung von Lösungen lenken kann.
Problemorientierte Fragen als Intervention
Was können Sie tun, um das Problem zu behalten?
Wenn es die Beziehung zu den Klient:innen erlaubt, hilft es manchmal eine ungewöhnliche Perspektive einzunehmen. Indem systemische Berater:innen danach fragen, was nötig wäre, um das Problem zu behalten, wird Klient:innen deutlicher, wie sie selbst zur Erhaltung des Problems beitragen. Auf die Spitze treiben lässt sich diese Strategie als Verschlimmerungsfrage: Was müssen Sie tun, um das Problem zu verschlechtern?
Diese provokative Vorgehensweise gehört zu den paradoxen Interventionen. Abgesehen von der Möglichkeit, dysfunktionale Verhaltensmuster aufzudecken, funktioniert sie in manchen Gesprächen als irritierender Kommentar und hilft aus einer Problemschleife herauszukommen. Außerdem macht sie deutlich, dass die Situation oft nicht so aussichtslos ist, wie sie zunächst scheint. Im Vergleich zum Worst-Case-Szenario gibt es häufig noch viel Spielraum und selbst in dieser schlimmsten Situation noch Handlungsmöglichkeiten.
Wichtig ist dabei zu beachten, dass der Moment passt und die Klient:innen dieser Frage mit etwas Humor begegnen können.
Beispiele für problemorientierte Fragen
- Wann hat Ihr Sohn sich das erste Mal so verhalten? Wann verhält er sich gar nicht so?
- Frau M., was müssten Sie heute Abend tun, um Ihre Ex-Frau so richtig zu vermissen?
- Sie sagen, Ihre Kolleg:innen sind nicht motiviert: Was müssen Sie tun, um sie so richtig zu demotivieren?
- Wie könnten Sie dafür sorgen, dass all Ihre Bewerbungsgespräche schlecht laufen?
Als zirkuläre Frage:
- Was müssen Sie tun, um Ihrer Mutter den Urlaub so richtig zu versauen?
- Wie müsste sich ihr Mann sagen, damit ihre Tochter heute Abend wieder wütend das Haus verlässt?