Symbolbild: Zwei schwebende Dreiecke
Andy Vult / Unsplash

Triangulierung: Systemisch Arbeiten mit Triaden

von Gesine Köster-Ries
27.05.2024 | Dossier

Triangulierung ist ein zentrales Konzept des systemischen Verständnisses von sozialen Strukturen. Es bezieht sich auf die Dynamik, bei der eine dritte Person oder ein drittes Element in die Interaktion zwischen zwei Individuen eingeführt wird, um Spannungen zu reduzieren oder Konflikte zu bewältigen. Dieser Mechanismus kann sowohl funktional als auch dysfunktional wirken und spielt eine wichtige Rolle bei der Analyse und Intervention in zwischenmenschlichen Beziehungen. Eine solche Dreiecksbeziehung wird als Triade bezeichnet.

Inhalt
  1. Was ist Triangulierung?
    1. Funktionale Aspekte der Triangulierung
    2. Dysfunktionale Triaden
    3. Beispiele dysfunktionaler Triangulierungen in familiären Systemen
  2. Arbeiten mit der Triade: Interventionen und Techniken in der Systemischen Beratung
  3. Triangulierung des Helfersystems: Was ist zu beachten?

Was ist Triangulierung?

Triangulierung beschreibt den Prozess, bei dem ein dyadisches (zwei-Personen) System eine dritte Partei oder ein Element einbezieht, um emotionale Stabilität zu erreichen. Dieses dritte Element kann eine Person, ein Thema oder ein Objekt sein. In der systemischen Theorie wird Triangulierung häufig im Kontext familiärer Beziehungen untersucht, wo es oft dazu dient, bestehende Spannungen zwischen zwei Familienmitgliedern zu entschärfen. Eine Triade entsteht, wenn diese dritte Partei regelmäßig in die Interaktionen einbezogen wird, was die Dynamik der ursprünglichen Beziehung verändert.

Funktionale Aspekte der Triangulierung

Triangulierung kann positive Effekte haben, wie die Entlastung und Stabilisierung eines dyadischen Systems. Durch die Einbeziehung eines dritten Elements kann die Spannung zwischen den beiden ursprünglichen Parteien auf die dritte Partei übertragen werden, was zu einer vorübergehenden Stabilisierung führt. Eine Triade kann als Kommunikationskanal fungieren, durch den indirekt Nachrichten und Gefühle ausgetauscht werden. Ein Beispiel hierfür ist ein Jugendlicher, das als Vermittler zwischen streitenden Eltern fungiert. In einigen Fällen kann Triangulierung auch positive Lernprozesse und die persönliche Entwicklung fördern, indem sie den Beteiligten neue Perspektiven und Lösungsansätze bietet.

Dysfunktionale Triaden

Häufig tritt Triangulierung auf, um direkte Konfrontationen und die Bearbeitung sowie Lösung von Konflikten zu vermeiden. Dies kann langfristig zu einer Verfestigung der Probleme führen, da die zugrunde liegenden Konflikte nicht direkt angesprochen und gelöst werden. Wenn ein Familienmitglied regelmäßig als dritte Partei fungiert, kann dies zu einer Verzerrung seiner Rolle innerhalb des Systems führen. Ein häufiges Beispiel ist ein Kind, das als „Eheberater:in“ zwischen den Eltern agiert, was seine Entwicklung und sein Wohlbefinden beeinträchtigen kann. Eine Triade, die zur Vermeidung von Konflikten genutzt wird, kann dazu führen, dass Spannungen und Konflikte chronisch werden. Die beteiligten Personen können sich in einem dysfunktionalen Muster verfangen, das schwer zu durchbrechen ist. Um Konflikte ihrer Eltern zu unterbrechen, entwickeln Kinder manchmal auffällige Verhaltensmuster. Die Zusammenhänge zwischen diesen Mustern und dem Auslöser sind häufig nicht klar, insbesondere wenn sie sich über einen längeren Zeitraum verfestigen. In einer Systemischen Familientherapie lassen sich diese Zusammenhänge offenlegen und auflösen.

Beispiele dysfunktionaler Triangulierungen in familiären Systemen

In Familien kann Triangulierung erhebliche negative Auswirkungen haben. Ein Beispiel ist die Eltern-Kind-Triangulierung, bei der Eltern ihre Konflikte über ein Kind austragen, was zu einer erheblichen Belastung führen kann. Eltern könnten es dazu verwenden, um Botschaften an den Partner zu übermitteln, anstatt direkt miteinander zu kommunizieren, was beim Kind emotionalen Stress und Verwirrung verursachen kann. Die Position zwischen den Stühlen oder gegebenenfalls sogar als Konfliktthema selbst instrumentalisiert zu werden, setzt es großem Druck aus und kann es mitunter in einen Loyalitätskonflikt bringen. Das widerspricht dem Bedürfnis, eine gute Beziehung zu beiden Elternteilen aufrechtzuerhalten und kann es dadurch starken inneren Spannungen aussetzen.

Zu sehen sind im Dreieck: eine weiblich gelese Person und eine männlich gelesene Person, deren Kommunikation durch einen Konflikt abgebrochen ist und stattdessen über das Kind läuft.Abbildung: Ein Konflikt stört die Kommunikation zwischen den beiden Erwachsenen und das Kind wird trianguliert - z.B. als Interaktionspartner oder aber auch als Thema, indem die Erwachsenen ihren Streit über dessen Verhalten austragen, anstatt ihren Beziehungskonflikt zu thematisieren. Bild: Autorin

Dabei kann es auch zu einem emotionalen Bündnis gegen einen Elternteil kommen. Dies kann nicht nur die Beziehung zwischen dem Kind und dem betroffenen Elternteil schädigen, sondern auch die familiäre Harmonie insgesamt stören. In manchen Familien wird auch eine Geschwistertriangulierung beobachtet, bei der ein Elternteil ein Kind gegenüber dem anderen bevorzugt, was zu Eifersucht, Rivalität und einem tiefen Gefühl der Ungerechtigkeit führen kann.

Manchmal kann bei einem Elternteil ein Kind als emotionalen Ersatzpartner fungieren, insbesondere nach einer Trennung oder Scheidung. Es wird dann in eine Rolle gedrängt, die eigentlich einem erwachsenen Partner vorbehalten ist, was seine psychologische und emotionale Entwicklung beeinträchtigen kann. Ein Beispiel hierfür ist ein Vater, der seine Tochter dazu bringt, ihm emotionalen Beistand zu leisten, den er von seiner ehemaligen Partnerin erwartet hätte. Solche Triaden können die emotionale Last für das Kind erheblich erhöhen und zu langfristigen psychologischen Problemen führen.

Arbeiten mit der Triade: Interventionen und Techniken in der Systemischen Beratung

Ein erster Schritt in der systemischen Beratung ist die Bewusstmachung der Triangulierungsmuster. Durch gezielte Fragen und Reflexion werden die beteiligten Personen angeleitet, die Dynamiken zu erkennen und zu verstehen. Ein zentrales Ziel der Intervention ist es, die direkte Kommunikation zwischen den ursprünglichen Parteien zu fördern. Dies kann durch gezielte Kommunikationsübungen erreicht werden.

In einigen Fällen kann es notwendig sein, das gesamte System zu reorganisieren, um die Rollen und Verantwortlichkeiten klarer zu definieren und zu verteilen. Dies kann durch systemische Aufstellungen oder andere strukturelle Interventionen unterstützt werden. Die Stärkung der individuellen Fähigkeiten zur Konfliktlösung und emotionalen Regulation ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der systemischen Arbeit. Durch die Förderung von Selbstreflexion und Selbstwirksamkeit können die Beteiligten lernen, besser mit Konflikten umzugehen.

Triangulierung des Helfersystems: Was ist zu beachten?

Triangulierung ist ein komplexes und vielschichtiges Phänomen in der systemischen Beratung und Therapie. Auch in den Bereichen der Familienhilfe begegnen Fachkräfte häufig Situationen, in denen Triangulierung eine Rolle spielt. Es bietet sowohl Chancen als auch Herausforderungen für die Arbeit mit Individuen und Familien und einige Situationen erfordern einen besonders bedachten Umgang, wenn Sie als helfende Person durch das Eingreifen selbst vorhandene Spannungen verstärken und Ihren Zugang gefährden könnten (z. B. durch einen Loyalitätskonflikt eines Jugendlichen mit einem suchterkrankten Elternteil). Durch eine sorgfältige Analyse und gezielte Interventionen können Fachkräfte dazu beitragen, dysfunktionale Triaden zu erkennen und aufzulösen, um die Kommunikation und das Wohlbefinden aller Beteiligten zu fördern. Eine gesunde Dynamik in den Beziehungen innerhalb der Familie kann durch das Bewusstsein und die gezielte Arbeit an diesen Triaden langfristig verbessert werden.

Es ist wichtig, dass Fachkräfte in helfenden Berufen selbstreflexiv bleiben und sich der Gefahr bewusst sind, ungewollt in Triangulierungsmuster innerhalb der sozialen Systeme, mit denen sie arbeiten, hineingezogen zu werden. Eine umfassende Auseinandersetzung mit den eigenen, insb. familiären, Lebenserfahrungen und dadurch bedingte Prägungen ist deshalb umso wichtiger, um dem professionellen Anspruch gerecht zu werden.