TH Dresden forscht zur Erziehung in Spezialheimen der DDR
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stärkt die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der DDR und dem SED-Unrecht. Dafür wurden jetzt 14 Forschungsverbünde zur Förderung ausgewählt. Zu den Projekten, die sich im Wettbewerb durchsetzen konnten, zählt der Forschungsverbund zum Thema "Torgau. Heimerziehung in Spezialheimen der DDR – Eine pädagogisch rekonstruktive Studie zum DDR Erziehungssystem und dessen Bewältigung".
Gemeinsam mit der Initiativgruppe Geschlossener Jugendwerkhof Torgau, dem Trägerverein der gleichnamigen Gedenkstätte, wollen Professorin Karin Bock, Professorin Cornelia Wustmann und Dr. Mischa Engelbracht vom Institut für Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Wohlfahrtswissenschaften die Logik dieser Spezialheime als Erziehungsinstitutionen und die biographischen Auswirkungen bis zur jüngsten Jugendgeneration, die bis zum Umbruch 1989 in diesen Spezialheimen lebte, untersuchen.
Enge Verknüpfung von Erziehung und Politik in öffentlicher DDR-Erziehung
Ein engmaschiges Netz von staatlichen Erziehungsinstitutionen hatte zum erklärten Ziel die Hervorbringung der „allseits entwickelten sozialistischen Persönlichkeit" war, die sich in das „Kollektiv" ein- und unterzuordnen hatte. Im Kontext dieser Erziehungsvorstellungen wurde insbesondere das DDR-Heimerziehungssystem auf- und ausgebaut, dass aus sogenannten ‚Normal-, Durchgangs- und Spezialheimen' bestand, zu denen auch die „Jugendwerkhöfe" zählten. Sie waren in diesem System eine besondere Form repressiver Erziehung, deren erklärtes Ziel die „Beseitigung individualistischer Gerichtetheit'" bei Kindern und Jugendlichen war.
Der einzige „Geschlossene Jugendwerkhof" wurde in Torgau eingerichtet; hier wurden von Mai 1964 bis November 1989 insgesamt 4.046 Jugendliche für mehrere Monate eingewiesen.
Forschungsgegenstand: Biografische Verarbeiutung und Bewältigung des Erlebten
„Auf der Grundlage von Aktenanalysen, biographischen und themenzentrierten Interviews mit ehemaligen Heimjugendlichen und professionellen Akteurinnen und Akteuren werden Fragen danach relevant, wie die Betroffenen die Zeit im Heim und danach erlebt und wie sie die erfahrenen Ereignisse biographisch verarbeitet und bewältigt haben", erläutert Professorin Cornelia Wustmann. Weiterhin werden Einweisungsmuster, Erziehungsvorstellungen und Institutionenlogiken rekonstruiert, die als Beitrag zur Argumentationslogik im DDR-Erziehungsregime bedeutsam waren. Begleitet werden sollen die Forschungsarbeiten durch eine regelmäßige Berichterstattung, Workshops, Tagungen, einer Buchreihe und dem Aufbau einer lebensgeschichtlichen Datenbank.
Mehr Wissen über die DDR erhalten und vermitteln
Die 14 vom BMBF ausgewählten Verbünde werden in den nächsten vier Jahren mit insgesamt bis zu 40 Millionen Euro gefördert. Zu den Forschungsfragen zählen begangenes Unrecht, etwa in Haftanstalten, Erziehungsheimen, im Gesundheitswesen sowie gegen Ausreisewillige, aber auch Modernisierungsblockaden in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Ein weiterer Fokus liegt auf den Nachwirkungen der DDR und des Transformationsprozesses nach 1989/90 auf aktuelle Entwicklungen.
Zu den zentralen Zielen der Förderung zählt eine stärkere Verankerung der DDR-Forschung in der deutschen Hochschul- und Forschungslandschaft. Zuletzt hat sie vor allem an den Universitäten über viele Jahre Ressourcen verloren. Insgesamt wird das BMBF 32 Hochschulen fördern. Viele der geförderten Hochschulen arbeiten eng mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, Gedenkstätten, Archiven, Aufarbeitungsvereinen, Einrichtungen der politischen Bildung und anderen relevanten Akteuren zusammen. So sollen Brücken zwischen Wissenschaft und Gesellschaft gebaut und die Forschungsergebnisse breiter in die Bevölkerung vermittelt werden.
Mehr Informationen unter https://tu-dresden.de/gsw/ew/issw
Quelle: Pressinformation der TH Dresden am 24. Juli 2018