Integration junger Flüchtlinge in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt
Prof. Dr. Markus Schmitz, Jury-Mitglied des DEICHMANN-Förderpreises für Integration und Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Bayern, hat einen exklusiven Gastbeitrag verfasst. In dem Beitrag nimmt er Stellung zur aktuellen Flüchtlingsdebatte und untersucht die Frage: Wie funktioniert die Integration junger Flüchtlinge in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Wichtig ist die gesellschaftliche Akzeptanz und eine berufliche Perspektive. Erste Erfahrungen haben gezeigt, dass die jungen Flüchtlinge arbeiten wollen. Dieses Potential muss genutzt werden – hierfür braucht es Unterstützung von außen.
In Deutschland stellten im Jahr 2013 rd. 127.000 und im Jahr 2014 rd. 203.000 Flüchtlinge einen Asylantrag. Für das Jahr 2015 erwartet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 450.000 Asylanträge. In Bayern wurden im Jahr 2013 rd. 17.600 Asylbewerber und im Jahr 2014 mehr als 32.000 Asylbewerber untergebracht. Für 2015 werden rd. 60.000 Asylbewerber in Bayern erwartet. Die meisten Flüchtlinge in Bayern stammen aus Syrien, Eritrea, Afghanistan, Nigeria, Ukraine, Somalia, Serbien, Irak, Bosnien-Herzegowina und dem Senegal. Die Zuständigkeit für die Beratung und Vermittlung von Menschen mit Fluchtgeschichte in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt richtet sich nach der Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen zum Lebensunterhalt. Wer einen Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hat, der von den Sozialämtern ausgezahlt wird, ist hinsichtlich der Arbeitsförderung im Zuständigkeitsbereich der Agenturen für Arbeit (SGB III). Dies gilt für Personen mit einem ungesicherten Aufenthalt, z. B. für Asylbewerber und geduldete Ausländer. Für diese Personen hängt der Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt vor allem vom aufenthaltsrechtlichen Status und der Dauer des bisherigen Aufenthalts in Deutschland sowie von Verfügungen der Ausländerbehörden ab. Von diesen Faktoren ist auch der Einsatz der Förderinstrumente abhängig. Bei Personen mit einem ungesicherten Aufenthalt ist hinsichtlich der Bleibeperspektive eine Abklärung mit der örtlichen Ausländerbehörde notwendig. Sofern ein Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II besteht, sind die Jobcenter auch für die Arbeitsförderung zuständig. Der Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt ist dann gegeben und es stehen generell alle Fördermöglichkeiten des SGB II zur Verfügung. Ungeachtet der rechtlichen Rahmenbedingungen erscheint aus gesellschaftlicher Perspektive wichtig, dass jene Menschen, die aus Flucht und Vertreibung zu uns kommen und eine hohe Bleibeperspektive haben, das Gefühl erhalten, angekommen und auch willkommen zu sein. Das hängt jedoch auch ganz entscheidend davon ab, welche beruflichen Perspektiven wir ihnen bieten. Die Menschen müssen von Anfang an die richtige Unterstützung erhalten, damit sie an der Arbeitsgesellschaft teilhaben und sich somit auch gesellschaftlich integrieren können. Die jungen Flüchtlinge, das zeigen erste Erfahrungen, sind motiviert und möchten arbeiten. Dieses Potenzial darf nicht brach liegen. Das Asylverfahren darf keinen Stillstand bedeuten. Die langen Asylverfahren sind jedoch nicht die einzige Hürde, die beim Sprung auf den Arbeitsmarkt zu überwinden sind. Es bedarf ausreichender Deutschkurse und auch die Anerkennung der Berufsabschlüsse muss noch besser unterstützt und vereinfacht werden. Für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt ist es entscheidend, vorhandene Qualifikationen und Kompetenzen möglichst schnell festzustellen und Verfahren zur Anerkennung beruflicher Abschlüsse zu vereinfachen und zu beschleunigen. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit aller relevanten Akteure – den Arbeitsagenturen und Jobcentern, Ausländerbehörden, Anlaufstellen des BAMF und insbesondere den Anerkennungsstellen. Daher wollen wir seitens der Bundesagentur für Arbeit gemeinsam mit unseren Partnern für Menschen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger in Bayern bleiben werden, frühzeitig Angebote schaffen, um ihnen schnell und unbürokratisch den Übergang in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit (Regionaldirektion Bayern) betreibt hierzu eine intensive Netzwerkarbeit. Zu den Kooperationspartnern zählen insbesondere die verschiedenen Landesministerien (Arbeits- und Sozialministerium, Kultusministerium, Wirtschaftsministerium, Innenministerium), das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, die Kammern, das Landesnetzwerk Integration durch Qualifizierung Bayern sowie die Bleiberechtsnetzwerke BAVF (Westbayerisches Netzwerk für Beratung und Arbeitsmarktvermittlung von Flüchtlingen, Augsburg) und FiBA (Ostbayerisches Netzwerk Flüchtlinge in Beruf und Ausbildung, München). So hat die Regionaldirektion Bayern gemeinsam mit der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und dem Bayerischen Arbeitsministerium das Projekt „IdA – Integration durch Arbeit ins Leben gerufen. Das Projekt wendet sich an Asylbewerber und Flüchtlinge mit Aussicht auf ein Bleiberecht in Deutschland, die eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben. IdA wird an fünf Standorten – München, Nürnberg, Regensburg, Augsburg und Mainburg – durchgeführt. In der Modellphase stehen 120 Plätze zur Verfügung. Dabei erhalten die Asylbewerber und Flüchtlinge einen zweimonatigen Sprachkurs und absolvieren anschließend einen siebenmonatigen berufsbezogenen Integrationskurs. Zentrale Bestandteile sind hier die vertiefende Vermittlung von Sprachkenntnissen, kombiniert mit berufsbezogenen Integrationskursen, Betriebspraktika und Arbeitserprobungen in Werkstätten. Dabei erfolgen eine intensive Prüfung der Kompetenzen der Teilnehmer und die Erstellung von Fähigkeitenprofilen. Erfahrene Coaches stehen als Ansprechpartner für die Teilnehmer zur Verfügung und leisten während des gesamten Projekts praktische Hilfestellungen. Dieses Modellprojekt hat Laborcharakter und wird es uns ermöglichen, erste wertvolle Erfahrungen bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zu machen. Zunächst unterliegen junge Flüchtlinge zwischen dem 16. und 21. Lebensjahr der Schulpflicht (Vollzeitschulpflicht und Berufsschulpflicht). Das Bayerische Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst stellt für junge Flüchtlinge ein zweijähriges berufliches Unterrichtsangebot in Vollzeit (Vorbereitungsklasse zum Berufsintegrationsjahr sowie das Berufsintegrationsjahr) zur Verfügung, das eine intensive sprachliche Deutschförderung, berufliche Orientierung und sozialpädagogische Betreuung beinhaltet. Im Schuljahr 2014/ 2015 gibt es ca. 260 besondere Klassen für ca. 4.500 junge Flüchtlinge. Die Berufsberater der Agenturen für Arbeit sind auch in diesen besonderen Berufsschulklassen vertreten und stehen den jungen Flüchtlingen für eine persönliche Beratung zur Verfügung und schalten bei Bedarf die spezifischen Fachdienste der Bundesagentur für Arbeit (Ärztlicher Dienst, Berufspsychologischer Dienst, Technischer Beratungsdienst) ein. Von entscheidender Bedeutung für einen weiterführenden Schulbesuch, eine Arbeit oder eine Ausbildung sind gute Deutschkenntnisse. Die jungen Menschen, die zu uns kommen, sollten daher frühzeitig die Möglichkeit erhalten, die deutsche Sprache zu erlernen und sich auf eine duale Ausbildung vorzubereiten, um damit das Fundament für eine erfolgreiche berufliche Zukunft zu legen. Die Regionaldirektion Bayern plant ab Herbst 2015 an fünf Standorten ein Modellprojekt für junge Flüchtlinge. So sollen im Rahmen eines „Berufsübergangsjahres“ die Bedarfe und Handlungsspielräume dieser Zielgruppe ausgelotet werden. Ziel ist die Integration in Ausbildung bzw. Arbeit. Wenn alle relevanten Akteure ihre Ressourcen zielgerichtet und abgestimmt einsetzen, wird die Integration der jungen Flüchtlinge in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gelingen. Dabei setzen wir auf schnelle und pragmatische Lösungen für Bayern, um diese Menschen frühzeitig und bestmöglich zu unterstützen. Wenn es uns gelingt, den erfolgreichen Übergang jugendlicher Flüchtlinge in die duale Ausbildung oder in den ersten Arbeitsmarkt zu verbessern und zu beschleunigen, ist den betroffenen jungen Menschen wie auch der einheimischen Wirtschaft gleichermaßen gedient.Quelle: Pressemitteilung der Deichmann SE vom 08.06.2015
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