„Kampf der Kulturen“ ?
Soeben wird in den Nachrichten gemeldet, dass der amerikanische Politologe Samuel P. Huntington am 24. 12. 2008 in Massachussets mit 81 Jahren gestorben ist.
Soeben wird in den Nachrichten gemeldet, dass der amerikanische Politologe Samuel P. Huntington am 24. 12. 2008 in Massachussets mit 81 Jahren gestorben ist. Der am 18. 4. 1927 in New York City geborene Huntington hat lange Jahre als Leiter des John-M.-Olin-Instituts für Strategische Studien der Harward University gewirkt. Er war von 1977 bis 1978 unter den US-amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter im Nationalen Sicherheitsrat tätig und Mitbegründer der Zeitschrift „Foreign Affairs“. International bekannt geworden ist er vor allem durch sein Buch The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order, das in deutscher Sprache mit dem Titel
„Kampf der Kulturen“
im Europaverlag München 1996 erschienen ist. Regionale und globale Konflikte vollziehen sich nach dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr als ideologische Auseinandersetzungen, sondern als „Zusammenprall“ von kulturellen Identitäten. Weil sich die Welt in einer „globalen Identitätskrise“ befindet, in der sich einerseits die westlichen Kulturen und Wirtschaften immer mehr etablieren, andererseits bisher marginalisierte Kulturen und Mächte darauf drängen (werden), ihre eigenen Werte, Zivilisationen und Identitäten in den globalen Wettbewerb und Machtkampf zu bringen, wird es zwischen den von Huntington acht verschiedenen, mächtigen Kulturkreisen auf der Erde zwangsläufig zu Gewaltsamkeiten kommen, die sich entweder als „Bruchlinienkriege“ zwischen lokalen Gruppen aus verschiedenen Kulturen, als „ethnische Auseinandersetzungen“, oder als „Kernstaatenkriege“ entwickeln. Es wird also „Zusammenstöße“ zwischen den Kulturen geben. „So ist in der heute entstehenden Welt zwar der „Kampf der Kulturen“ die größte Gefahr für den Weltfrieden, eine internationale, auf Kulturen basierende Ordnung aber der sicherste Garant gegen den Weltkrieg“ [1]. Die Thesen vom „Zusammenprall der Kulturen“, der in der deutschen Übersetzung sicherlich missverständlich als „Kampf der Kulturen“ ausgedrückt wurde, hat in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion Zustimmung und Ablehnung gefunden [2]. Diejenigen, die für einen friedlichen, interkulturellen Dialog plädieren, werden als Träumer und Multi-Kulti verschrien; die anderen, die in der kämpferischen Auseinandersetzung die Verteidigung der eigenen Werte suchen, als Militaristen. Ganz sicher wollte Huntington bei seiner Analyse weder die eine, noch die andere Sichtweise favorisieren, sondern auf die kulturellen, religiösen und ideologischen Unterschiede hinweisen. Es sei insbesondere die Auseinandersetzung mit dem Islam als „kämpferische“ Idee, die den Westen veranlassen müsse, die eigenen Positionen zu verteidigen; freilich auf der Grundlage eines „Wettbewerbs der kulturellen Ideen“ in der Welt, und nicht als Angriffsoption, so hat Huntington seine Auffassungen verteidigt. Diese Vorstellungen werden auch vom Kölner Orientalisten und Chefredakteur der auf arabisch, persisch und englisch erscheinenden Kulturzeitschrift „Fikrun wa Fann“, Stefan Weidner, vertreten (Manual für den Kampf der Kulturen. Warum der Islam eine Herausforderung ist, 2008, siehe Rezension www.socialnet.de/rezensionen/7056.php). Huntington hat mit seinem Werk ganz sicher einen Diskurs angeschoben, der eine realistische Betrachtung der Verschiedenheit der Menschen mit ihrem kulturellen, religiösen und politischen Denken und ihrem gesellschaftlichen und ideologischen Handeln das Wort redet. Der Friede in der sich immer interdependenter und entgrenzender entwickelnden globalisierten Welt lässt sich freilich natürlich nicht mit dem Schwert, noch als gewaltsame und kriegerische Auseinandersetzung, welcher Art auch immer und von welchen Anlässen auch immer bestimmt, herbei bomben. Die irrige Auffassungen, dass man vom „Kampf zum Frieden“, vom „Zwang zur Verständigung“ kommen könne, lassen sich gerade wieder im Nahen Osten besichtigen Die Verschiedenheiten menschlichen Denkens und Tuns lassen sich entweder als Gefahr oder als Chance begreifen. Der Analyst Samuel P. Huntington war kein Ideologe!
Dr. Jos Schnurer, Hildesheim
[1] Brigitte Seebacher-Brandt / Norbert Walter (Alfred Herrhausen Gesellschaft für internationalen Dialog), „Kampf der Kulturen oder Weltkultur?“. Diskussion mit Samuel P. Huntington, Frankfurt/M., April 1997, S. 29
[2] vgl. dazu: Gazi Caglar, Der Mythos vom Krieg der Zivilisationen. Der Westen gegen den Rest der Welt. Eine Replik auf Samuel P. Huntingtons Kampf der Kulturen; Münster 2001