Start der Landesinitiative „komm auf Tour – meine Stärken, meine Zukunft“

17.03.2009 | Soziale Arbeit

Unter der Schirmherrschaft von Dr. Monika Stolz, Ministerin für Arbeit und Soziales des Landes Baden-Württemberg, und Sabine Mayer-Dölle, Bürgermeisterin der Stadt Ulm, startet heute in Ulm die Landesinitiative „komm auf Tour – meine Stärken, meine Zukunft“.

Unter der Schirmherrschaft von Dr. Monika Stolz, Ministerin für Arbeit und Soziales des Landes Baden-Württemberg, und Sabine Mayer-Dölle, Bürgermeisterin der Stadt Ulm, startet heute in Ulm die Landesinitiative „komm auf Tour – meine Stärken, meine Zukunft“. Das Projekt des Ministeriums für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg, der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) wird in Ulm mit zahlreichen regionalen Partnerinnen und Partnern realisiert. Das Angebot unterstützt primär Schülerinnen und Schüler der 7. Und 8. Hauptschulklassen frühzeitig, ihre Lebensplanung geschlechtersensibel zu gestalten. Sie erhalten Gelegenheit, persönliche Stärken zu erkunden und die mit ihnen verbundenen beruflichen Wahlmöglichkeiten bewusst wahrzunehmen. Ausgehend von den Interessen der Jugendlichen geht es bei „komm auf Tour“ auch darum, geschlechtsspezifisches Berufswahlverhalten zu hinterfragen und Anregungen für ein geschlechtsuntypisches Praktikum zu bekommen.

Studien der BZgA zeigen, dass sich die eingeschränkten Berufsaussichten bildungsferner Jugendlicher auch auf deren persönliche Lebensplanung auswirken. In der Tendenz riskieren sie häufiger ungeplante Schwangerschaften und haben eher Schwierigkeiten, gleichberechtigte Beziehungen aufzubauen. Die Entwicklung realisierbarer Zukunftsperspektiven ist neben Verhütungsinformation der wirkungsvollste Beitrag zur Prävention unerwünschter Schwangerschaften. Dazu gehören die Entwicklung eines gesunden Selbstbewusstseins und das Vertrauen in die eigenen Stärken.

Die Projektevaluation zeigt, wie wichtig es für den Selbstwert der Jugendlichen und ihrer Eltern ist, dass bei „komm auf Tour“ die individuellen Potentiale und nicht primär Defizite gesehen werden. Fast zwei Drittel der befragten Jugendlichen hat die Teilnahme am Parcours geholfen, sich die eigene Zukunft konkreter vorzustellen (65 Prozent). Weit mehr als die Hälfte der teilnehmenden Mädchen und Jungen wurde durch „komm auf Tour“ angeregt, auch zuhause über ihre Stärken und ihre Zukunft zu sprechen (58 Prozent).

Bis zum 18. März entdecken 500 Jugendliche in einem 500 Quadratmeter großen Erlebnisparcours ihre Stärken und entwickeln erste Ideen für die eigene Zukunftsgestaltung. Mit Tempo geht es handlungsorientiert durch sechs Stationen: vom Reiseterminal über den Zeittunnel ins Labyrinth und von der sturmfreien Bude über die Bühne in die Auswertung. Entsprechend der Auswahl der Stationsaufgaben und deren Lösungswege vergibt die Moderation verschiedene Stärkepunkte an die Schülerinnen und Schüler. Die Auswahlaufgaben sind so angelegt, dass die Jugendlichen gezielt auch mit geschlechtsuntypischen Tätigkeiten konfrontiert werden. An so genannten „Stärkeschränken“ mit spannenden Materialcollagen erfahren die Jugendlichen, welche Berufsfelder und Ausbildungsberufe zu ihren Stärken passen. Die Botschaft lautet: „Finde heraus, was dich interessiert. Du kannst mehr, als du bislang weißt. Probier aus, was dir Spaß macht, zuhause, in der Schule und im nächsten Praktikum.“ „komm auf Tour“ ist bewusst schon in der 7. und 8. Jahrgangsstufe angesiedelt, um die Zusammenarbeit von Schulen, Eltern sowie außerschulischen Partnerinnen und Partnern der Berufsorientierung und Lebensplanung zu fördern. Die Mütter und Väter erfahren bei einem Informationsabend im Erlebnisparcours, wie sie ihre Tochter oder ihren Sohn bei dem Prozess der Berufswahl und Lebensplanung bis zum Schulabgang konkret unterstützen können. Die Lehrkräfte erhalten Anregungen, um die Themen in der Schule nachhaltig zu vertiefen.

„komm auf Tour – meine Stärken, meine Zukunft“

Start der landesweiten Initiative zur Berufsorientierung und Lebensplanung für Schülerinnen und Schüler mit einem innovativen Erlebnisparcours in Ulm. Ein Kooperationsprojekt des Ministeriums für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds, der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA).

Im Projekt „komm auf Tour“ in Ulm arbeiten folgende regionale Akteure der Berufsorientierung und der Lebensplanung zusammen:

  •   Agentur für Arbeit Ulm – Berufsberatung
  •   Andere Baustelle Ulm e.V. – Kompetenzagentur
  •   AWO – Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Ulm e.V. – Fachbereich Jugendhilfe
  •   Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen und Familienplanung Ulm
  •   Caritas Ulm – Katholische Schwangerschaftsberatung
  •   Caritas Ulm e.V. – Fachbereich Jugendberufshilfe
  •   HK – Handwerkskammer Ulm
  •   IHK – Industrie- und Handelskammer Ulm
  •   INVIA – Katholische Mädchensozialarbeit / Jugendmigrationsdienst Ulm
  •   Sanierungstreuhand Ulm GmbH – Schaltzentrale Zukunft
  •   Staatliches Schulamt für den Stadtkreis Ulm
  •   Stadt Ulm – Abteilung Bildung und Sport
  •   Stadt Ulm – Kontaktstelle für ausländische Mitbürger
  •   Stadt Ulm – Abteilung FAM – Beratungszentrum für Jugendliche
  •   Stadt Ulm – Abteilung FAM – Schulsozialarbeit

Veranstaltungshinweis

Informationsabend für Eltern:
Montag, 16. März 2009, von 19.00 bis 20.00 Uhr im „Haus der Begegnung“, Grüner Hof 7, 89073 Ulm

Bis Ende 2009 wird „komm auf Tour“ in Baden-Württemberg in acht Städten zusammen mit regionalen Partnerinnen und Partnern durchgeführt. Diese Pressemitteilung, Hintergrundinformationen, Fotos sowie den Tourplan mit den weiteren Stationen des Erlebnisparcours finden Sie im Internet unter www.komm-auf-tour.de. Kontakt für Rückfragen i. A. BZgA
Sinus-Büro für Kommunikation
Tel. 0221 272255-0, Fax 0221 272255-10, E-Mail info@sinus-bfk.de

Fakten zur Berufsorientierung und Lebensplanung
Fast alle Jugendlichen wissen, dass die Aufnahme einer Ausbildung für den erfolgreichen Verlauf der Berufs- und Lebensbiografie entscheidend ist. Jugendliche mit einem geringeren Bildungsniveau fühlen sich benachteiligt und sind es häufig auch. Besonders gering sind die Ausbildungschancen Jugendlicher mit Migrationshintergrund. In allen Wirtschaftsbereichen erreicht ihre Ausbildungsquote nicht ihren Bevölkerungsanteil. Unabhängig von ihrer kulturellen Zugehörigkeit bewerben sich Mädchen überproportional in „frauentypischen“, Jungen in „männertypischen“ Modeberufen. So arbeiten in Kindertageseinrichtungen, in der Kranken- und Altenpflege deutlich mehr Frauen als Männer.

In technischen Ausbildungsberufen wie Kraftfahrzeugmechatronik und Industriemechanik finden sich dagegen weiterhin wesentlich mehr Männer als Frauen. Seltene oder geschlechtsuntypische Berufswünsche sind zu Beginn einer Berufsorientierung durchaus vorhanden, werden aber ab dem 8. Schuljahr immer stärker verdrängt. Das Spektrum der für sie infrage kommenden Berufe wird dadurch unterschätzt.

Berufstätigkeit und Familie sind für die meisten Jugendlichen gleichberechtigte Ziele. Dies gilt insbesondere auch für junge Migrantinnen und Migranten. Für 68 % der Mädchen und 64 % der Jungen zwischen 14 und 17 Jahren gehört der Wunsch, später einmal Kinder zu haben, zum Lebensentwurf dazu, wie die Studie „Jugendsexualität 2006“ der BZgA zeigt. Jedoch wäre für mehr als 90 % der Jugendlichen eine frühe Schwangerschaft im Jugendalter „eine Katastrophe“ oder „sehr unangenehm“. Trotzdem haben 9 % der Mädchen und 15 % der Jungen bei ihrem ersten Mal nicht verhütet. Als wesentlichen Grund geben diese Jugendlichen an, dass der erste Sex „ungeplant“ war und sie von der Situation „völlig überrascht“ waren.

Dank erfolgreicher Präventionsarbeit ist die im Rahmen der amtlichen Geburtenstatistik erfasste Zahl der Lebendgeborenen von minderjährigen Müttern nach dem exakten Alter bei der Geburt des Kindes seit 2000 von 7126 auf 5812 im Jahr 2007 gesunken. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in dieser Altersgruppe ging im gleichen Zeitraum von 6337 auf 6175 zurück.

Studien belegen, dass die Ursachen von Teenagerschwangerschaften sowohl in Anwendungsfehlern von Kondom und Pille, Informationsdefiziten und einer unzureichenden Kommunikation über Sexualität liegen. Ob ein Mädchen schwanger wird oder nicht, ist besonders von ihrer sozialen Lage abhängig. Wichtige Faktoren sind soziale Benachteiligung und die damit einhergehende Perspektivlosigkeit. So ist das Risiko, ungewollt schwanger zu werden, bei einer Hauptschülerin fünfmal so hoch wie bei einer Gymnasiastin.

Der Erlebnisparcours „komm auf Tour – meine Stärken, meine Zukunft“
Im Abflugterminal begrüßt die Reiseleitung die Jugendlichen und lädt sie ein, mit ihr auf Entdeckungsreise zu gehen. Der Rap „2020“ macht Mut für die ersten Schritte in eine noch vage Zukunft. Er handelt von Wünschen wie Ängsten und öffnet den Blick für ungewohnte Lebens- und Berufswelten: „Wohin die Reise geht, kann heut’ noch keiner sagen. Aber du sagst wo - wo es lang geht…“
In vier Überraschungsstationen müssen sich die Schülerinnen und Schüler spontan entscheiden, welche Aufgaben sie lösen. Zu bewältigen sind komplexe Alltagssituationen. Wer möchte in der „Loveline – TV-Beratung“ Tipps zu Liebesfragen in allen Lebenslagen geben? Wer baut die Betten? Wer will die Pizzabestellung übernehmen, verrückte Blumenkreationen zusammenstellen, Ordnung ins Chaos bringen oder einen coolen Tanz hinlegen? Plötzlich wird bekannt, dass es im Schlafzimmer einen „Zwischenfall“ gab. Was ist nach Meinung der Jugendlichen der „richtige“ Zeitpunkt für das „erste Mal“? Was wissen die Jugendlichen eigentlich bereits über die Pille, Kondome und den Umgang mit Verhütungspannen?

Für die Auswahl der Aufgaben und die mit ihnen verbundenen Anforderungen vergeben die Reisebegleiterinnnen und -begleiter mehrere Stärken. Je nachdem, welche Stärken die Jugendlichen am meisten gesammelt haben, gehen sie zu dem entsprechenden Schrank mit spannenden Materialcollagen. Die Reiseleitung motiviert die Jugendlichen ausdrücklich zu prüfen, ob sie sich mit ihren spielerisch gesammelten Stärken identifizieren: „Arbeite ich wirklich gern mit meinen Händen?, Rede und berate ich gerne?, Hab ich’s mit Zahlen?, Bin ich ein Ordnungsmensch?, Helfe ich gerne anderen Menschen?, Hab ich den tierisch-grünen Daumen?, Oder sprühe ich vor Fantasie?“ Hierzu können sie auch zu allen weiteren Schränken wechseln und sich informieren, welche beruflichen Möglichkeiten auf sie warten könnten.

Der Erlebnisparcours ist kein diagnostisches Testverfahren, sondern regt an, die eigenen Interessen und Fähigkeiten für sich zu entdecken. Damit die persönliche Auseinandersetzung mit dem eigenen Ausbildungs- und Lebensweg nach dem Parcours kontinuierlich weiter geführt wird, erhalten alle Jugendlichen ihr persönliches „komm auf Tour-Logbuch“. Die Arbeitsbroschüre im Hosentaschenformat motiviert über Selbsttests, Fragebögen und Informationen die sukzessive Entwicklung eines realistischen Selbstbildes.

Bis zum Schulabgang schließen sich die bewährten regionalen Angebote zur Berufsorientierung und Lebensplanung nahtlos an, zum Beispiel der Berufswahlpass, Betriebspraktika, Beratungsgespräche, der „Girls’Day“ und das Projekt „Neue Wege für Jungs“.

Weitere Informationen unter www.komm-auf-tour.de.
Hintergründe zu Berufsorientierung und Lebensplanung auch unter
www.loveline.de
www.schwanger-unter-20.de
www.planet-beruf.de
www.berufe-universum.de

Evaluationsergebnisse von „komm auf Tour – meine Stärken, meine Zukunft“
Die Evaluationsergebnisse von „komm auf Tour – meine Stärken, meine Zukunft“ belegen, dass die Projektziele hinsichtlich der verschiedenen Zielgruppen erreicht werden:
Fast zwei Drittel (65 %) der befragten Jugendlichen hat die Teilnahme am Parcours geholfen, sich die eigene Zukunft „ein bisschen konkreter vorzustellen“. Dies trifft auf Mädchen mehr zu (70 %) als auf Jungen (60,8 %), auf Jugendliche mit türkischem Hintergrund stärker (72,4 %) als auf solche mit anderer Herkunft (61,8 %). Drei Fünftel der Schülerinnen und Schüler (60 %) wissen nach dem Parcoursbesuch mehr über sich und ihre Stärken. Das Bild der Stärken, die die Jungen und Mädchen sich selbst zuschreiben, zeigt geschlechtstypische Züge, aber ein beachtlicher Anteil nennt auch geschlechtstuntypische Stärken (ein Viertel der Mädchen „handwerkliches Geschick“ und ein Drittel der Jungen „helfen“). Die selbst zugeschriebenen Stärken zeigen sowohl Übereinstimmungen als auch Abweichungen von den erhaltenen Stärkepunkten. 86 % der Jugendlichen haben bei „komm auf Tour“ erkannt, „dass man über Freundschaft, Zusammenleben, Liebe und Verhütung reden kann“. Gut die Hälfte (54 %) hat darüber hinaus „eine Idee bekommen, wie man offen über Freundschaft und Liebe reden kann“.

Diese Gruppe bejaht somit den Effekt einer verbesserten Kommunikation. Mädchen stimmten dieser Aussage häufiger (58 %) zu als Jungen (50,2 %), Jugendliche mit türkischem Hintergrund sogar zu 61,5 %. 58 % der teilnehmenden Mädchen und Jungen berichten, angeregt durch „komm auf Tour“, auch zuhause über ihre Stärken und ihre Zukunft gesprochen zu haben. Dabei erfüllt die interaktive Elternspielkarte, die alle Mütter und Väter erhalten, eine zentrale Rolle.

Von den befragten Lehrkräften wünschen nahezu alle (97 %), dass „komm auf Tour“ kontinuierlich für die Schülerinnen und Schüler der 7. Klasse angeboten werden sollte. Neun von zehn Lehrerinnen und Lehrern (91 %) haben den Parcours im Unterricht nachbereitet. Vier von fünf Lehrkräften (80 %) gaben an, nützliche Anregungen für den Unterricht erhalten zu haben. Insgesamt sind die Lehrkräfte nach der Teilnahme am Projekt hoch motiviert, die Themen Berufsorientierung und Lebensplanung weiter aufzugreifen, Beratungsstellen in die Schule einzuladen und auch das Kollegium dafür zu gewinnen, die Themen frühzeitig in den Unterricht einfließen zu lassen.

Die Projektevaluation erfolgte während der Pilotphase in Nordrhein-Westfalen im Zeitraum zwischen September 2006 und Oktober 2007.


Quelle: Landesportal Baden-Württemberg