Auslandsadoptionen auf eigene Faust kommen oft vor den Richter

Stuttgart. Auf jedes zur Adoption vorgemerkte Kind kommen in Baden-Württemberg zwölf Bewerberpaare. Da heißt es warten und hoffen. Manche Paare verlieren die Zuversicht. Sie begeben sich in rechtliche Grauzonen, um im Ausland einen Sohn oder eine Tochter zu adoptieren. Leidtragende sind die Adoptivkinder. „Auslandsadoptionen im Grenzbereich der Legalität bergen ein großes Risiko, dass das Kind nicht zeitnah einreisen kann“, weiß Reinhold Grüner, Leiter der Zentralen Adoptionsstelle (ZAS) beim KVJS. Der KVJS fordert mit den Zentralen Adoptionsstellen in anderen Bundesländern Gegenmaßnahmen. „Bußgelder für Kinderkäufe im Ausland und ein grundsätzliches gesetzliches Einreiseverbot für Kinder, die außerhalb des gesetzlich vorgesehenen Verfahrens adoptiert wurden, könnten einen Beitrag zu mehr Rechtsstaatlichkeit leisten“, sagt Grüner. Reinhold Grüner stellt solche Forderungen nicht von ungefähr. Er kennt etliche tragische Fälle. Schwierigkeiten treten etwa bei Staaten auf, die keine Adoption kennen. Beispiel: In Staaten mit muslimisch geprägter Rechtsordnung wie Marokko oder Algerien wird kinderlosen Paaren das Sorgerecht nach der „Kafala“ übertragen. Die Kafala (arab. = Bürgschaft) ist grob mit der Pflegschaft eines Kindes vergleichbar. Die Eltern können mit dem Segen der ausländischen Behörden zum Vormund werden, das Kind bleibt aber Mitglied seiner ursprünglichen Familie.

Keine Adoption aus Mahgreb-Staaten

Damit das Kind in Deutschland den gemeinsamen Familiennamen führen kann und die rechtliche Stellung eines leiblichen Kindes erhält, müssen die Eltern ein Adoptionsverfahren hinterherschieben. Doch etliche deutsche Behörden legen sich quer. Wenn das Herkunftsland keine Adoption kenne, dürfe ein Kind nicht einreisen, um in Deutschland adoptiert zu werden, argumentieren die Beamten. Zudem würden adoptierte „Kafala-Kinder“ in paradoxe Rechtsverhältnisse geraten. Das Kind besäße in Deutschland den Rechtstatus eines leiblichen Kindes von Adoptiveltern, der im Herkunftsland nicht anerkannt würde. Die Folge: etliche „Kafala-Söhne“ und „-Töchter“ warten seit Jahren auf ihre Einreise nach Deutschland. Auch für verhinderte Adoptiveltern sind die Folgen fatal, wie Grüner erklärt: „Die Leute müssen nach der Kafala im Ausland für ein Pflegekind sorgen, leben aber selbst in Deutschland.“ Die ersehnte Aufnahme in die eigene Familie bleibe ungewiss. Auch beim Verdacht auf Kinderhandel dürfen „adoptierte“ Jungen und Mädchen nicht einreisen. So hatte vor zwei Jahren eine gut situierte deutsche Familie im staatlichen Adoptionsverfahren die Geduld verloren. Sie ließ ihre Kontakte zu einflussreichen Persönlichkeiten spielen, die bis nach Afrika reichten. Auf dem schwarzen Kontinent geriet bald ein elternloses Baby in den Blickpunkt der Suchenden. Es lebte bei Verwandten. Nach einigen Gesprächen war die bettelarme Familie bereit, das Kind herauszugeben. Die Deutschen wollten einem Familienmitglied eine Berufsausbildung finanzieren. Zudem flossen größere Geldbeträge in humanitäre Projekte vor Ort. Die afrikanischen Behörden genehmigten die Adoption. Doch die Beamten der deutschen Botschaft verweigerten die Einreisepapiere nach Deutschland. Der Fall beschäftigt inzwischen die Richter. Das Verfahren läuft über mehrere Instanzen. Der Ausgang ist ungewiss.

Adoption im Schlepptau von Leihmutterschaft

Zu rechtlichen Komplikationen führen auch Adoptionsanfragen im Schlepptau einer Leihmutterschaft. Zuweilen engagieren verzweifelte Paare eine Leihmutter, um ein Kind in ihre Arme schließen zu können. In Deutschland ist dies verboten. Doch Geschäftemacher aus dem Ausland bieten längst „Economy"-Pakete für 3.000 Euro oder „Komplex“-Pakete für 15.000 Euro. Wahlweise kann der „Tragemutter“ die befruchtete Eizelle der bestellenden Eltern eingepflanzt werden, oder sie wird mit dem Sperma des Auftrag gebenden Vaters künstlich befruchtet. Will im letzten Fall die Ehefrau des leiblichen Vaters das Neugeborene als Kind annehmen, kann sie eine Adoption beantragen. Problem: trotz der leiblichen Vaterschaft genehmigen die deutschen Auslandsvertretungen oft nicht die Einreise des Kindes nach Deutschland. Denn unter Juristen ist umstritten, ob der Mann auch im rechtlichen Sinn als Vater anerkannt werden sollte. Es sind Fälle bekannt, wo die Adoptiveltern ein, zwei Jahre im Ausland festsaßen, weil sie keine Einreisegenehmigung für den Adoptivsohn oder die -tochter erhielten. Reinhold Grüner appelliert eindringlich an alle Frauen und Männer mit Kinderwunsch, Grauzonen-Adoptionen zu vermeiden: „Je weniger Kinder über problematische oder gar kriminelle Kanäle vermittelt werden, desto mehr kann das Wohl von Adoptivkindern und ihren aufnehmenden Familien gewahrt werden.“ Denn deutsche Behörden arbeiten nach den Bestimmungen des Haager Übereinkommens gegen Kinderhandel. Ein geregeltes Verfahren soll kriminelle Machenschaften verhindern und die Menschenrechte des Kindes schützen. Jeder Mensch hat das Recht, in seinem Geburtsland aufzuwachsen, sind sich die 81 Unterzeichnerstaaten einig. Nur wenn im Herkunftsland weder Betreuung noch Adoptivfamilien gefunden werden, darf ein Kind außer Landes gegeben werden. Legal zur Adoption freigegebene Kinder werden nach dem Haager Übereinkommen von offiziell ermächtigten Behörden vermittelt. In Deutschland ist diese Stelle die ZAS. Sie oder von ihr anerkannte freie Adoptionsstellen suchen passende Eltern für die Kinder. Dazu sehen das Übereinkommen und das deutsche Gesetz eine Beratung und Eignungsüberprüfung von Adoptionswilligen vor. Auch die Eltern in spe profitieren von der behördlichen Begleitung einer Adoption. Bei der Beratung werden sie zum Beispiel über mögliche Traumatisierungen informiert, die Adoptivkinder mit hoher Wahrscheinlichkeit mitbringen. „Ein elternloses Kind leidet stets unter seelischen Verletzungen, viele müssen Kriegserlebnisse oder andere Katastrophen bewältigen“, weiß die Beraterin Monika Miller-Lika von der ZAS. „Nach unserer Erfahrung können Adoptiveltern damit überfordert sein.“ Zudem bieten die deutschen Behörden Adoptiv-Familien Nachbegleitung, Berichte zur Gesundheit des Kindes und bestmöglichen Auskünfte über die Abstammung. Denn die meisten Adoptivkinder suchen irgendwann nach ihren leiblichen Eltern. Gut, wenn sie dann auf Akten zurückgreifen können, die in Deutschland 60 Jahre aufbewahrt werden.

Information: Auslandsadoptionen beim KVJS

Bei der ZAS lagen 2008 die Bewerbungen von 110 Paaren vor. Die Mitarbeiterinnen erbaten für sie einen Kindervorschlag aus dem anvisierten Staat. Sie holten sämtliche verfügbaren Informationen über die leiblichen Eltern ein und begleiteten das Verfahren von Deutschland aus. 18 glückliche Paare konnten 2008 ein Kind in die Arme schließen. Andere Anträge auf Vermittlung laufen noch oder wurden zurückgezogen. Die potenziellen Adoptiveltern hatten es sich anders überlegt oder erwarteten eigenen Nachwuchs. Oft gab es auch kein Kind aus dem Wunschland. Von den 658 Kindern, die im Jahr 2008 in Baden-Württemberg adoptiert wurden, besaßen laut dem Statistischen Landesamt 278 eine ausländische Staatsangehörigkeit.

Quelle: Pressemitteilung des Kommunalverbandes  für Jugend und Soziales Baden-Württemberg vom 05.08.2010
http://www.kvjs.de