GEW: „‚Traumjob Erzieherin’ soll Zukunftsberuf werden!“

Geringer Verdienst und schlechte Rahmenbedingungen bestimmen Arbeitsalltag – Leben auf Hartz-IV-Niveau und Altersarmut – Krippenprogramm in Gefahr

Berlin – Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat sich dafür stark gemacht, dass der „Traumjob Erzieherin“ endlich ein Zukunftsberuf wird. „Die Realität sieht jedoch noch anders aus: Geringer Verdienst – oft auf Hartz-IV-Niveau – und schlechte Rahmenbedingungen prägen den Arbeitsalltag von Erzieherinnen und Kinderpflegern. Die Folgen: Viele geben den Beruf schnell wieder auf – oder leiden unter chronischen Berufskrankheiten. Nach 40 Berufsjahren gibt es nicht einmal 900 Euro Rente! Der Anspruch an die Qualität frühkindlicher Bildung und die Bedingungen, unter denen Erzieherinnen gute Arbeit leisten sollen, klaffen meilenweit auseinander“, sagte Norbert Hocke, Leiter des GEW-Vorstandsbereichs Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Dienstag während einer Pressekonferenz in Berlin. Im Rahmen der Veranstaltung stellte Hocke die Ergebnisse einer GEW-Studie zur beruflichen, familiären und ökonomischen Situation der Erzieherinnen und Kinderpfleger vor. Er warnte davor, dass die ehrgeizigen Pläne zum Ausbau der Kita-Plätze und das Krippenprogramm auf der Kippe stünden, wenn nicht schnell in diesen Bereich investiert wird. In den nächsten Jahren würden rund 50.000 zusätzliche Fachkräfte gebraucht. „Von einem attraktiven Beruf, für den man nur werben muss, um den enormen Fachkräftebedarf zu decken, kann keine Rede sein“, unterstrich Hocke. Laut der GEW-Studie haben nur 50 Prozent der Erzieherinnen und 30 Prozent der Kinderpfleger eine Vollzeitstelle. Insbesondere Nachwuchskräfte erhalten zudem lediglich befristete Stellen: Lediglich 49 Prozent der Fachkräfte unter 25 Jahren sind unbefristet eingestellt. Fast 20 Prozent der Berufsanfänger sind armutsgefährdet: Sie verdienen weniger als 786 Euro netto. Acht Prozent der Kinderpflegerinnen erhalten zu ihrem Verdienst Hartz IV. Das Nettoeinkommen von Erzieherinnen liegt 224 Euro unter dem Durchschnitt aller Erwerbstätigen. Bei den Kinderpflegerinnen beträgt der Abstand sogar 392 Euro. „Mit diesem schlechten Verdienst gewinnt man weder junge Frauen noch Männer für diese Berufe“, betonte Hocke. Ein Drittel der Beschäftigten wechselt den Beruf, bei den Männern sind es sogar 40 Prozent. Gerade die Menschen, die in den Kitas dringend benötigt werden, nämlich Männer und Frauen mit Migrationshintergrund verlassen die Einrichtungen.
Erzieherinnen gehen wegen der hohen körperlichen und psychischen Belastungen im Schnitt mit 59 Jahren in Rente. Wer den Beruf aus Krankheitsgründen aufgeben muss, ist im Schnitt 54 Jahre alt. Eine Erzieherin, die von ihrem 21. bis zum 59. Lebensjahr ununterbrochen Vollzeit mit einem durchschnittlichen Einkommen von 2.500 Euro brutto gearbeitet hat, erhält monatlich 876 Euro Rente. „Altersarmut ist die Folge“, sagte das GEW-Vorstandsmitglied. „Wir schlagen ein Vier-Punkte-Programm vor, um die Situation der Fachkräfte zu verbessern und den Bereich der sozialpädagogischen Berufe aufzuwerten“, unterstrich Hocke:

  1. Unbefristete Vollzeitstellen, insbesondere für Berufsanfänger. Diese sind mit zusätzlichen Finanzmitteln der Länder abzusichern.
  2. Eine Ausbildung, die den Beruf der Erzieherin auch für Abiturienten attraktiv macht. Dazu ist der weitere Ausbau grundständiger Studienangebote an den Hochschulen für Soziale Arbeit notwendig.
  3. Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch Anrechnung eines Drittels der Arbeitszeit für Vor- und Nachbereitung sowie ein Personalschlüssel für Gruppen mit Kindern, die jünger als drei Jahre sind, von 1:4 und bei den drei- bis sechsjährigen von 1:10.
  4. Anhebung der Bezahlung, damit jede Erzieherin und jeder Erzieher von dem Gehalt leben kann.

Info

In Deutschland gibt es insgesamt 422.096 Erzieherinnen und Erzieher sowie Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger. In Kindertagesstätten arbeiten 282.755 Erzieherinnen und Erzieher sowie 50.282 Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger. 3,3 Prozent der Beschäftigten im Erzieherberuf und 4,7 Prozent der Beschäftigten im Kinderpflegberuf sind Männer. Die Studie zur beruflichen, familiären und ökonomischen Situation von Erzieherinnen und Kinderpflegern ist eine Sonderauswertung des Mikrozensus 2008. Autorin ist Dr. Kirsten Fuchs-Rechlin von der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik an der Technischen Universität Dortmund. Finanziert wurde die Untersuchung von der GEW-nahen Max-Traeger-Stiftung. Mit der Studie legen die Gewerkschaften zum vierten Mal eine Untersuchung zu den Arbeitsbedingungen sozialpädagogischer Fachkräfte vor. Download:
Studie "Die berufliche, familiäre und ökonomische Situation von Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen" Link:
Kommentar zur Studie


Quelle: Pressemitteilung der GEW vom 23.11.2010
http://www.gew.de