Gute Integrationspolitik macht die ländlichen Räume zukunftsfähig

17.09.2010 | Soziale Arbeit | Nachrichten

Fachtagung „Angebotsstrukturen für Integration im ländlichen Raum“ diskutiert erste Ergebnisse eines bundesweiten Forschungsprojektes zur Integration im ländlichen Raum

Darmstadt – Die Integration von Migranten und Migrantinnen ist nicht nur ein Großstadtthema, auch in den ländlichen Regionen ist die Integration der dort lebenden Zuwanderergruppen ein zentrales Anliegen der Kommunen. Im Vergleich zu den Großstädten sind jedoch noch Defizite in der strukturellen Einbettung der Integrationsaufgaben und geringe institutionelle, finanzielle und personelle Ressourcen dafür feststellbar. Der Erfolg der Integrationsarbeit hängt dadurch weit mehr als in größeren Kommunen vom Engagement, der politischen Durchsetzungskraft und der Vernetzungsfähigkeit von Einzelpersonen ab. Insgesamt stellt sich in den kleinen Städten im ländlichen Raum die Frage nach den Möglichkeiten, die Beratungs- und Förderinfrastruktur mit den vorhandenen Ressourcen bei einer vergleichsweise niedrigen Zuwandererquote aufrecht zu erhalten. Über die Potenziale der „Integration mit geringen Ressourcen“ diskutierten im Rahmen der Fachtagung „Angebotsstrukturen für Integration im ländlichen Raum“ am 15./16. September im Schader-Forum in Darmstadt rund 200 Akteure aus Wissenschaft und Praxis aus dem gesamten Bundesgebiet. Die Fachtagung war ein Meilenstein im Rahmen des Forschungs-Praxis-Projektes  Integrationspotenziale in kleinen Städten und Landkreisen", das die Schader-Stiftung seit Anfang 2009 durchführt. Die erste Halbzeit des Projekts sei vor allem wegen der unterschiedlichen Erfahrungen der teilnehmenden Städte und Landkreise „spannend und lehrreich“ gewesen, sagte Sabine Süß, Geschäftsführender Vorstand der Schader-Stiftung. Sie hob hervor, dass trotz des bereits Erreichten der begonnene Prozess fortgesetzt werden müsse. Kommunale Integrationspolitik bedürfe einer ausreichenden bundespolitischen Unterstützung. Ein Potenzial des ländlichen Raums ist die soziale Nähe, „jeder wird gesehen“. Nähe ist aber häufig verbunden mit einer starken Kontrolle, die zur sozialen Ausgrenzung führen kann. Ministerialdirektorin Gabriele Hauser, für Integration zuständige Abteilungsleiterin im Bundesinnenministerium stellte fest, Vielfalt gehe zunächst mit einem Verlust von sozialer Bindung einher. Vertrauen müsse wachsen, deshalb seien gemeinschaftliche Aktivitäten wichtig für das Zusammenleben. Ein offener Umgang mit den Problemen bei Intergruppenkonflikten verändere die Kleinstadtgesellschaft und könne Grundlage für positive Integrationsprozesse sein, berichtete Jörg Hüttermann, Konfliktforscher der Universität Bielefeld, aus seiner Studie „Eskalations- und  Integrationspotenziale in Kleinstädten der Einwanderungsgesellschaft“. Integration sei mehr als die Einbeziehung von zugewanderten Individuen in Schule, Beruf und Sozialstaat. Der Kulturanthropologe Prof. Heinz Schilling aus Frankfurt betonte, dass Menschen sich umso mehr mit einem Ort als Heimat identifizierten, je mehr Befriedigungsmöglichkeiten sie für sich in einem gegebenen Raum erkennen könnten. „Über Sprache definiert sich Zugehörigkeit“, so Hilal Sezgin, Publizistin und Buchautorin, in ihrem literarischen Beitrag. Die Tagungsteilnehmer und –teilnehmerinnen waren sich einig, dass das Erlernen der deutschen Sprache von zentraler Bedeutung für die Integration ist. „Schon aus Eigeninteresse sind wir als vom Strukturwandel betroffene ländliche Region auf Zuwanderung angewiesen und stellen deshalb Integration ins Zentrum unserer Politik“, so Michael Busch, Landrat des Kreises Coburg als Vertreter einer am Projekt teilnehmenden Kommune. Dabei komme es vor allem darauf an, klare politische Verantwortungsstrukturen für Integration zu etablieren und Integrations- und Beratungsangebote dezentral in den Sozialräumen zu verankern. „Integration findet vor Ort statt. Sie gelingt vor Ort, aber ihre Defizite sind zuerst auch vor Ort, in den Kommunen und Quartieren spürbar“, betonte Dr. Michael Griesbeck, Vizepräsident im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Dies unterstrichen Dr. Heike Liebmann, Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS), und Ralf Zimmer-Hegmann, ILS - Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung, die das Projekt forschend begleiten. Auch wenn im ländlichen Raum mangelnde integrationspolitische Strukturen, schlechte Erreichbarkeiten und Mobilitätsdefizite wichtige Integrationshemmnisse darstellen, sei der gesamtgesellschaftliche Wille Grundvoraussetzung für gelingende Integration. Politik habe eine zentrale Vorbildfunktion: Wichtig sei vor allem, dass die Bürgermeister das Thema „Integration“ zu ihrer Sache machten. Das Projekt habe wichtige Impulse für die Integration gesetzt, das Thema sei vor Ort sichtbar geworden und habe jetzt mehr politische Aufmerksamkeit, hob Paola Fabbri-Lipsch, Integrationsbeauftragte von Neu-Isenburg im Landkreis Offenbach, hervor. Das Forschungs-Praxis-Projekt "Integrationspotenziale in kleinen Städten und Landkreisen" ist eine bundesweit vergleichende Untersuchung in zwölf Kommunen aus acht Landkreisen und bearbeitet grundsätzliche Fragestellungen der Integration von Zuwanderern in den Klein- und Mittelstädten der ländlich geprägten Räume. Ziel ist die Analyse der Bedingungen und die Ermittlung der jeweiligen Potenziale für die Integration von Zuwanderern. Das Projekt wird von der Schader-Stiftung in  Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dem Deutschen Städte- und Gemeindebund und dem Deutschen Landkreistag durchgeführt und mit Mitteln aus dem Europäischen Integrationsfonds, der Projektförderung des BAMF und seit 2010 aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration gefördert.
Die Schirmherrschaft haben der Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière und die Staatsministerin und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Prof. Dr. Maria Böhmer übernommen. Weitere Informationen zum Projekt und zur Fachtagung finden Sie unter: www.integrationspotenziale.de und www.schader-stiftung.de.

Quelle: Pressemitteilung der Schader-Stiftung vom 17.09.2010