KatHO NRW Aachen: Koryphäe Hilarion Petzold zu Gast
Der einfache Hausbesuch eines Sozialarbeiters bei einer Familie in schwieriger sozialer Lage hat dort die gleiche Wirkung wie eine Psychotherapie. Hilarion Petzold, der ungewöhnliche Vordenker der Psychotherapie und Sozialarbeit, war zu Gast an der KatHO NRW Aachen
Unterschichten sind therapeutisch unterversorgt - Petzold zeigt wie Soziotherapie helfen kann
Der einfache Hausbesuch eines Sozialarbeiters bei einer Familie in schwieriger sozialer Lage hat dort die gleiche Wirkung wie eine Psychotherapie. Hilarion Petzold, der ungewöhnliche Vordenker der Psychotherapie und Sozialarbeit, Professor in Frankreich, Holland, Österreich und der Schweiz, ausgezeichnet mit dem Bundesverdienstkreuz für seine Beiträge zur Psycho- und Drogentherapie, zeigte bei seinem Vortrag in der Katholischen Hochschule NRW Aachen die erstaunlichen Möglichkeiten der Soziotherapie auf. Psychoanalytische Verfahren sind unbrauchbar für Familien in schlechten sozialen Verhältnissen, wetterte der international renommierte Wissenschaftler. Die mittelstandsorientierten Kinder- und Jugendtherapeuten seien nicht in der Lage die Sprache des Prekariats zu verstehen. Als Folge bleiben Unterschichten nicht adäquat therapeutisch versorgt. Analytiker und Therapeuten können mit ihnen nicht umgehen, weil es für diese Schichten weder Theorie noch Praxis gebe. Zu wenig habe man sich bisher damit beschäftigt dass nicht nur die soziale, sondern auch die sozio-physikalische Umwelt die Menschen präge. Im Klartext bedeutet das: Menschen, die in vergammelten, ungepflegten Wohnblöcken mit tristen Grünanlagen groß werden, entwickeln ein bestimmtes Bild von ihrer Welt. Die soziale Entbehrung einerseits und die Überstimulation mit Gewalt, Missbrauch, Alkohol, Medien und Drogen andererseits forme Psyche und Körper dieser Familien. Um einen inneren Zukunftshorizont aufzubauen, brauchen diese Betroffenen Unterstützung, eine Unterstützung, die sie einander in Teilen auch selbst geben können. So könnten beispielsweise Arbeitslose Arbeitslosen helfen. Wichtig sei es, ein gemeinsames Wollen zu entwickeln, Aktionen gemeinsam zu planen und durchzuführen. Erst in der Durchhaltephase, wenn es darum geht, an einer Sache dran zu bleiben, sie auch bei Widerständen weiter zu verfolgen, werden die Soziotherapeuten wichtig. Der Psychologe Petzold entwickelte dazu die Integrative Therapie, die den Menschen immer als eine Einheit von Körper, Seele und Geist versteht und ihn auch immer in seinem familiären und sozialen Netzwerk betrachtet. Soziotherapie ist dabei der integrative Weg zwischen Sozialer Arbeit und Psychotherapie. Ressourcen- und potentialorientiert sollte gearbeitet werden, fordert der bekannte Psychotherapeut. Seine Methoden sind so einfach und wie naheliegend: Laufen hilft bei Depressionen, sagt er. Darüber forschte er bereits in den 1970er Jahren. Wie er mit seinen Mitarbeitern herausfand, ist diese übungszentrierte Form der Psychotherapie bei Depressionen gleichermaßen wirksam wie Psychopharmaka. Im Rahmen des Klinisch-therapeutischen Masterstudiengangs war Professor Hilarion G. Petzold zu Gast an der KatHO in Aachen. Unter der Leitung von Professorin Ute Antonia Lammel bildet der seit 2009 angebotene Studiengang „Klinisch-therapeutische Soziale Arbeit“ in Aachen Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen aus. Sie können, ausgestattet mit diagnostischem und therapeutischem Sachverstand, die von Petzold beschriebenen Ansätze z.B. in der Arbeit mit sozial schwachen Familien, in der Jugendhilfe, in Arbeitslosenprojekten und der Altenhilfe umsetzen. Weitere Informationen: Prof. Dr. Ute Antonia Lammel, Tel. 0241/ 6 000 329 (ua.lammel(at)katho-nrw.de )Quelle: Pressemitteilung der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Aachen, vom 23.11.2010