Lebenshilfe kritisiert 'Liste der Grausamkeiten'
Gemeindefinanzierung sägt an den Grundfesten der Behindertenhilfe
Berlin. Die vom Bundesministerium für Finanzen geleitete Gemeindefinanzkommission hat Sparvorschläge für den sozialen Bereich vorgelegt, die gegenwärtig in den Fachministerien des Bundes – insbesondere im Bundesministerium für Arbeit und Soziales und im Bundesministerium für Gesundheit – beraten werden. Ziel der Initiative ist es, die sozialen Standards in der Behinderten- und Altenhilfe abzusenken, um vor allem im Bereich der Sozialhilfe Milliardenbeträge einzusparen. „Wer einen Blick in den Zwischenbericht der Arbeitsgruppe ‚Standards’ der Gemeindefinanzkommission wirft, den packt das kalte Grausen“, so Robert Antretter, Bundesvorsitzender der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung. „Auf 30 eng bedruckten Seiten werden über 150 Sparvorschläge zur Diskussion gestellt, die aus dem Blickfeld der betroffenen Menschen nur als Horrorszenario bezeichnet werden können.“ Antretter weiter: „Wir sind sprachlos, wenn wir in dieser Liste auf den Vorschlag stoßen, das Wunsch- und Wahlrecht hilfebedürftiger Menschen in der Eingliederungshilfe, in der Jugendhilfe und der Sozialhilfe müsse eingeschränkt werden, weil es, so der Originaltext, oftmals den Einsatz kostengünstigerer Instrumente verhindere.“ Völlig unakzeptabel sind nach Auffassung der Bundesvereinigung Lebenshilfe auch die Vorschläge, den Wohnstandard für alleinstehende Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, zu halbieren und von 50 auf 25 Quadratmeter abzusenken oder Menschen, die aufgrund ihres Pflegebedarfs oder ihrer Behinderung auf eine Betreuung in Heimen angewiesen sind, künftig grundsätzlich nicht mehr in Einbett-, sondern in Zweibettzimmern unterzubringen. Die Lebenshilfe appelliert an die gegenwärtig mit der Beratung der Sparvorschläge der Gemeindefinanzkommission befassten Ministerien, dieser „Liste der Grausamkeiten“ eine klare Absage zu erteilen. „Wer – wie die Mitglieder der Arbeitsgruppe „Standards“ – mit Brachialgewalt an unserem Sozialstaat rüttelt, gefährdet den sozialen Frieden“, so Robert Antretter. „Die Bundesregierung gehört auf internationaler Ebene zu den größten Befürwortern des im Jahre 2009 für Deutschland ratifizierten Übereinkommens der Vereinten Nationen über Rechte von Menschen mit Behinderungen. Damit haben sich alle im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien dazu bekannt, Menschen mit Behinderungen ein möglichst barrierefreies Leben zu ermöglichen, Benachteiligungen im gesellschaftlichen Leben abzubauen und die volle Teilhabe am Leben der Gesellschaft sicher zu stellen. Nach Auffassung der Lebenshilfe konterkariert die Sparliste der Gemeindefinanzkommission die Behindertenrechtskonvention, die im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP zum Maßstab für alle Gesetzesänderungen erklärt worden ist, die Menschen mit Behinderungen betreffen. Die Lebenshilfe verkennt nicht, dass die Kommunen im Bereich der Sozialhilfe große finanzielle Lasten zu bewältigen haben. „Hier“, so Robert Antretter, „muss der Bund einspringen und einen Teil der zusätzlichen Steuereinnahmen, die durch die positive Entwicklung der Deutschen Wirtschaft erzielt werden, dazu verwenden, die Kommunen zu entlasten. Die Hilfe für behinderte und alte Menschen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur gemeinsam von Bund, Ländern, Gemeinden und der Zivilgesellschaft bewältigt werden kann!“ Zwischenbericht der AG Standards der GemeindefinanzkommissionQuelle: Pressemitteilung der Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V. vom 24.08.2010
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