Neue Studie zu Wirkfaktoren Individualpädagogischer Maßnahmen

Aktuell ist eine neue empirische Studie zu den Wirkfaktoren Individualpädagogischer Maßnahmen unter dem Titel Verläufe und Wirkfaktoren Individualpädagogischer Maßnahmen - Ergebnisse einer explorativ- rekonstruktiven Studie erschienen. Verfasser ist Willy Klawe.

1. Anlass und Ziele der Studie

Die Studie wurde vom Institut des Rauhen Hauses für Soziale Praxis (isp) im Auftrage der Bundesarbeitsgemeinschaft Individualpädagogik e.V. (AIM) durchgeführt und im Dezember 2009 abgeschlossen. Sie hatte zum Ziel
  • die pädagogischen Prozesse in Individualpädagogischen Maßnahmen im Einzelnen zu identifizieren und zu rekonstruieren,
  • die Bedingungen und Faktoren gelungener Praxis zu benennen und
  • von den Beteiligten positiv und hilfreich erlebte Situationen herauszuarbeiten.
Anlass für diese Studie war auch die Feststellung, dass sich in den großen Studien zur Jugendhilfe der letzten Jahre (JULE, JES, EVAS) keine Aussagen zu Individualpädagogischen Maßnahmen finden. Lediglich kleinere Fallstudien untersuchen Einzelaspekte dieser Hilfeform und liefern erste Hinweise auf wichtige, als hilfreich erlebte Prozessvariablen und pädagogische Interventionen. Bereits 2007 hatten beide Kooperationspartner eine quantitative Studie über „Jugendliche in Individualpädagogischen Maßnahmen“ vorgelegt. Die dort gewonnenen Ergebnisse zur Beziehung zwischen BetreuerIn und Jugendlichen, zur Bedeutung von Partizipation und Koproduktion sowie zur Kooperation aller Beteiligten, insbesondere mit der Herkunftsfamilie, gaben zwar erste Hinweise auf bedeutsame Prozessvariable, waren jedoch wegen des quantitativ angelegten Untersuchungsdesigns nicht geeignet, Näheres über die in diesen Maßnahmen stattfindenden Prozessen und die Wirkfaktoren dieses Segments der erzieherischen Hilfen auszusagen. Die jetzt vorliegende qualitative Studie dagegen rekonstruiert die Betreuungsverläufe aus der Sicht der relevanten Beteiligten (Jugendliche, BetreuerInnen, Eltern und Jugendamt), bezieht diese systematisch aufeinander (Triangulation) und erstellt daraus Fallmonographien. Im Zentrum stehen daher die als „Dichte Beschreibungen“ dokumentierten, aus problemzentiert-narrativen Interviews rekonstruierten Prozessverläufe der untersuchten Maßnahmen. Sie gewähren einen eindrucksvollen und anschaulichen Einblick in die spezifischen Verläufe jeder einzelnen Betreuung und charakterisieren so die besonderen Rahmenbedingungen dieses Betreuungssettings und seiner Ressourcen. Fallübergreifend lassen sich daraus für diese Hilfeform generalisierbare Schlussfolgerungen ziehen.

2. Inhalt und Ergebnisse

Die rekonstruierten Prozessverläufe zeigen, dass sich die pädagogischen Prozesse in Individualpädagogischen Maßnahmen sich häufig nicht gradlinig entwickeln und nicht in allen Aspekten plan- und vorhersehbar sind. Persönlichkeitsveränderungen und das Lernen in Individualpädagogischen Maßnahmen sind nicht umfassend didaktisierbar und methodisch durchzuplanen, stattdessen besteht die pädagogische Stärke dieses pädagogischen Settings gerade in seiner Flexibilität im Hinblick auf den jeweiligen Entwicklungsschritt, der für den jeweiligen betreuten Jugendlichen gerade ansteht. Ein individualpädagogisches Setting bietet die Möglichkeit, weitgehend unabhängig von institutionellen Regeln und Zwängen spontan auf Situationen zu reagieren und situative Elemente produktiv für die Gestaltung von Lern- und Erfahrungssituationen zu nutzen. Trotz aller individuellen Ausrichtung lassen sich in den rekonstruierten Prozessverläufen Gemeinsamkeiten und Schlüsselsituationen identifizieren, die auf deren Verlauf einen bedeutenden Einfluss haben und aus diesem Grunde sensibel wahrgenommen und bewusst gestaltet werden müssen. Ausführlich analysiert die Studie die Wirkfaktoren Individualpädagogischer Maßnahmen. Wirkfaktoren beschreiben das empirisch nachweisbare Potenzial einer Hilfeform. Ob und in welchem Umfang dieses Potenzial für Lernprozesse von den AdressatInnen genutzt wird, hängt nicht allein von der professionellen Gestaltung der jeweiligen Maßnahme und der Eröffnung von Möglichkeitsräumen für Erfahrungen und Lernen ab, sondern in besonderem Maße auch von der Koproduktion der betreuten Jugendlichen. Als zentrale Wirkfaktoren können identifiziert werden:
  • die individuelle Ausrichtung und Flexibilität der Maßnahme
  • ein verlässliches, akzeptierendes Beziehungsangebot, eine belastbare, authentische Betreuerpersönlichkeit und die Einbindung in familienähnliche Strukturen
  • Alltagsorientierung und Selbstwirksamkeit
  • Beschulung, Lernen und Qualifizierung
  • Partizipation, Koproduktion und Freiwilligkeit
  • Anschlussmaßnahmen und Nachbetreuung beim Transfer in den Alltag
  • Steuerung durch das Jugendamt
In den untersuchten Maßnahmen werden die spezifischen Erfahrungsoptionen im Ausland nicht sonderlich ausführlich herausgestellt. Dennoch zeigen sich in den Prozessrekonstruktionen gute Gründe für eine Durchführung der jeweiligen Maßnahme im Ausland. Die zentralen Aspekte dabei sind:
  • innerer Abstand von der bisherigen Lebenssituation,
  • räumliche Distanz zum Herkunftsmilieu und/oder Clique und Szene,
  • Zivilisationsferne
Die Ergebnisse dieser Studie beschreiben auf eindrucksvolle und anschauliche Weise das spezifische Profil dieses keinen aber wichtigen Segments der erzieherischen Hilfen. Die Studie ist unter folgender Kontaktadresse (am besten per E-Mail) entweder in gedruckter Form oder als Download zu beziehen.

Kontaktadresse:
AIM Bundesarbeitsgemeinschaft Individualpädagogik e.V.
Geschäftsstelle
Aachener Str. 1158a
50858 Köln
Tel: 02234-2008845
Mail: info@aim-ev.de 
(www.aim-ev.de)

Quelle: Pressetext von Willy Klawe