Runder Tisch "Sexueller Kindesmissbrauch" legt Zwischenbericht vor

Ministerinnen Schavan, Schröder, Leutheusser-Schnarrenberger: "Verschweigen, Vertuschen und Verdrängen hat ein Ende"

Der Runde Tisch "Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich" hat heute in seiner dritten Sitzung den Zwischenbericht verabschiedet. Unter dem Vorsitz der Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Annette Schavan, wurden die Ergebnisse der bisherigen Arbeit beraten und eine erste positive Bilanz gezogen. Damit liegt der Öffentlichkeit eine aktuelle Zusammenfassung der umfangreichen Arbeiten vor. "Verschweigen, Vertuschen und Verdrängen hat ein Ende", bilanzierten die drei Bundesministerinnen gemeinsam. "Das Tabu, über sexuelle Gewalt an Mädchen und Jungen zu sprechen, wurde gebrochen - Prävention, Forschung und Gesetzgebung arbeiten gemeinsam an einer nachhaltigen Strategie zum Schutz gegen sexuellen Missbrauch. Erste Bausteine wie Standards in Einrichtungen, Institutionen und Verbänden, die mit Kindern arbeiten, die Etablierung eines Forschungsnetzes, eine bundesweite Fortbildungsoffensive für Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe und ein verbesserter Opferschutz in strafrechtlichen Verfahren sind umgesetzt", erklärten die Ministerinnen weiter. Bundesbildungsministerin Annette Schavan betonte, dass für die Gesundheitsforschung 20 Millionen Euro bereit stünden, mit denen ein interdisziplinäres "Forschungsnetz Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt - Ursachen, Folgen, Prävention und Therapie" gefördert wird. Darüber hinaus wurden auch in der Bildungsforschung notwendige Schwerpunkte identifiziert, die das BMBF mit rund 10 Millionen Euro unterstützen wird: "Hier hoffen wir auf neue Erkenntnisse, die zu einem besseren Kinderschutz beitragen und die uns helfen, die Aus-, Fort- und Weiterbildung zum Umgang mit Missbrauchsfällen auszubauen und zu verbessern." Schavan sagte, dass Sie insbesondere von innovativen Ansätzen wie E-Learning und webbasierten Anwendungen neue Impulse in der Fortbildung erwarte. "Wir haben uns heute am Runden Tisch über moderne Strategien in der Fortbildung intensiv ausgetauscht", berichtete Schavan. "Dies ist ein Thema, das wir im Forschungsministerium weiter verfolgen werden." Die Arbeitsgruppe im Bundesfamilienministerium befasste sich in erster Linie mit Fragen der Prävention und der Intervention. "Ich werde zentrale Ergebnisse aus den Diskussionen der letzten Monate im Bundeskinderschutzgesetz aufgreifen. Damit wird für die öffentlichen Träger in der Kinder- und Jugendhilfe zur Pflicht, fachliche Standards zum Kinderschutz zu entwickeln, anzuwenden und regelmäßig zu überprüfen", erklärt Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Dort, wo das Gesetz nicht greift, sollen die Standards über Förderrichtlinien und Selbstverpflichtungen verbindlich gemacht werden. Neben den Standards soll als weiteres Instrument das erweiterte Führungszeugnis verankert werden. "Um die Einführung von Standards voranzubringen, werden wir für Einrichtungen einen allgemeinen Anspruch auf fachliche Begleitung schaffen, aber auch auf Beratung im Einzelfall. Damit stellen wir sicher, dass immer dann, wenn ein konkreter Verdachtsfall auftritt, qualifizierte Beratung und schnelle Hilfe möglich ist", so Schröder weiter. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat dem Runden Tisch heute den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs vorgestellt. "Damit münden die bisherigen sehr konstruktiven Beratungen und Beschlüsse der von mir geleiteten Arbeitsgruppe Justiz in konkrete Gesetzgebung, um den Schutz der Betroffenen in Ermittlungs- und Strafverfahren zu stärken", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. "Ein Opfer darf unter keinen Umständen durch besonders belastende Umstände eines Strafverfahrens zum zweiten Mal zum Opfer werden." Damit Opfer sexualisierter Gewalt ihre Schadensersatzansprüche gegen Täter und mitverantwortliche Dritte besser durchsetzen könnten, "sollen mit dem Gesetzentwurf auch die zivilrechtlichen Verjährungsfristen für Ansprüche wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung von drei auf  30 Jahre verlängert werden", so die Bundesjustizministerin weiter. Leutheusser-Schnarrenberger zeigte sich zuversichtlich, dass ihre Arbeitsgruppe sich bis Anfang 2011 auch auf Leitlinien zur möglichst frühen und effektiven Einschaltung von Strafverfolgungsbehörden bei tatsächlichen Anhaltspunkten für sexuellen Missbrauch verständigen werde - als Modell für eine Selbstverpflichtung betroffener Institutionen: "Ziel der Leitlinien ist es, die Vertuschung von sexueller Gewalt gegen Kinder oder Jugendlichen aus Eigeninteresse der Institutionen zu verhindern", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Für das kommende Jahr will der Runde Tisch seine Arbeit fortsetzen und weitere Maßnahmen auf den Weg bringen. Am Ende des Jahres 2011 soll ein Abschlussbericht vorgelegt werden. Einfließen werden darin sowohl die Ergebnisse der Arbeitsgruppen als auch die Empfehlungen von Christine Bergmann, der Unabhängigen Beauftragten zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs. Bergmann berichtete auf dem heutigen Treffen vom Gespräch mit Betroffenen, das sie Mitte November in Berlin organisiert hatte und an dem neben zahlreichen anderen Vertreterinnen und Vertretern des Runden Tisches auch die drei Ministerinnen teilnahmen. Eine Halbjahresbilanz zur telefonischen Anlaufstelle hatte Bergmann bereits vergangene Woche vorgestellt, sie ist im Internet zu finden unter http://www.beauftragte-missbrauch.de.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 01.12.2010
http://www.bmfsfj.de