Ambulanter Versorgung von psychisch kranken Menschen fehlen finanzielle Mittel

17.05.2011 | Gesundheitswesen | Nachrichten

Der aktuell von der DAK vorgelegte Gesundheitsreport 2011 weist aus, dass die Zahl psychischer Erkrankungen bei Arbeitnehmern in Deutschland im Jahr 2010 so stark angestiegen ist wie noch nie. Es gab im Jahr 2010 13,5% mehr Krankheitstage wegen psychischer Leiden im Vergleich zum Vorjahr. Depressionen, und andere psychische Erkrankungen machten 1/8 des gesamten Krankenstandes aus. Damit spielen diese Diagnosen eine fast doppelt so große Rolle wie noch 1998. Insgesamt blieb der Krankenstand mit 3,4% im Wirtschaftsaufschwung unverändert. Auch bei jungen Arbeitnehmern sind psychische Erkrankungen auf dem Vormarsch, jeder 10. Arbeitnehmer zwischen 15 und 29 Jahren hat Schmerzen oder andere körperliche Probleme ohne organische Ursache, oft begleitet von Depressionen. Knapp 6% haben Anpassungsstörungen, also Probleme, mit wichtigen Lebensveränderungen umzugehen. Durch die deutliche Zunahme seelischer Störungen in der Bevölkerung verschärft sich die Situation bei der ambulanten nervenärztlichen und psychiatrischen Versorgung weiter. „Zurückzuführen ist diese mittlerweile dramatische Entwicklung auf fehlende finanzielle Mittel für die Behandlung psychisch kranker Menschen“, beklagt der Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte (BVDN), Frank Bergmann. „In der Vergangenheit wurden in psychiatrischen Kliniken massiv Behandlungsplätze abgebaut. Die frei gewordenen finanziellen Mittel wurden aber nicht genutzt, um die Patienten vermehrt von niedergelassenen Nervenärzten und Psychiatern behandeln zu lassen. Ohne dass sich in der ambulanten Versorgung merklich etwas geändert hat, stehen wir nun einer immer größer werden Zahl an Patienten gegenüber.“
Das Ergebnis: Patienten mit einer seelischen Störung müssen immer länger auf einen Arzttermin warten. Um den Patienten-Ansturm zu bewältigen, muss zudem häufig die Zahl der Behandlungstermine verringert werden, worunter nicht selten auch der Behandlungserfolg leidet. „Seit Jahren wird die Zunahme seelischer Erkrankungen prognostiziert und dann auch bestätigt, ohne dass die ambulanten Versorgungsstrukturen dieser Entwicklung angepasst werden“, erklärt Bergmann.

Missstände seit Jahren bekannt

Wiederholt machten die neuropsychiatrischen Berufsverbände der Deutschen Nervenärzte, Deutscher Neurologen und Deutscher Psychiater auf die Missstände aufmerksam. So wiesen die Verbände im Jahr 2007 in einem Gutachten (IGES) darauf hin, dass die Versorgung von Patienten mit neurologischen und psychischen Erkrankungen durch niedergelassene Fachärzte gestärkt werden müsse. „Bei Patienten mit einer Depression beispielsweise sind die Heilungschancen am größten, wenn die Behandlung schnell erfolgt und der behandelnde Psychiater oder auch Hausarzt sie häufiger sieht“, betont Bergmann. Insbesondere die Verbesserung an der Schnittstelle zwischen hausärztlicher und nervenärztlicher Behandlung sowie intensivierte Patientenaufklärung und Information durch Psychoedukationsprogramme zeigte gute Erfolge in der Behandlung depressiver Patienten. „In diesem Zusammenhang ist es unbegreiflich, dass die Möglichkeit, psychisch Kranke mit wiederholten psychiatrischen Gesprächen engmaschig im Quartal zu behandeln aufgrund irrationaler Leistungsausweitungen in den anderen Fachbereichen bereits nach 12 Monaten wieder abgeschafft wurde. Dies war ein verhängnisvoller Fehler. Die jüngsten Zahlen des DAK-Gesundheitsreports belegen erneut eindrucksvoll die zunehmende Bedeutung seelischer Erkrankungen. Darauf muss nun endlich reagiert werden“, fordert Bergmann. Lesen Sie hierzu auch den Kommentar von Dr. Heiner Melchinger, Arbeitsbereich Versorgungsforschung

Quelle: Pressemitteilung des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte (BVDN) vom 22.02.2011
http://www.bvdn.de