Auftrag, Aufgaben und Zukunft des ASD/KSD
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Allgemeiner Sozialer Dienst/Kommunaler Sozialer Dienst (BAG ASD/KSD) hat unter dem Titel "Auftrag, Aufgaben und Zukunft des ASD/KSD" Elemente eines Rahmenprofils für den ASD/KSD entwickelt. Damit möchte die BAG ASD/KSD einen Beitrag zu einer bundesweiten Diskussion zur Profilbildung und Entwicklung eines kommunenübergreifenden Profils des ASD/KSD leisten.
Profilelemente des ASD/KSD – Die Bundesarbeitsgemeinschaft Allgemeiner Sozialer Dienst/Kommunaler Sozialer Dienst (BAG ASD/KSD) stellt zur Diskussion
Der ASD/KSD ist eine wesentliche Schaltstelle für die Verteilung und die Qualität sozialer Dienstleistungen auf kommunaler Ebene. Er bewegt dabei erhebliche monetäre Mittel. Bisher liegt jedoch kein bundesweit abgestimmtes und allgemein anerkanntes Profil dieses Arbeitsfeldes vor. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie sind zu suchen in der kommunalen Vereinzelung der ASD/KSDs vor Ort, in der Breite seines Leistungs- und Aufgabenspektrums und in der bundesweiten Diversität seiner aufgabenbezogenen und organisatorischen Erscheinungsformen. Die Entwicklung eines kommunenübergreifenden Rahmenprofils stellt jedoch eine wichtige Zukunftsaufgabe für den ASD/KSD dar. Nur auf dieser Basis kann sich das Arbeitsfeld – systemtheoretisch gesprochen – seiner äußeren Grenzen und binnenstrukturellen Merkmale versichern und sowohl in der Selbst-, als auch in der Fremdwahrnehmung deutlich machen, was den ASD/KSD von anderen sozialen Diensten unterscheidet. Eine solche Klarheit über das eigene Profil jenseits kommunaler Spezifika ist wiederum eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der ASD/KSD vor Ort unangemessene an ihn gerichtete Anforderungen abwehren, sinnvolle Innovationen anregen und umsetzen sowie sich auf seine orginären Aufgaben konzentrieren kann. Gerade in Zeiten abnehmender bzw. stagnierender Gestaltungsspielräume bei gleichzeitig zunehmenden fachlichen Herausforderungen ist eine gemeinsame kommunenübergreifende profilbildende Grundlage für die Gewährleistung bzw. Weiterentwicklung der Professionalität und Fachlichkeit des Arbeitsfeldes - und damit seiner Zukunftsfähigkeit - unerlässlich. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Allgemeiner Sozialer Dienst/Kommunaler Sozialer Dienst (BAG ASD/KSD) hat unter dem Titel „Auftrag, Aufgaben und Zukunft des ASD/KSD“ Elemente eines Rahmenprofils für den ASD/KSD entwickelt [1], die nachfolgend vorgestellt werden. Sie möchte damit einen Beitrag zu einer bundesweiten Diskussion zur Profilbildung und Entwicklung eines kommunenübergreifenden Profils des ASD/KSD leisten:Auftrag, Aufgaben und Zukunft des ASD/KSD
Funktion und Aufgaben des ASD/KSD
Der gesellschaftliche Auftrag des ASD/KSD ergibt sich aus dem Sozial- und Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes und den darauf bezogenen Sozialgesetzen. Das in Artikel 20 des Grundgesetzes verankerte Sozialstaatsprinzip verpflichtet die Träger staatlicher Gewalt, zeitgemäße soziale Leistungen anzubieten, und diese so wirksam wie möglich zu gestalten, um die Würde und das Wohl der Bürger und Bürgerinnen zu achten und zu fördern. Der ASD/KSD ist eine sozialpädagogische Fachbehörde mit mediatorischer Funktion: Er vermittelt zwischen gesellschaftlichen Erwartungen und Anforderungen auf der einen Seite und den Bedürfnissen, Zielvorstellungen und Potentialen der Adressaten auf der anderen Seite. Der ASD/KSD ist vom Prinzip der umfassendste Basisdienst für soziale Leistungen auf kommunaler Ebene. Die öffentliche Hand erbringt hier in der Regel nicht selbst Leistungen sondern gewährt und garantiert die Leistungserbringung und deren Qualität, Effektivität und Effizienz. Dem ASD/KSD kommt dabei eine umfassende querschnittsbezogene Informations-, Verteilungs- und Steuerungsfunktion zu. Dies vollzieht sich vor allem im Rahmen des SGB I – XII, z.B. bei den Hilfen zur Erziehung (HzE) über die Hilfeplanung nach §§ 36/36a SGB VIII. Der ASD/KSD erfüllt diese Querschnittsaufgaben indem er zielgruppen- und problemübergreifend sowie ressort- und ämterübergreifend eine ganzheitlich konzipierte Unterstützung und Förderung bietet. Dies geschieht durch Informationen der Adressaten über Leistungsansprüche und Leistungsangebote, durch Beratung und Unterstützung, durch Gewährung und Vermittlung ambulanter, teilstationärer und stationärer Hilfen und durch Hilfe in Form von Interventionen zum Schutz von Gefährdeten, insbesondere Kinder und Jugendlichen. Diese kompensatorische Funktion erfüllt der ASD/KSD, je nach kommunalen Aufgabenzuschnitten, durch eine große Bandbreite von Dienstleistungen für unterschiedliche Zielgruppen in ihren Lebenswelten:- Beratung in Fragen der Erziehung bei Konflikten, Entwicklungs- und Schulproblemen, Partnerschaft, Trennung und Scheidung sowie des Umgangsrechts,
- Vermittlung von geeigneten und qualifizierten Jugendhilfemaßnahmen (Hilfe zur Erziehung, wie Erziehungsbeistandschaft, Sozialpädagogische Familienhilfe, Pflegefamilie, Heimerziehung),
- Krisenintervention und Schutz für Kinder und Jugendliche bei körperlicher, seelischer und sexueller Misshandlung und/oder Vernachlässigung,
- Beratung zu Fragen sozialer Hilfe, wie Schuldnerberatung, Gesundheits- und Krankenhilfe, Altenhilfe sowie Integrationshilfen für besondere Gruppen (z. B. für Behinderte, Ausländer/innen) und Vermittlung dieser.
- Mitwirkung bei Entscheidungen des Familien- und Jugendgerichts (z.B. bei Gefährdung des Kindeswohls, Regelung der elterlichen Sorge bei Scheidung, Jugendgerichtshilfe).
Stärken, Potentiale und Entwicklungshemmnisse
Der ASD/KSD ist wie kaum eine andere Organisationseinheit in der Sozialen Arbeit ein Spezialist für das Allgemeine. Als umfassender Basisdienst für soziale Leistungen, der auf eine generalistische Kompetenz seiner regional gut vernetzten Fachkräfte zurückgreifen kann, sichert er die psychosoziale Grundversorgung. Neben der dezentral organisierten Zuständigkeit für bestimmte Sozialräume (Bezirke) tragen dezentrale Standorte der Teams oder zumindest dezentrale Sprechstunden, sowie sozialraumbezogene Aktivitäten (Teilnahme an bürgerschaftlichen Aktivitäten, Unterstützung von Selbsthilfe etc.) und die regionale Vernetzung mit den sozialpolitisch relevanten Diensten und Einrichtungen zu einer detaillierten lebensweltnahen Kenntnis der Entwicklungen vor Ort bei. Dies ist die Grundlage für sozialplanerisch aktives und präventives Handeln im Sinne allgemeiner und primärer Prävention, z.B. zur Vermeidung von Marginalisierungsprozessen. Auf dieser Basis agiert der ASD/KSD in Spannungsfeldern, die nicht aufgelöst, deren Widersprüche in der Regel nur ausbalanciert werden können. Ein Spannungsfeld resultiert aus dem Gegensatz des Rechtsanspruches auf „angemessene“ Hilfen und knappen Haushaltsressourcen der unterfinanzierten Kommunen. Das ungewisse Fallaufkommen und der nicht genau prognostizierbare Hilfebedarf verlangen ein flexibles und rasches Reagieren. Haushaltsengpässe und die Festlegung von Kostengrößen und Kennzahlen verlangen eine Ergebnis- und Prozessqualität, die fachlichen Standards und solchen Unwägbarkeiten Rechnung trägt. Die Wirtschaftlichkeit der Hilfen hat ihre rechtsstaatliche Begrenzung insoweit als der individuelle Rechtsanspruch vor Eingriffen der Kämmerei aus reinen Kostenerwägungen geschützt ist. Dem ASD/KSD kommt auch hier ein sozialpolitisches „Wächteramt“ zu. Der ASD/KSD agiert außerdem im Spannungsfeld von Hilfe und Eingriff, das aus dem staatlichen „Wächteramt“ des öffentlichen Jugendhilfeträgers resultiert (Art. 6, Absatz 2, Satz 2 GG). Den Fachkräften wird daher der Spagat abverlangt, einerseits Familien zu schützen (und damit dem grundgesetzlich verbrieften Elternrecht Rechnung zu tragen) und andererseits Kinder zu schützen, wenn das Wohl des jungen Menschen gefährdet ist (§ 8a SGB VIII). Der ASD/KSD gerät zunehmend unter Spezialisierungsdruck. Seine generalistische Arbeitsweise wird durch die Auslagerung von Spezialaufgaben untergraben, seine umfassenden Kompetenzen durch die Konzentration auf Akuthilfen ausgehöhlt. Fachkräfte, die immer weniger direkten Adressatenkontakt haben und aus erster Hand erworbene Kenntnisse der Fallgeschichte und Fallentwicklung besitzen, können sich nur begrenzt ein eigenständiges fachliches Urteil zum Hilfebedarf und zur Effektivität der Hilfen bilden und können dann auch keine effektive Steuerung des Hilfeprozesses mehr garantieren. Der ASD/KSD ist damit in Gefahr, auf eine reine Verteilerfunktion und Dienstleistungskoordination reduziert zu werden - ohne inhaltliche Steuerung. Die Anzahl der in den letzten Jahren eingereichten formalen „Überlastungsanzeigen“ weisen nicht nur auf eine quantitativ zunehmende Aufgabensteigerung, sondern auch auf eine zunehmende Überlastung durch die Komplexität der Aufgaben und den hohen Verantwortungsdruck der Mitarbeiter/-innen hin. Bisher fehlt es weitgehend an konkreten Aufgaben- und Anforderungsprofilen, die zumindest über Eckdaten Personalforderungen begründen könnten. Dies wäre zugleich eine Maßnahme der Schaffung qualifizierter Voraussetzungen für Personalentwicklung durch Fortbildung, Supervision, Coaching, Mitarbeitergespräche und Vorgesetztenbeurteilungen. Es wird zunehmend schwerer neue Mitarbeiter/-innen für den ASD/KSD zu gewinnen bzw. die Abwanderung erfahrener Mitarbeiter/-innen in weniger komplexe, anspruchsvolle und belastende Arbeitsfelder zu verhindern. Auch hier gilt es, den ASD/KSD zukunftsfähig zu machen.Zukunftsfähigkeit des ASD/KSD
Die gewachsenen Anforderungen an den ASD/KSD (Zunahme an Fallzahlen, Fallkomplexität, Chronifizierung und Dringlichkeit der Probleme) und seine umfassende Aufgabenstellung als sozialer Basisdienst für komplexe Problemlagen legt für die weitere Entwicklung des ASD/KSD folgende Überlegungen nahe:- Eine Klärung der Funktion des ASD/KSD im kommunalen Geflecht spezialisierter Dienste mit einer Definition der zentralen, unverzichtbaren Aufgaben. Der kontinuierliche Abbau der direkten Arbeit mit den Adressaten zu Gunsten des Fall-Management, bzw. eine fachlich unangemessene Technokratisierung und Überregulierung der Arbeit im Rahmen eines als ‚Case Management‘ missverstandenen Handlungsansatzes ist ebenso kritisch zu analysieren, wie die Verlagerung orginärer Aufgaben des ASD/KSD. Es gilt 1) eine gelingende Balance zwischen adressatenbezogener Beratung und Unterstützung und der Wahrnehmung der Vermittlungs- und Steuerungsfunktion zu finden und 2) zu klären, welche Leistungen (Beratung, Therapie, Diagnostik, Krisendienste) unverzichtbar für eine integrierte Aufgabenverantwortung sind und daher nicht an Dritte ausgelagert werden dürfen.
- Eine genaue Bestimmung von Arbeits- und Organisationsprinzipien (wie Case Management, Sozialraumorientierung, Ko-Produktion, Prävention, nachgehende Betreuung und ihre methodische Umsetzung) muss diese Funktionsklärung ergänzen. Die Notwendigkeit einer methodisch reflektierten Beziehungsgestaltung als Bestandteil des Case Management und als Voraussetzung wirksamer Hilfeprozesse in arbeitsteilig operierenden Organisationen wäre dabei konzeptionell zu verdeutlichen.
- „Sozialraumorientierung“ kann der Vernetzung von Diensten und Einrichtungen und/oder der Bündelung informeller Ressourcen von Adressaten und/oder der Aktivierung von Bewohner/-innen eines Sozialraums dienen. In der Praxis werden Aspekte des Lebensweltansatzes, des Neuen Steuerungsmodells, der Netzwerkentwicklung, der Gemeinwesenarbeit und des Empowerment vermischt. Ob bzw. wie die Sozialraumorientierung eine bessere Wirkung erreicht, bleibt zu klären. Die Zukunftsaufgabe besteht darin eine produktive Balance von fallspezifischer und fallübergreifender Arbeit zu bestimmen und die soziale Infrastruktur im Sozialraum mitzugestalten.
- Das Kompetenzprofil des ASD/KSD ist zu schärfen, unter anderem, weil Personalrekrutierung, Personalentwicklung und Personalpflege davon abhängig sind.
- Grundlagen für die plausible Berechnung einer adäquaten Personalbemessung für den ASD fehlen oder sind umstritten. Hier gilt es möglichst vielfältige Modelle zu entwickeln, zu erproben und zu evaluieren. Neben der direkten Arbeit mit den Adressaten sind dabei Bedarfe für sozialplanerische, sozialraumorientierte und sozialpolitische Aktivitäten zu berücksichtigen.
- Konzepte der team- und regionalbezogenen Kooperationen und der ressortübergreifenden Teilspezialisierung über Vertiefungsgebiete hinaus, sind systematisch zu entwickeln und zu erproben, um einer weiteren Ausdünnung der fachlichen Zuständigkeiten und Kompetenzen entgegenzutreten und die generalistische Grundkompetenz des ASD/KSD zu erhalten und zu ergänzen;
- Zu klären ist auch, welche Verfahren und Instrumente (z.B. EDV-gestützte Diagnose-, Dokumentations- und Evaluationsverfahren) mit welchem Standardisierungsgrad hinreichend flexibel und einzelfallspezifisch sind, um die Arbeit der Fachkräfte des ASD/KSD angemessen abzubilden und zu unterstützen.
- Eine systematische Einarbeitung neuer Mitarbeiter/-innen, und eine sorgfältige Personalpflege und –entwicklung sind Grundvoraussetzung der Zukunftsfähigkeit des ASD/KSD.
- Prof. Dr. Ingrid Gissel-Palkovich (Vorsitzende der BAG ASD/KSD): ingrid.gissel-palkovich@fh-kiel.de;
- Prof. Dr. Maja Heiner: maja.heiner@uni-tuebingen.de;
- Jürgen Termath: jürgen.termath@pulheim.de;
- Prof. Dr. Herbert Bassarak: herbert@bassarak.de;
- Anselm Brößkamp: anselm.broesskamp@kreis-ploen.de.
[1] Das Papier wurde auf der Mitgliederversammlung am 16.4.2010 vorgestellt und diskutiert und vom Vorstand der BAG ASD/KSD verabschiedet.