Behandlungsangebote für psychisch kranke Menschen besser verknüpfen
Träger psychiatrischer Krankenhäuser fordern bessere Verzahnung von stationärer und ambulanter Behandlung
Irsee - Nur wenn der Ablauf der ambulanten und stationären psychiatrischen Behandlung optimiert wird, können die knapper werdenden finanziellen Ressourcen effizienter eingesetzt werden. Die Krankenkassen sollten mit den Kliniken mehr integrierte Versorgungsverträge abschließen. Gleichzeitig ist der Gesetzgeber aufgerufen, die Zugangshürden zu sektorenübergreifenden Angeboten zu beseitigen. Am 11.11.2011 zogen die 45 Mitglieder der Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger Psychiatrischer Krankenhäuser (BAG), die zwei Drittel der deutschen Krankenhauspsychiatrie repräsentieren, dieses Resümee bei ihrer Herbsttagung im Kloster Irsee im Bezirk Schwaben: Das therapeutische Angebot für Menschen mit psychischen Erkrankungen muss sektoren- und disziplinübergreifend besser miteinander verknüpft werden. „Psychische Erkrankungen sind längst zu einer Volkskrankheit geworden, die Kosten in Höhe von jährlich rund 29 Milliarden Euro verursachen“, erklärte der BAG-Vorsitzende Joachim Hübner. Besorgt registriert die BAG die steigenden Patientenzahlen und die damit verbundenen Herausforderungen für das Gesundheitswesen. Statistiken mehrerer deutscher Krankenkassen zeigen, dass die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Störungen inzwischen an zweiter Stelle aller Krankheitsdiagnosen liegt. Die Fallzahl ist in den letzten zehn Jahren um über 40 Prozent gestiegen. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung entfiel fast ein Drittel aller Frühberentungen wegen Erwerbsminderung auf psychische Störungen. Eine Behandlung, die kontinuierlich vom stationären in den ambulanten Sektor überleitet, ist noch die Ausnahme, nicht die Regel, so Hübner. Knapp die Hälfte aller Wiederaufnahmen erfolgt in den ersten drei Monaten nach der stationären Entlassung. Es müssen also nicht nur die Klinikambulanzen mit ihren multiprofessionellen Behandlungsteams intensiver in die Nachsorge eingebunden werden, sondern auch die ambulante psychiatrische Pflege bzw. die medizinische Rehabilitation. „Die notwendige Verknüpfung der Leistungsangebote wird aber durch das geltende Finanzierungssystem und seine unterschiedlichen Abrechnungswegen erschwert“, erklärt der BAG-Vorsitzende. Die Klinikträger appellieren an die Krankenkassen, verstärkt von der gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch zu machen, mit Kliniken Komplexleistungsvereinbarungen abzuschließen. Damit werden die in unterschiedlichen Sektoren erbrachten Leistungen pauschal nach einer einheitlichen Systematik abgerechnet. Allerdings müssten auch hier noch die Zugangshürden beseitigt werden. Denn wenn sich ein Patient erst in ein solches Versorgungsprogramm einschreiben muss, limitiert das die Inanspruchnahme dieser Leistung. Die BAG-Psychiatrieträger wollen deshalb, dass der Gesetzgeber sektorenübergreifende Komplexleistungen für psychisch kranke Menschen zur Regelleistung erklärt. Um die klinische Behandlung in der Psychiatrie optimieren zu können, müssen die Ärzte vom administrativen Aufwand entlastet werden. Deshalb lehnen die BAG-Mitglieder die vom Bundesgesetzgeber beabsichtigte bundeseinheitliche Leistungsdokumentation der Institutsambulanzen ab. Sie ist zur Erfüllung des gesetzlichen Prüfauftrags nicht notwendig. Der soll ermitteln, ob die Klinikambulanzen in das neue Krankenhausentgeltsystem einbezogen werden sollen. „Die Kodierrichtlinie für niedergelassene Ärzte ist wegen des zu hohen bürokratischen Aufwandes gerade wieder zurückgenommen worden. Ich kann deshalb nicht akzeptieren, dass den Klinikambulanzen unnötiger Dokumentationsaufwand aufgebürdet werden soll“, erklärt Joachim Hübner.Hintergrund
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger psychiatrischer Fachkrankenhäuser (BAG) ist ein Zusammenschluss der psychiatrischen Fachkrankenhäuser Deutschlands. In ihr sind staatliche, kommunale, kirchliche, freigemeinnützige und private Krankenhausträger aus allen Bundesländern vertreten. Sie repräsentiert mit rund 60.000 Betten und Plätzen rund zwei Drittel aller psychiatrischen, kinder- und jugendpsychiatrischen und forensischen betten in Deutschland. Die BAG-Mitglieder betreiben Fachkrankenhäuser für Psychiatrie und Psychotherapie, Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Kliniken und Abteilungen für forensische Psychiatrie, neurologische und psychosomatische Abteilungen, Rehabilitationseinrichtungen, Wohn und Pflegeheime für seelisch behinderte Menschen und Heilpädagogische Einrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung. Die Klinken verfügen über psychiatrische Institutsambulanzen und teilstationäre Behandlungsmöglichkeiten. Die BAG vertritt die Interessen ihrer Mitglieder, stimmt gemeinsame Strategien ab, entwickelt neue Versorgungskonzepte und Finanzierungsmodelle und pflegt den Erfahrungsaustausch.Quelle: Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Träger psychiatrischer Fachkrankenhäuser (BAG) vom 11.11.2011
http://www.vitos.de/holding/partner/bag-psychiatrie/aktuelles.html