Berauschte Kinder: Eltern wünschen Suchthilfe im Wohnzimmer

Neue Wege gegen Beratungsscheu und Furcht vor Abstempelung gesucht

Westfalen (lwl). Eltern meiden Profi-Berater, wenn ihr Kind im Teenie-Alter plötzlich kifft, trinkt oder raucht. Statt bei Suchtexperten holen sich 70 Prozent erstmal bei Verwandten oder Freunden Rat. Wenn überhaupt, dann würden Betroffene ihr Problem am liebsten vertraulich und diskret bei sich zu Hause mit einem Fachmann von außen besprechen. Das hat eine Befragung der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) und des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) unter 120 Müttern und Vätern von Zwölf- bis 18-Jährigen ergeben. Furcht vor Abstempelung und Stigmatisierung vermuten Fachleute hinter der elterlichen Scheu gegenüber offiziellen Anlaufstellen. "Unkenntnis ist es jedenfalls nicht, was Eltern zu Suchtberatungsstellen, Jugend- oder Gesundheitsämtern, Ärzten oder polizeilichen Fachkräften mehrheitlich Distanz halten lässt", sagt LWL-Jugenddezernent Hans Meyer. Den meisten Eltern seien professionelle Hilfeangebote durchaus bekannt. Starken Beratungsbedarf gebe es laut Umfrage außer zum jugendlichen Rauschmittelkonsum auch zu Erziehungsfragen wie Computersucht oder Mobbing und Gewalt unter Jugendlichen.

Die Ergebnisse der Befragung durch das Institut für Psychologie der Uni Hildesheim bilden die Basis für das Gemeinschaftsprojekt "Eltern.aktiv". DHS und LWL wollen dabei zusammen mit Jugendämtern bis zum Herbst 2011 in zwölf deutschen Städten und Kreisen - in Westfalen Dortmund, Paderborn, Rheine, Beckum/Oelde und der Märkische Kreis - Beratungsangebote neu auf die Wünsche der Eltern zuschneiden. Dazu gehört neben verbesserten Informationen bei Elternabenden und Unterrichtsinhalten in Schulen sowie der Schaltung von anonymen Elterntelefonen auch der vertrauliche Hausbesuch von professionellen Beratern.

Stark nachgefragt bleibt ein neuer Infoflyer, in dem die beiden Projektträger Eltern einen kompakten Kurzüberblick über legale und illegale Rauschmittel, über die Kommunikation mit gefährdeten pubertierenden Jugendlichen und über örtliche Hilfeangebote geben. In Papierform wurde der Flyer bundesweit schon 40.000 Mal verteilt. Er ist im Internet abrufbar unter http://www.dhs.de oder http://www.lwl-ks.de.

Hintergrund

Das Einstiegsalter beim Alkoholkonsum Jugendlicher liegt bei 13,2 Jahren, das des ersten Alkoholrausches bei 13,9 Jahren. Die Zahlen der mit einer Alkoholvergiftung in Krankenhäusern behandelten Jugendlichen steigen. Das Einstiegsalter beim Tabakrauchen beträgt aktuell 13,6 Jahre. Knapp jedes fünfte Kind hat bereits vor dem 14. Lebensjahr mindestens einmal Cannabis geraucht. Drogen gehören - ob legal oder illegal - zum Alltag vieler junger Menschen.

Der LWL im Überblick

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 13.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 20 Krankenhäuser, 17 Museen und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, den ein Parlament mit 101 Mitgliedern aus den Kommunen kontrolliert.

Quelle: Pressemitteilung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) vom 29.04.2011
http://www.lwl.org