Eltern wünschen sich mehr staatliche Unterstützung für die Bildung ihrer Kinder
Allensbach-Studie im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland zu Bildungsambitionen und Erziehungszielen von Eltern in Deutschland
Gute Bildung ist entscheidend / Elterlicher Bildungshintergrund prägt Schulkarriere der Kinder / Förderung der Kinder belastet sozial schwächere Eltern am stärksten / Zweifel an Chancengleichheit von Kindern mit Migrationshintergrund / Schulische Integration aber überwiegend positiv beurteilt / Skepsis gegenüber vorschulischer BildungDüsseldorf/Berlin – Eltern in Deutschland sind sich einig: Eine gute Bildung ist die entscheidende Voraussetzung für den beruflichen Erfolg ihrer Kinder. 94 Prozent der Eltern verbinden mit guter Bildung zugleich bessere Chancen im Beruf, 83 Prozent sehen in guter Bildung zudem die Bas is für berufliche Aufstiegsmöglichkeiten. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie mit dem Titel „Zwischen Ehrgeiz und Überforderung: Eine Studie zu Bildungsambitionen und Erziehungszielen von Eltern in Deutschland“, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland durchgeführt hat. Befragt wurden 1.256 repräsentativ ausgewählte Eltern, darunter 214 Eltern mit türkischem Migrationshintergrund. Primär besteht gute Bildung für mehr als drei Viertel der befragten Eltern (76 Prozent) zunächst in einem breiten Wissen. Naturwissenschaftliche Kenntnisse hingegen gehören nur für gut ein Viertel der Befragten (27 Prozent) dazu. Die Definition des Bildungskanons ist jedoch abhängig vom eigenen Bildungshintergrund der Eltern und deren gesellschaftlich-sozialem Status.
Breites Wissen, Sprachvermögen und Manieren sind Kernbestand guter Bildung
Neben breitem Wissen gehört ein gutes sprachliches Ausdrucksverfmögen für 70 Prozent aller Eltern „unbedingt“ zu guter Bildung. Fremdsprachenkenntnisse sind ebenfalls noch für die Hälfte der Eltern Ausdruck guter Bildung, gleichauf mit guten Manieren. Erweitert wird dieser Kernbestand von originären Schulbildungsaspekten, die für Eltern zwar „auch noch“ wichtig, aber eher sekundär für eine gute Bildung sind. Neben naturwissenschaftlichen Kenntnissen gilt dies vor allem für wirtschaftliches Verständnis (28 Prozent) und gute Geschichtskenntnisse (23 Prozent). Musik, Philosophie und Religion bleiben im Bildungsbegriff der meisten Eltern hingegen außen vor. Lediglich für 27 Prozent der Eltern mit türkischem Migrationshintergrund gehört die Beschäftigung mit religiösen Fragen unbedingt zu einer guten Bildung.Schichtspezifische Einstellungen zu Bildungskanon und Förderung der Kinder
Teilweise zeigen sich jedoch deutliche gesellschaftliche Unterschiede in der Definition des Bildungskanons. So ist etwa Medienkompetenz für 56 Prozent der sozial besser gestellten Eltern Ausdruck guter Bildung , gegenüber nur 31 Prozent der Eltern aus sozial schwächeren Gesellschaftsschichten. Handwerkliches Geschick hingegen ist für Letztere (18 Prozent) deutlich wichtiger als für Erstere (8 Prozent). Auch das Bild von einer optimalen Förderung der Kinder unterscheidet sich teils stark. Während etwa die gezielte Wahl einer guten Schule für 61 Prozent der sozial besser gestellten Eltern besonders wichtig ist, gilt dies nur für 36 Prozent der sozial schwächeren Eltern. „Diese enge Korrelation zwischen der Bildung der Eltern und dem Bildungsweg der Kinder ist im internationalen Vergleich ungewöhnlich und unbefriedigend, belegt sie doch, dass Bildung in Deutschland in hohem Maße gleichsam ‚vererbt‘ wird“, kommentiert Prof. Dr. Renate Köcher, Leiterin des Instituts für Demoskopie Allensbach.Auswahl der weiterführenden Schule ist Elternsache
Bei der Entscheidung über die Wahl einer weiterführenden Schule möchten 48 Prozent der Eltern das letzte Wort haben. Lediglich 23 Prozent sehen diese Entscheidung bei den Lehrern. Vor allem Eltern aus der Oberschicht legen mit 54 Prozent überdurchschnittlich großen Wert darauf. Bei einer knapp verpassten Gymnasial-Empfehlung würden 56 Prozent dieser Eltern ihr Kind auch gegen die Empfehlung der Lehrer aufs Gymnasium schicken – 14 Prozentpunkte mehr als im Durchschnitt aller Eltern.Angestrebter Bildungsabschluss klar schichtbezogen
Die Studie zeigt, dass die Bildungsambitionen der Eltern davon abhängig sind, welcher gesellschaftlich-sozialen Schicht sie zugehören. So ist das Abitur unter allen Befragten der mit Abstand am meisten gewünschte Schulabschluss (66 Prozent), gefolgt von der Mittleren Reife (23 Prozent) und dem Hauptschulabschluss (3 Prozent), allerdings ist der Wunsch nach dem Abitur der Kinder bei Eltern aus höheren sozialen Schichten mit 91 Prozent mehr als doppelt so stark ausgeprägt wie bei sozial schwächeren Eltern (41 Prozent), die sich für ihre Kinder in fast gleichhohem Maße die Mittlere Reife (38 Prozent) wünschen.Bildungshintergrund der Eltern beeinflusst Bildungskarriere der Kinder
Es wird deutlich, dass der eigene Bildungsgang der Eltern einen sehr großen Einfluss auf die Bildungskarriere der Kinder ausübt. So besuchen die Kinder von mehr als drei Viertel der Eltern mit höherer Schulbildung (77 Prozent) heute selbst ein Gymnasium. Bei Eltern mit mittlerer Schulbildung liegt dieser Wert bei 47 Prozent, bei Eltern mit einfacher Schulbildung nur bei 29 Prozent.Aufstiegserwartungen von Eltern bleiben hinter deren Wünschen zurück
Die Mehrheit aller Eltern (53 Prozent) wäre zufrieden, wenn es ihren Kindern später genauso geht wie ihnen selbst im Moment. 41 Prozent wünschen sich hingegen eine bessere Zukunft für ihre Kinder. Besonders auffällig ist dies unter Eltern mit türkischem Migrationshintergrund (71 Prozent) sowie unter sozial schwächeren Eltern (59 Prozent). Allerdings sind auch diese mit 55 Prozent bzw. 38 Prozent deutlich zurückhaltender in ihrer Prognose, ob dieser Wunsch auch in Erfüllung geht.Mehr staatliche Unterstützung vielfach gewünscht
Insgesamt wünschen sich 40 Prozent aller Eltern in Deutschland eine stärkere staatliche Unterstützung bei der Kinderbetreuung und -erziehung jenseits der Schule. Dies trifft vor allem auf Eltern aus den neuen Bundesländern (50 Prozent) und auf sozial schwächere Eltern (49 Prozent) zu. 62 Prozent der sozial schwächeren Eltern geben zudem an, zur Förderung ihrer Kinder auf einiges oder sogar auf vieles verzichten zu müssen – zwölf Prozentpunkte mehr als der Durchschnitt.Zweifel an Chancengleichheit von Kindern mit Migrationshintergrund
Zwar sehen 43 Prozent aller Eltern die Chancengleichheit an deutschen Schulen für Schüler mit Migrationshintergrund gegeben, allerdings haben auch 38 Prozent nicht diesen Eindruck. Mit 59 Prozent sind Eltern mit türkischem Migrationshintergrund hier besonders skeptisch. Hauptursachen der mangelnden Chancengleichheit sind für alle Eltern unzureichende Deutschkenntnisse der Kinder (87 Prozent), fehlende Unterstützung der Kinder durch ihre Eltern (86 Prozent) bzw. ein zu geringer Gebrauch der deutschen Sprache in den Familien (85 Prozent). In Zuwandererfamilien wird diese Einschätzung zwar weitgehend geteilt, allerdings werden dort auch die Lehrerinnen und Lehrer ausdrücklich für die fehlende Chancengleichheit verantwortlich gemacht. 63 Prozent der Eltern mit türkischem Migrationshintergrund glauben, dass viele Lehrer gegenüber ihren Kindern Vorurteile haben, dass sie diese zu wenig fördern (54 Prozent) oder dass sie diese bei gleicher Leistung schlechter beurteilen als deutsche Schüler (51 Prozent). Vor diesem Hintergrund fällt auf, dass die Befragten mit türkischem Migrationshintergrund überdurchschnittlich engagiert bei der Unterstützung ihrer Kinder sind. 64 Prozent helfen ihren Kindern wenigstens gelegentlich bei den Hausaufgaben – acht Prozentpunkte mehr als der Gesamtdurchschnitt –, obwohl sich diese Eltern damit wesentlich schwerer tun (48 Prozent) als das Mittel aller Eltern (35 Prozent).Schulische Integration überwiegend positiv beurteilt
Trotzdem wird die Integrationsleistung von Schulen überwiegend positiv beurteilt. 72 Prozent aller Eltern von Schulkindern, in deren Klassen Schüler mit Migrationshintergrund lernen, schätzen dies so ein, bei Eltern mit türkischem Migrationshintergrund sind es sogar 79 Prozent. Dabei zeigt die Studie, dass dieses Thema vor allem Großstädte betrifft, wo mehr als zwei Drittel der Eltern (69 Prozent) angeben, dass in den Klassen ihrer Kinder wenigstens ein Viertel aller Schüler aus Zuwandererfamilien kommt.Hohe schulische Anforderungen nur selten gewünscht
Ein hohes Anforderungsniveau macht nur für eine Minderheit der Eltern in Deutschland (32 Prozent) eine gute Schule aus. Wesentlich wichtiger sind hier die gezielte Förderung von Kindern nach deren Begabungen (76 Prozent) sowie spezielle Förderkurse für benachteiligte Schüler (71 Prozent). Dennoch präferieren Eltern Lehrer, die viel fordern und auf Disziplin achten (52 Prozent) bzw. die konsequent in ihrer Benotung sind (53 Prozent). Dies gilt mit 63 Prozent bzw. 66 Prozent insbesondere für die neuen Bundesländer.Allgemeine Zufriedenheit mit Kindergärten aber Skepsis bei vorschulischer Bildung
Insgesamt 90 Prozent aller Eltern mit Kindergartenkindern sind mit der Förderung ihres Kindes dort zufrieden. Zudem befürwortet eine relative Mehrheit (47 Prozent) der Eltern die Vermittlung von schulischen Grundkenntnissen wie Lesen und Schreiben bereits im Kindergarten. 43 Prozent der Eltern halten dies noch für zu früh.Dr. Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung Deutschland: „Besonders Eltern mit Migrationshintergrund, die den sozialen Aufstieg ihrer Kinder ermöglichen wollen, benötigen Unterstützung für eine gute Bildung ihrer Kinder. Familienförderung und Bildungspolitik müssen zusammen gedacht werden. Hier sind Lösungen erforderlich, die das immer noch vorhandene Silodenken überwinden.“
Prof. Klaus Hurrelmann von der Hertie School of Governance weist auf die besondere Funktion von Eltern für die Bildungspolitik in Deutschland hin und plädiert für deren umfassende und auf die Erwartungen und Bedürfnisse der Eltern gerichtete Unterstützung: „Die Studie macht mit großem Nachdruck auf die Schlüsselrolle in der Bildungspolitik aufmerksam, die Eltern nach wie vor haben. Die wichtigste Schlussfolgerung aus dieser Studie ist deshalb, Eltern viel besser als bisher auf diese Rolle vorzubereiten und sie darin zu unterstützen, eine Kooperation mit den öffentlichen Erziehungs- und Bildungsinstitutionen im Sinne einer Erziehungspartnerschaft einzuschlagen. Diese Unterstützung muss alle Eltern erreichen, auch die bisher zurückhaltenden und zögerlichen.“
Hinweis: Die Studie ist als ePub innerhalb der App der Vodafone Stiftung Deutschland im Apple-Store und Android-Market sowie unter www.vodafone-stiftung.de abrufbar.
Hintergrund: Vodafone Stiftung Deutschland
Die Vodafone Stiftung ist eine der großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Deutschland. Unter dem Leitmotiv „Erkennen. Fördern. Bewegen.“ unterstützt die Stiftung als gesellschaftspolitischer Thinktank insbesondere Programme in den Bereichen Bildung, Integration und soziale Mobilität mit dem Ziel, Impulse für den gesellschaftlichen Fortschritt zu geben, die Entwicklungen einer aktiven Bürgergesellschaft zu fördern und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Dabei geht es der Vodafone Stiftung Deutschland vor allem darum, benachteiligten Kindern und Jugendlichen den sozialen Aufstieg zu ermöglichen.Quelle: Pressemitteilung der Vodafone Stiftung Deutschland vom 11.10.2011
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