"Gemeinsam gegen Jugendgewalt":

Experten warnen vor härteren Jugendstrafen und fordern eine spezialisierte Ausbildung von Jugendrichtern und Jugendhelfern

Hamburg/Stuttgart - Auf der Hamburger Tagung "Gemeinsam gegen Jugendgewalt" in Hamburg stellte Prof. Dr. Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, die Ergebnisse seiner Studie vor, die erklärt, warum die Gesamtzahlen im Bereich der Jugendgewalt in Deutschland rückläufig sind: Die Gewalt in der Familie nimmt ab. Pfeiffers Forschungsergebnissen zur Folge hat sich die Zahl der Kinder, die in Familien regelmäßig geschlagen werden, seit den 80er Jahren halbiert. "Die Quote derjenigen, die von ihren Eltern regelmäßig in den Arm genommen worden sind, hat sich gleichzeitig um fast ein Drittel erhöht", so Pfeiffer. "Die eigentlichen gesellschaftlichen und sozialen Ursachen für gravierendes dissoziales Verhalten junger Menschen lassen sich nur durch nachhaltige, faire Sozial-, Familien- und Bildungspolitik beeinflussen", ergänzte Dr. Nadine Bals von der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen. Sie warnte vor härteren Jugendstrafen. Eine Anhebung der Höchststrafe für Jugendliche, Warnschussarrest und andere strafverschärfende Maßnahmen verfehlten ihr Ziel. Bals weiter: "Es ist ein Mythos, mit einer solchen neuen Sanktion Jugendkriminalität verhindern zu können." Vielmehr zeige die Statistik, dass 70 Prozent der Jugendlichen nach einem Freiheitsentzug rückfällig werden. Bals, Expertin für Kriminalprävention, fordert stattdessen eine spezialisierte Aus- und Weiterbildung für alle Jugendrichter und Jugendhelfer im Strafverfahren. Prof. Dr. Michael Göring, Vorstandsvorsitzender der ZEIT-Stiftung, unterstreicht: "Auf Vorfälle extremer Jugendgewalt folgen zumeist Angst und Ratlosigkeit - und der Ruf nach einem verschärften Jugendstrafgesetz. Das Thema "junge Gewalttäter" fordert Experten, Politiker, Medien und die breite Öffentlichkeit heraus. Denn was nützen alle Bildungsanstrengungen, wenn wir es nicht schaffen, das Abdriften von Jugendlichen zu verhindern? Die ZEIT-Stiftung und die Robert Bosch Stiftung stoßen mit der Hamburger Tagung gemeinsam Debatten über mögliche Handlungsstrategien an. Auch darüber hinaus werden wir gemeinsam etwas gegen Jugendgewalt tun. Flankierende Förderprojekte sollen Einrichtungen unterstützen, die Jugendgewalt bekämpfen." "Allein mit härteren Strafen lässt sich das Problem Jugendgewalt nicht lösen", so auch Dr. Ingrid Hamm, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung. "Woher kommt diese Gewaltbereitschaft? Ist das Jugendstrafgesetz überhaupt noch zeitgemäß? Greifen Konzepte wie das Modell "Handeln gegen Jugendgewalt" der Hamburger Behörden? Liegt genügend Kompetenz bei den Jugendrichtern oder müsste ihr Zuständigkeitsbereich um die des Familienrichters erweitert werden? Übernehmen die Medien ihre Verantwortung in dieser Thematik angemessen? Wir wollen Transparenz schaffen, unterschiedlichen Sichtweisen ein Forum bieten und erfolgreiche Präventionskonzepte unterstützen. Die Robert Bosch Stiftung sieht hier vielversprechende Ansätze." "Gemeinsam gegen Jugendgewalt" ist eine Kooperation von der ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius und der Robert Bosch Stiftung. Die Tagung wird am 19. März 2012 in Stuttgart unter dem Schwerpunkt "Prävention" fortgesetzt.

Quelle: Pressemitteilung der Robert Bosch Stiftung vom 14.11.2011
http://www.bosch-stiftung.de