Gewalt ist keine reine Männersache
Geschlechterforscher präsentiert Extra-Ergebnisse aus der 'Männerstudie 2009‘
Münster (lwl). Gewalt gegen andere Menschen - ein "typisch männliches" Verhaltensmuster? "Nein", sagt der Kasseler Wissenschaftler Dr. Peter Döge, "Frauen sind zahlenmäßig fast genauso häufig gewalttätig wie Männer - nur zumeist auf andere Weise." Geschlechtsbezogene Zuschreibungen von Täterschaft und Opferrolle seien oft allzu vordergründig, so Döge bei einer Tagung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Dortmund. 2440 Interview-Fragebögen (von 1470 Männern und 970 Frauen) aus der 'Männerstudie 2009‘, durchgeführt von der Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Gemeinschaft der katholischen Männer (GKMD), hat Geschlechterforscher Döge unter der Fragestellung "Männer - die ewigen Gewalttäter?" einer Sonderauswertung unterzogen. Zentrale Ergebnisse, jetzt von ihm vorgestellt beim Arbeitskreis "Mann & Sucht" der LWL-Koordinationsstelle Sucht:- Zu jeweils etwa gleichen Teilen zeigen sich beide Geschlechter in einer "gewaltaktiven" Täterrolle - nämlich rund 30 Prozent der befragten Frauen und rund 34 Prozent der Männer. Während Männer stärker zu physischer Gewalt tendieren, wenden Frauen daneben eher subtile Formen wie Kontrollgewalt oder verbale Zurechtweisung an. Bei leichteren physischen Gewalthandlungen gibt es kaum einen Unterschied der Geschlechter. Hauptadressaten sind zu etwa gleichen Anteilen von 20 Prozent die jeweiligen Partner/-innen. Laut Döges Analyse ist zudem die oft zitierte häusliche Gewalt keineswegs nur Männersache, Frauen seien nicht minder gewaltorientiert gegenüber Söhnen und Töchtern.
- Bei Männern wie bei Frauen gleichermaßen zeigen Döges Auswertungen, dass junge Menschen im Alter bis zu 25 Jahren gewaltbereiter sind als Befragte mit höherem Lebensalter.
- Hoher Alkoholkonsum verstärkt bei Männern ebenso wie bei Frauen die Gewaltneigung.
- Auch als Opfer von Gewalt liegen die Befragten nahezu gleichauf: 41 Prozent der Frauen und 45 Prozent der Männer haben den Angaben zufolge Gewalthandlungen erlitten, vor allem innerhalb der Familie und zumeist durch Mutter oder Vater. "Dabei erfahren Männer stärker als Frauen körperliche Gewalt, aber in etwa zu gleichen Anteilen wie Frauen auch sexualisierte Gewalt", so Döge.
- Wie eng Täter- und Opferrolle miteinander verwoben sind zeige sich daran, so der Geschlechterforscher weiter, dass bei Gewalttätern beiderlei Geschlechts 80 Prozent nach eigenen Angaben selbst einmal Opfer gewesen sind. 60 Prozent der Opfer wiederum bekennen laut Befragung, dass sie zu Gewalttäterschaft neigen.
Hintergrund
Dr. Peter Döge ist Politikwissenschaftler und Mitglied desGeschäftsführenden Vorstands des Instituts für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung e.V. (IAIZ) in Kassel (www.iaiz.de). Die LWL-Koordinationsstelle Sucht bietet Suchthelfern Fortbildungen und Materialien auch zu geschlechtsspezifischen Fragen rund um das Thema legaler und illegaler Suchtmittelkonsum an. So stellt zum Beispiel das im deutschsprachigen Raum einzigartige Handbuch "Männlichkeiten und Sucht" den Fachleuten außer zum Aspekt 'Gewalt‘ Arbeitsmaterial zu zehn weiteren Handlungsfeldern bereit. Das Handbuch soll helfen, in Einzel- oder Gruppengesprächen mit suchtgefährdeten Männern sensible Themen wie etwa 'Männerfreundschaft‘, 'Sexualität‘ oder 'Spiritualität/Emotionalität‘ zu behandeln. Bestellung: "Männlichkeiten und Sucht" (A4 Ringordner, 245 Seiten, CD-ROM), zweite überarbeitete Auflage, ISSN 0942-2382, Sonderband aus der Reihe FORUM SUCHT, 45 Euro inkl. Verpackung und Porto, beim Herausgeber Landschaftsverband Westfalen-Lippe, LWL-Koordinationsstelle Sucht,Warendorfer Straße 25-27, 48145 Münster per Tel.: 0251 591 5538 (Jörg Körner) oder Mail: joerg.koerner@lwl.org oder unter http://www.maennersache-sucht.de .
Der LWL im Überblick
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 13.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 20 Krankenhäuser, 17 Museen und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, den ein Parlament mit 101 Mitgliedern aus den Kommunen kontrolliert.Quelle: Pressemitteilung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom 04.03.3011
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