Justitia ohne Schwert
Zu dem heute von der Bundesregierung beschlossenen Gesetz zur Förderung der Mediation erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:
Erstmals wird die außergerichtliche und gerichtsinterne Mediation in Deutschland auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Die erstmalige gesetzliche Normierung der Mediation wird zu einer Verbesserung der Streitkultur in Deutschland beitragen, weil sie mehr Chancen für einvernehmlich ausgehandelte Lösungen bietet. Gerichtsverfahren, die viel Zeit, Geld und Nerven kosten, können so vermieden werden. Künftig wird es in der Justiz mehr Eigenverantwortung geben. Justitia wird immer noch eine Waage in der Hand halten, aber immer öfter ohne Schwert auftreten. Die Mediation hat im Vergleich zu Gerichtsverfahren vor allen Dingen einen Vorteil: Einen Verlierer gibt es nicht. Eine Lösung ist nur möglich, wenn beide Streitparteien damit einverstanden sind. Die Bürger erhalten erstmals ein gesetzlich geregeltes Mittel, ihre Streitfälle selbst in die Hand zu nehmen und sie eigenverantwortlich zu entscheiden. Betroffene wissen selbst am besten, wie der Konflikt zu lösen ist. Der Staat gibt den gesetzlichen Rahmen für die Mediation erstmals vor, hält sich aber bei den Zulassungsvoraussetzungen für eine Mediatorentätigkeit zurück. Hierfür sollen die Kammern und Verbände zuständig sein. Jeder zweite in Deutschland ist für diese Form der Streitbeilegung aufgeschlossen, wie eine Umfrage zeigt. Das zeigt, dass die Aussichten, Streitigkeiten mit diesem freiwilligen Verfahren zu lösen, groß sind. Gerade in hochemotionalen Familienkonflikten bietet die Mediation große Chancen. Um den Bürgern die Vertraulichkeit des Mediationsverfahrens zu gewährleisten, sind die Mediatoren zu Verschwiegenheit verpflichtet und haben ein weit gehendes Zeugnisverweigerungsrecht. Damit die Einigungen, die die Parteien in der Mediation erzielen, auch durchsetzbar sind, können sie für vollstreckbar erklärt werden.Zum Hintergrund
Ein Fallbeispiel: Der Sohn soll Alleinerbe sein, seine beiden Schwestern nur den Pflichtteil bekommen. Die drei streiten sich zunächst vor Gericht, stimmen dann aber einer Mediation zu. Dort finden sie heraus, dass die beiden Frauen sich schon immer zurückgesetzt fühlten, was ihrem Bruder gar nicht klar war. Sie einigen sich, dass die Schwestern neben Geld noch verschiedene "Lieblingsstücke" aus dem Nachlass erhalten. Am Ende finden alle drei Geschwister die Lösung gerecht. Durch eine gerichtliche Entscheidung hätte eine solche Lösung niemals herbeigeführt werden können. Hingegen hat das Mediationsverfahren dazu geführt, dass die Geschwister auch heute noch in gutem Kontakt stehen. Mediation - das bedeutet, dass zwei Streitende in einem angeleiteten Verfahren versuchen, sich zu einigen, anstatt sich gleich vor einem Richter zu treffen. In Modellversuchen wird diese Art der Streitbeilegung schon seit einiger Zeit an vielen Stellen ausprobiert. Statistiken zu diesen Modellprojekten an Gerichten in acht Bundesländern zeigen, dass von fast 5000 durchgeführten Mediationsverfahren rund 73 Prozent erfolgreich ausgingen. Sinnvoll ist die Mediation gerade dort, wo es nicht nur darum geht, einen Streit irgendwie zu klären, sondern die Parteien auch hinterher noch miteinander auskommen müssen: In Familien, bei langjährigen Geschäftspartnern, unter Nachbarn. Nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach nimmt jeder zweite Deutsche die Möglichkeit zur Mediation positiv auf und glaubt, dass die Zahl der Prozesse in Deutschland mithilfe von Mediationsverfahren erheblich vermindert werden könnte. Das zeigt, dass es Zeit ist, die Medition aus der Modellphase herauszuholen und auf eine breite gesetzliche Basis zu stellen. Das von der Bundesregierung am 12.01.2011 beschlossene Gesetz regelt sie nun erstmals grundlegend. Das Gesetz beschreibt die unterschiedlichen Formen der Mediation: Sie kann unabhängig von einem Gerichtsverfahren erfolgen (außergerichtliche Mediation), im Verlauf eines Prozesses außerhalb des Gerichts (gerichtsnahe Mediation) oder im Rahmen eines Rechtsstreits mit einem Richter als Mediator, der aber nicht über die Sache selbst entscheiden wird (gerichtsinterne Mediation). Die Mediation wird in Zukunft an Zivil-, Arbeits-, Familien-, Sozial- und Verwaltungsgerichten möglich sein. Voraussetzung für eine Mediation ist, dass die Parteien daran freiwillig teilnehmen und über das, was verhandelt wird, eigenständig entscheiden. Damit keine Partei befürchten muss, dass die Verhandlungsergebnisse später doch noch von einem Richter gegen sie verwendet werden, ist das Verfahren vertraulich. Um diese Vertraulichkeit sicherzustellen, sind die Mediatoren einerseits zu Verschwiegenheit verpflichtet, erhalten aber andererseits in der Zivilprozessordnung ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht. Wenn die Parteien zu einer Einigung kommen, dann können sie diese, zum Beispiel in einem Zivilverfahren vor einem Amtsgericht, für vollstreckbar erklären lassen. Sie erhalten so eine sichere Grundlage für die Folgen ihrer Einigung. Die wichtigsten Regelungen des neuen Gesetzes betreffen die Person des Mediators: Sie muss unabhängig und neutral sein, in der Sache selbst darf sie nicht entscheidungsbefugt sein. Ein Richter, der im Mediationsverfahren mitgewirkt hat, darf anschließend nicht mehr über die Sache selbst entscheiden. Auf Vorschlag einiger Berufsverbände sieht das Gesetz nun vor, dass Richter, die als Mediatoren tätig sind, nicht mehr Befugnisse haben als alle anderen Mediatoren. Insbesondere dürfen sie nun nicht mehr - anders als zunächst vorgesehen - Vergleiche protokollieren und den Streitwert festsetzen. Mediatoren werden in dem Gesetz zu Aus- und Fortbildungen verpflichtet. Die Entscheidung darüber, wer Mediator wird, trifft allerdings nicht der Staat: Gesetzliche Zugangsschranken gibt es nicht. Die Bundesregierung unterstützt ein privates System der Kammern und Verbände in dem Personen, die diese Tätigkeit ausüben wollen, eine Art Gütesiegel erhalten. Dieses Zulassungsverfahren soll die Qualität der Mediation absichern und den Bürgern eine Orientierungshilfe geben, an wen sie sich wenden können. Bislang waren die Angebote von Mediatoren auf dem privaten, nicht geregelten Markt unübersichtlich. Die Mediation soll zu einer Entlastung der Gerichte beitragen, da langwierige Prozesse so vermieden werden können. Sie kann so auch den Parteien viel Geld sparen. Um die Auswirkungen von Mediationsverfahren auf die Justiz genauer zu untersuchen, können Bund und Länder für das Familienrecht wissenschaftliche Forschungen zu möglichen Einspareffekten anstoßen.Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 12.01.2011
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