Ländermonitor "Frühkindliche Bildungssysteme" bestätigt erhebliches Ost-West-Gefälle
Ganztagsangebote in Kitas: Ostdeutsche Länder liegen vorn
In Deutschland gibt es zwischen den 16 Bundesländern erhebliche Unterschiede bei den Ganztagsangeboten in Kindertageseinrichtungen für Kinder über drei Jahren. Auffällig ist das erhebliche Ost-West-Gefälle. Während in den ostdeutschen Ländern fast drei Viertel (72 Prozent) der über dreijährigen Kita-Kinder ganztags betreut werden, sind es in den westdeutschen Ländern nur etwas mehr als ein Viertel (27 Prozent). In der Spitzengruppe bei den Ganztagsangeboten für Kinder über drei Jahren liegen die ostdeutschen Bundesländer Thüringen (90,7 Prozent), Sachsen (81,4 Prozent), Sachsen-Anhalt (61,5 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (60,1 Prozent), Brandenburg (57,1 Prozent) sowie Berlin (59,1 Prozent). In allen westdeutschen Bundesländern sind weniger als 50 Prozent der Kita-Kinder ab drei Jahren in einer Ganztagsbetreuung. Im Mittelfeld liegen dabei Hamburg (42,4 Prozent), Hessen (40,2 Prozent), Nordrhein-Westfalen (36,6 Prozent) sowie Rheinland-Pfalz (35,2 Prozent). Gut ein Viertel der über dreijährigen Kita-Kinder nutzt im Saarland (27,3 Prozent), Bayern (25,7 Prozent) sowie Bremen (25,4 Prozent) eine Ganztagsbetreuung. In der Schlussgruppe liegen Schleswig-Holstein (18,4 Prozent), Niedersachsen (16,2 Prozent) sowie Baden-Württemberg (13,6 Prozent). Positiv fällt auf, dass in einigen Bundesländern mehr Kinder ab drei Jahren mit Migrationshintergrund eine Ganztagsbetreuung nutzen als Kinder ohne Migrationshintergrund. So besuchen beispielsweise in Nordrhein-Westfalen mehr als 41 Prozent in dieser Altersgruppe mit Migrationshintergrund ganztags eine Kita, aber nur 34 Prozent ohne Migrationshintergrund. Auch in Bayern liegt die Quote von Kindern mit Migrationshintergrund mit über 38 Prozent deutlich über dem Anteil der Kinder ohne Migrationshintergrund (21,5 Prozent). Ähnlich ist die Situation in Schleswig-Holstein: Dort besuchen 16,6 Prozent der Kinder ohne Migrationshintergrund, aber immerhin 27,5 Prozent mit Migrationshintergrund ganztägig eine Kita. Damit kommen diese Bundesländer der Forderung zahlreicher Experten aus Wissenschaft und Politik nach, dass besonders Kinder mit Migrationshintergrund ganztags gefördert werden - die ganztägige Betreuung biete mehr Zeit für frühe Bildung und den Erwerb der deutschen Sprache.Die erheblichen Unterschiede bei den Ganztagsangeboten in deutschen Kindertageseinrichtungen hängen insbesondere mit den unterschiedlichen Rechtsansprüchen auf Landesebene zusammen: Der zeitliche Betreuungsumfang ist hier nicht einheitlich definiert. "Wir brauchen einen bundesweiten Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz für jedes Kind - und zwar unabhängig von der Erwerbs- oder Ausbildungssituation der Eltern", fordert deshalb das für Bildung zuständige Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, Dr. Jörg Dräger.
Insgesamt steigt die Nachfrage nach längeren Betreuungszeiten, weil in immer mehr Familien beide Eltern ganztags arbeiten. Gleichzeitig bieten Ganztagsplätze auch mehr Zeit für die frühkindliche Förderung, sodass Bildungsungleichheiten besser abgebaut werden können. Wie viele Ganztagsangebote tatsächlich gebraucht werden, sollte vor Ort entschieden werden. Experten fordern aus bildungs- wie sozialpolitischen Gründen, mindestens die Hälfte der Kita-Plätze ganztags anzubieten (12. Kinder- und Jugendbericht). Dieser Zielwert ist bislang in keinem der westdeutschen Bundesländer erreicht.
Grundlage der Auswertungen sind Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik des Jahres 2010. Die Berechnungen hat der Forschungsverbund DJI/TU Dortmund durchgeführt. Der Ländermonitor 2011 ermöglicht einen Gesamtüberblick zur frühkindlichen Bildung in Deutschland.
Quelle: Pressemitteilung der Bertelsmann Stiftung vom 06.07.2011
http://www.bertelsmann-stiftung.de