Sinnvolle Tätigkeit für Menschen mit Behinderung

Anlässlich des internationalen Tag der Menschen mit Behinderung am 3. Dezember fordert die Stiftung Leben pur, den Begriff „Arbeit“ neu zu denken

München – Arbeit ist ein Menschenrecht und sollte damit für jeden gelten – auch für Menschen mit Behinderung. Der internationale Tag der Menschen mit Behinderung, der alljährlich am 3. Dezember stattfindet, widmet sich 2011 diesem Thema, denn: Obwohl Deutschland sich durch Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention 2009 verpflichtet hat, Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen, gibt es noch Defizite in der Umsetzung. Vor allem bei Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen. Grund genug für die Stiftung Leben pur, deren Engagement genau dieser Zielgruppe zugute kommt, anlässlich des 3. Dezembers auf das Recht auf Arbeit für alle hinzuweisen, verbunden mit der Forderung: Der Begriff Arbeit sollte überdacht werden.

Muss Arbeit „Arbeit“ sein?

„Alle Menschen haben das Recht auf Bildung und Arbeit. Das sollte auch für Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen gelten“, betont Gerhard Grunick, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Leben pur. Leider sind Firmen, die Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen beschäftigen, immer noch eine Ausnahme. Die Stiftung Leben pur fordert, den Begriff Arbeit zu erweitern und somit jedem die Möglichkeit zu eröffnen, eine sinnvolle Beschäftigung zu finden. Die meisten Menschen mit schwersten Behinderungen können den Anforderungen, die allgemeine Arbeitsplätze an sie stellen, nicht gerecht werden. Arbeitsplätze sollten den Arbeitnehmern angepasst werden – und nicht umgekehrt. „Viele Eltern glauben, dass ihr Kind mit Behinderung gar keiner Tätigkeit nachkommen kann. Das heißt aber nicht, dass es für ihr Kind keine sinnvolle Beschäftigung gibt. Man muss nur eine finden“, so Grunick.

Schwerstmehrfachbehindert und doch Arbeitnehmerin

Die Stiftung Leben pur zeigt auf, dass auch Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen eine sinnvolle Tagesstruktur haben können. So Melanie Spähn. Kurz vor ihrem vierten Geburtstag erkrankte sie an Enzephalitis. „Schwerstmehrfachbehindert“ lautete die Diagnose nach der überstandenen Krankheit. Die Eltern setzten sich sehr für die Förderung ihrer Tochter ein, kämpften dafür, dass sie eine Regelschule besuchen konnte. Vor Ende der Schulzeit veranstalteten die Eltern ein Zukunftsfest. Das Ergebnis: Melanies Persönlichkeit und ihre Wirkung auf andere Menschen ist ihre Stärke, die genutzt werden muss. Nach zahlreichen Praktika hat sie ihren Weg gefunden. Heute besucht sie zusammen mit einer ihrer Assistentinnen einmal die Woche ein Altenheim, einen Kindergarten und einen Abenteuerspielplatz. Als „Botschafterin der Inklusion“ leistet Melanie dort Aufklärungsarbeit. Die Kinder wachsen mit dem Wissen auf, dass es auch Menschen gibt, die anders sind. Im Altenheim regt Melanie ihre Umwelt zu mehr Fröhlichkeit und Aufgeschlossenheit an. „Wir merken auch, dass Melanie der Kontakt zu anderen gut tut. Sie ist viel aktiver geworden und interagiert viel mehr mit ihrer Umwelt“, erklärt Bernadette Bros-Spähn, Melanies Mutter.

Eine sinnvolle Aufgabe macht glücklich – auch Menschen mit Behinderung

„Derzeit sind es fast ausschließlich sogenannte Förderstätten, bei denen Menschen mit schweren und mehrfachen Behinderungen unterkommen“, erklärt Grunick. Allerdings stoßen diese Einrichtungen personell und finanziell oft an ihre Grenzen, um diesen Personen ein angemessenes, ihren Fähigkeiten entsprechendes Arbeitsfeld schaffen zu können. Ein weiteres Problem ist, dass in Förderstätten Menschen mit Behinderung vorwiegend unter sich bleiben. Dabei ist es erklärtes Ziel der UN Konvention von 2009, für die sich auch die Stiftung Leben pur einsetzt, Menschen mit Behinderung uneingeschränkt an der Gesellschaft teilhaben zu lassen. Um einer Beschäftigung nachgehen zu können, brauchen Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf zudem häufig eine Arbeitsassistenz. „Unsere Zielgruppe kann zwar den Wunsch nach einer sinnvollen Beschäftigung meist nicht verbal äußern. Dennoch hat jeder Mensch das Verlangen, seinem Leben einen Sinn zu geben“, erklärt Gerhard Grunick. Es lässt sich oft beobachten, dass Menschen mit schweren Behinderungen, nachdem sie eine sinnvolle Tätigkeit gefunden haben, zufriedener und zugänglicher sind. Erfahrungen haben gezeigt, dass dann Auto-Aggressionen abnehmen und sie positiver und offener auf ihre Umwelt reagieren.

Tagung Leben pur 2012

Im kommenden Jahr wird sich die Stiftung Leben pur auf ihrer alljährlichen interdisziplinären Tagung intensiv mit dem Thema Bildung und Arbeit von Erwachsenen mit schweren und mehrfachen Behinderungen beschäftigen. „Schule aus – Was nun?“ lautet das Motto. Neben Fachbeiträgen aus der Wissenschaft zeigen Projekte und Beispiele aus der Praxis, wie Arbeit und sinnvolle Beschäftigung für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf aussehen kann. Außerdem wird Melanie Spähn zusammen mit einer Assistentin und den Eltern ihre Erfahrungen als Experten in eigener Sache schildern. Die Tagung findet am 9. und 10. März in München und am 27. und 28. April in Hamburg statt. Weitere Informationen und ein Anmeldeformular gibt es unter www.stiftung-leben-pur.de

Über die Stiftung Leben pur

Die Stiftung Leben pur engagiert sich für Kinder, Jugendliche und Erwachsenen mit schweren und mehrfachen Behinderungen. Um neue praxisorientierte Lösungen zu finden, setzt die Stiftung auf den Austausch zwischen Theorie und Praxis. Ziel der Arbeit ist eine langfristige Verbesserung der Lebensqualität und Lebensgestaltung von Menschen mit sehr schweren und mehrfachen Behinderungen und somit die Inklusion in unsere Gesellschaft.


Quelle: Pressemitteilung der Stiftung Leben Pur vom 28.11.2011
www.comeo.de/lebenpur