Bilanz: Ein Jahr Kampagne „Jetzt erst Recht(e) für Flüchtlingskinder!“

Die Kampagne „Jetzt erst Recht(e) für Flüchtlingskinder!“ übt scharfe Kritik am Umsetzungswillen der Politik: Die Bundesregierung ignoriert weiterhin die Rechte von Flüchtlingskindern.

Ein Jahr nach dem Start der Kampagne „Jetzt erst Recht(e) für Flüchtlingskinder!“ ziehen Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Organisationen eine Zwischenbilanz. Diese ist ernüchternd: Auch zwei Jahre nach der Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention durch die Bundesregierung im Mai 2010 werden die Rechte von jungen Flüchtlingen von Behörden systematisch ignoriert. Die Bundesregierung sieht keinerlei Handlungsbedarf. Besonders eklatant ist die Verweigerung von Rechten im Aufenthaltsrecht und im Sozialrecht. Dabei gilt die Konvention spätestens seit der Vorbehaltsrücknahme unstrittig für alle in Deutschland lebenden Kinder und zwar unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem Aufenthaltsstatus. Nach Artikel 3 der Konvention müssen die Rechte und das Wohl in der Bundesrepublik immer mit Vorrang beachtet werden. Das gilt ohne Abstriche auch für Flüchtlingskinder. „Kinderrechte sind die Rechte aller Kinder, auch die der Kinder auf der Flucht“, so Prof. Dr. Lothar Krappmann, Schirmherr der Kampagne. „Sie sind die wehrlosesten Opfer von Krieg, Gewalt und Unterdrückung und deshalb in besonderem Maße auf Hilfe und Fürsorge angewiesen. Aber gerade hier verletzt der Staat seine besondere Schutzpflicht.“ Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelsätzen vom Februar 2010 räumte die Bundesregierung ein, dass das Asylbewerberleistungsgesetz, dem viele Flüchtlingskinder unterliegen, nicht den verfassungsgemäßen Ansprüchen genügt. Dennoch hat sie in den vergangenen zwei Jahren weder dafür gesorgt, dass das Asylbewerberleistungsgesetz in verfassungskonformer Weise novelliert wird, noch hat sie die sozialen Leistungen den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention wie dem Diskriminierungsverbot angepasst. Ein 6-jähriges Kind bekommt im Hartz-IV-Bezug 251 Euro monatlich, ein gleichaltriges Flüchtlingskind muss mit 132 Euro mit fast der Hälfte auskommen. Das sind 4,40 Euro pro Tag für Nahrung, Kleidung, Hygiene, Bildung etc.: „Die eklatante Unterschreitung des Existenzminimums bei Flüchtlingskindern durch das Asylbewerberleistungsgesetz verletzt das Grundgesetz und geltendes Völkerrecht. Sie gefährdet massiv das Wohl und eine gesunde Entwicklung des Kindes. Wenn hierzulande Eltern ihren Kindern die Hälfte ihres Hartz IV-Satzes vorenthalten würden, wie der Staat es bei den Flüchtlingskindern tut, wäre die öffentliche Empörung groß“, sagte Dr. Sabine Skutta, Sprecherin der National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland. „Seit der Rücknahme der Vorbehalte hat die Regierung wertvolle Zeit verstreichen lassen, ohne das deutsche Ausländer- und Asylrecht an die zentralen Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention anzupassen“ erklärte Albert Riedelsheimer, PRO ASYL. „Nach wie vor besteht dringender gesetzlicher Handlungsbedarf, damit auch alle in Deutschland lebenden Flüchtlingskinder ihre Rechte geltend machen können.“ Insbesondere fordern die in der Kampagne vertretenen Verbände:
  • Das Kindeswohl muss als vorrangig zu berücksichtigendes Prinzip im Asyl- und Aufenthaltsrecht verankert werden.
  • Die Verfahrensmündigkeit muss auf 18 Jahre heraufgesetzt werden.
  • Die Mangelversorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz muss beendet werden.
  • Abschiebungen von Minderjährigen in andere EU-Staaten müssen unterbleiben (Dublin-Verfahren).
  • Abschiebungshaft für Minderjährige muss verboten werden.
Ziel der Kampagne ist es, alle in der UN-Kinderrechtskonvention garantierten Rechte auch für die Flüchtlingskinder in Deutschland zu realisieren. Die in der Kampagne vertretenden Verbände werden weiterhin dafür streiten, dass die Rechte aller Kinder, die in Deutschland leben, respektiert, geschützt und verwirklicht werden.

Quelle: Pressemitteilung des PRO ASYL e.V. vom 04.06.2012
www.proasyl.de