Bloße Verbote verhindern keine öffentlichen Saufgelage

LWL-Suchtexperten entwickeln mit Kommunen Konzepte gegen Exzesse

Westfalen (lwl). Das Problem: Gegröle, Gewalt, Gestank - allerorten in den Kommunen beklagen aktuell Betroffene üble Begleiterscheinungen nächtlicher Saufgelage, und das nicht nur zu Karneval. Die Lösung: Über bloße - meist wenig wirkungsvolle und rechtlich zweifelhafte - Verbote hinaus erarbeitet sie gerade Hans Meyer, Jugenddezernent des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), mit seiner Koordinationsstelle Sucht.

Welche Lösung haben Sie gegen Alkoholexzesse, Herr Meyer?

Meyer: Zunächst mal lautet die nüchterne Formel: Das Patentrezept schlechthin gibt es nicht. Vielmehr muss maßgeschneidert für jede Stadt eine passgenaue Suchthilfeplanung her, so wie es ja auch eine ortsscharfe Bauplanung oder Jugendhilfeplanung gibt. Sanktionen gegen Randalierer, Pöbler und Wildpinkler reichen allein nicht aus.

Und was muss da mehr kommen?

Meyer: Die kommunale Suchthilfeplanung schließt die lokale Alkoholpolitik ein. Der beste Ort, mit einem Rahmenplan dem Alkoholmissbrauch vor allem Jugendlicher gegenzusteuern, bleibt die Gemeinde. Zusammen mit 17 westfälischen Städten erarbeiten wir gerade gute Praxismodelle einer aktiven und ortsspezifischen Suchthilfepolitik.

Gibt's schon Ergebnisse?

Meyer: Wir sind mittendrin in unserem Projekt "Lokale Alkoholpolitik". Klar zeichnet sich aber jetzt schon ab, dass vor Ort politisch-strukturelle Maßnahmen viel stärker mit individuellen Ansätzen kombiniert werden sollten. Kindern und Jugendlichen zum Beispiel bietet ein gemeindlich verankertes Früherkennungs- und -interventionskonzept nachhaltige und alltagsnahe Orientierung und Unterstützung gegen Alkoholgefährdungen. In örtliche Konzepte einbezogen werden müssten auf örtlicher Ebene etwa auch alkoholträchtige Vereins- und Massenveranstaltungen wie Sportevents und Faschingsfeiern. Wie das gehen kann zeigen viele Beispiele bei uns und in Nachbarländern. Das organisierte Sich-Besaufen von immer jüngeren Rauschtrinkern nimmt in ganz Europa zu.

Und was heißt 'politisch-strukturelle Maßnahmen‘?

Meyer: Das bedeutet vor allem, das Problem systematisch anzugehen und sich von Einzelmaßnahmen-Aktionismus zu verabschieden. Wir entwickeln gerade ein Sechs-Punkte-Raster, das bei der kommunalen Suchthilfeplanung von der ausdrücklichen Beauftragung durch die Politik über die Installation eines Steuerungsgremiums aus verschiedensten fachlichen Kooperationspartnern wie zum Beispiel Polizei, Ordnungsämtern, Gesundheitsfachleuten, Einzelhandel, Sportvereinen usw. bis hin zur Erfolgskontrolle reicht. Kommunen, die sich für den entsprechenden Leitfaden interessieren, bekommen Unterstützung von der LWL-Koordinationsstelle Sucht.

Hintergrund:
"Von den Besten lernen" will die Plattform 'Lokale Alkoholpolitik‘ bei der Koordination und Konzentration westfälisch-lippischer Aktivitäten kontra Alkoholmissbrauch. In dem bis Jahresende 2012 laufenden Projekt will die LWL-Koordinationsstelle Sucht Erfahrungswissen transportieren und neue Ansätze nutzbar machen. Ihre 17 Projektpartner sind die Städte Bielefeld, Bochum, Bottrop, Dortmund, Gelsenkirchen, Münster, Ense, Dülmen, Ennepetal, Herten, Kierspe, Unna und Witten sowie die Kreise Gütersloh, Paderborn, Unna und Hochsauerland.

Der LWL im Überblick

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 13.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 17 Museen und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, den ein Parlament mit 101 Mitgliedern aus den Kommunen kontrolliert.

Quelle: Pressemitteilung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom 13.01.2012
http://www.lwl.org