Patientenrechtegesetz vom Kabinett beschlossen
Zu dem am 23.05.2012 vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten erklären Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr und der Patientenbeauftrage der Bundesregierung, Wolfgang Zöller:
„Sechs von zehn Patienten kennen laut einer Studie ihre Rechte gar nicht oder unvollständig. Viele Patienten beklagen zudem die mangelnde oder ungenügende Information durch den Behandelnden, sie fühlen sich oftmals alleine gelassen“, erläutert Leutheusser-Schnarrenberger. „Die neuen Regelungen gleichen das Informationsgefälle zwischen Behandelndem und Patient aus. Patientinnen und Patienten müssen über die Behandlung umfassend informiert werden. Dies gilt auch für die Kosten einer Behandlung, wenn die Krankenkasse die Kosten ausnahmsweise nicht übernimmt. Alle wesentlichen Fakten von Diagnose bis Therapie müssen verständlich erklärt werden. Bei Streitigkeiten ist die Patientenakte das wichtigste Dokument. Es wird sichergestellt, dass Patienten in die Patientenakte Einsicht nehmen können. Wichtige Beweiserleichterungen für Patienten werden klar geregelt und für jeden nachvollziehbar gemacht. Sie beruhen auf der Rechtsprechungsentwicklung. Bei groben Behandlungsfehlern muss der Arzt beweisen, dass die Behandlung auch ohne den Fehler nicht erfolgreich gewesen wäre.“ Leutheusser-Schnarrenberger fasst zusammen: „Das Gesetz hilft Patientinnen und Patienten, ihre Rechte zu kennen und besser durchsetzen zu können.“„Das neue Patientenrechtegesetz bringt umfassende und verständliche Informationen für Patientinnen und Patienten", erklärt Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. „Es ermöglicht Arzt-Patienten-Gespräche auf Augenhöhe und stärkt die Rechte der Versicherten gegenüber den Leistungserbringern. Mit dem gemeinsam vorgelegten Patientenrechtegesetz schaffen wir endlich eine einheitliche gesetzliche Grundlage und sorgen dadurch für mehr Klarheit und Transparenz im Gesundheitswesen. Damit führen wir eine jahrzehntelange Diskussion einer guten und tragfähigen Lösung zu, die direkt den Patienten und Versicherten zu Gute kommt. So werden die Rechte der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung weiter ausgebaut und verbessert. Kranken- und Pflegekassen werden verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern zu unterstützen. Dies kann durch Unterstützungsleistungen, mit denen die Beweisführung der Versicherten erleichtert wird, z. B. durch medizinische Gutachten geschehen. Nicht fristgemäße Entscheidungen der Krankenkassen werden sanktioniert. Wir stärken die Fehlervermeidungskultur und führen Meldesysteme für Fehler und ein Risikomanagement ein und machen ein Beschwerdemanagement in Krankenhäusern verbindlich und transparent."Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Wolfgang Zöller sagte: „Das Patientenrechtegesetz stärkt die Patienten auf dem Weg vom Bittsteller zum Partner. Der Gesetzentwurf ist ein neues, zeitgemäßes Fundament. Es ist kein Gesetz gegen jemanden, sondern sorgt für einen transparenten sowie fairen Ausgleich der Interessen und stärkt das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten. In vielen Gesprächen mit allen Beteiligten konnte ich im Vorfeld einen großen Konsens ausloten. Ein guter Gesetzentwurf wurde vorgelegt und geht jetzt in die parlamentarische Beratung. Es ist ein Gesetzentwurf, der die Rechte der Patienten maßgeblich weiterentwickelt, erstmals zusammenhängend regelt und vor allen Dingen für jedermann unkompliziert nachlesbar macht. Ich bin sicher, dass das Gesetz dazu beiträgt, dass unser Gesundheitssystem von allen Beteiligten als gerechter empfunden werden kann.“Zum Hintergrund: Der Gesetzentwurf umfasst folgende Regelungsbereiche:- Der Behandlungsvertrag wird ausdrücklich im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Die Regelung erfasst die Vertragsbeziehung zwischen Patienten und Ärzten, aber auch anderen Heilberufen wie Heilpraktikern, Hebammen, Psycho- oder Physiotherapeuten. Patienten müssen verständlich und umfassend informiert werden, etwa über erforderliche Untersuchungen, Diagnosen und beabsichtigte Therapien. Die Patienten sind gesondert auf Kosten für solche Leistungen hinzuweisen, die nicht von den Leistungsträgern übernommen werden.
- Aufklärung muss umgehend erfolgen und ist verpflichtend. Vor jedem Eingriff müssen alle Patienten umfassend über die konkrete Behandlung und die sich daraus ergebenden Risiken aufgeklärt werden. Dazu muss rechtzeitig vorher ein persönliches Gespräch geführt werden, damit sich der Patient seine Entscheidung gut überlegen kann. Eine schriftliche Aufklärung reicht alleine nicht aus.
- Auch die Dokumentationspflichten bei der Behandlung sollen im Gesetz festgelegt werden. Patientenakten sind vollständig und sorgfältig zu führen. Patienten bekommen nunmehr ein gesetzliches Recht auf Akteneinsicht. Fehlt die Dokumentation oder ist sie unvollständig, wird im Prozess zu Lasten des Behandelnden vermutet, dass die nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht erfolgt ist.
- In Haftungsfällen wird es mehr Transparenz geben. Die wichtigen Beweiserleichterungen berücksichtigen die Rechtsprechung und werden klar geregelt. Jeder kann jetzt im Gesetz nachlesen, wer im Prozess was beweisen muss. Bei sogenannten „einfachen“ Behandlungsfehlern muss wie bisher der Patient den Behandlungsfehler sowie die Ursächlichkeit dieses Fehlers für die eingetretene Gesundheitsschädigung nachweisen. Für bestimmte Fallgruppen wie den „groben“ Behandlungsfehler sind Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten vorgesehen. Hierbei handelt es sich um gravierende Fälle, die aus objektiver medizinischer Sicht schlechterdings nicht mehr verständlich erscheinen. Dann muss sich der Behandelnde seinerseits entlasten und beweisen, dass der nachgewiesene Behandlungsfehler nicht generell geeignet war, eine Gesundheitsschädigung der eingetretenen Art herbeizuführen. Weitere Beweiserleichterungen betreffen etwa das sogenannte voll beherrschbare Risiko. So wird ein Behandlungsfehler vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht, das der Behandelnde voll beherrscht – führt z.B. ein defektes Narkosegerät während einer Operation des Patienten zu einer Sauerstoffunterversorgung und dadurch bedingt zu Hirnschädigungen, so wird die Verantwortlichkeit des Behandelnden für diesen Fehler vermutet.
- Werden Verfahrensvorschriften, wie beispielsweise eine fristgemäße Entscheidung bei Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht eingehalten, können sich die Versicherten die Leistung jetzt selbst beschaffen und erhalten die entstandenen Kosten erstattet, wenn die Krankenkassen ohne hinreichenden Grund über einen Antrag auf eine Leistung nicht innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang bzw. innerhalb von fünf Wochen, wenn von der Krankenkasse ein medizinisches Gutachten eingeholt wird, entscheiden.
- Bei Behandlungsfehlern sind die Kranken- und Pflegekassen künftig verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zu unterstützen. Dies kann etwa durch Unterstützungsleistungen, mit denen die Beweisführung der Versicherten erleichtert wird, z.B. medizinischen Gutachten, geschehen.
- Im Gesetzentwurf ist die Förderung einer Fehlervermeidungskultur in der medizinischen Versorgung vorgesehen: Behandlungsfehlern möglichst vorzubeugen, hat höchste Priorität. Ein sachgerechtes Qualitätsmanagement im stationären Bereich umfasst zukünftig verpflichtend auch ein Beschwerdemanagement für die Belange insbesondere von Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen, das entsprechend patientenorientiert auszugestalten ist.
- Die Patientenbeteiligung wird weiter ausgebaut. Patientenorganisationen werden insbesondere bei der Bedarfsplanung stärker einbezogen.
- Um insgesamt mehr Transparenz über geltende Rechte von Patientinnen und Patienten herzustellen, erstellt der Patientenbeauftragte der Bundesregierung künftig eine umfassende Übersicht der Patientenrechte zur Information der Bevölkerung.
Der Gesetzesentwurf steht unter www.bmj.de und www.bundesgesundheitsministerium.de zur Verfügung.
Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung von Bundesgesundheits- und Bundesjustizministerium vom 23.05.2012
www.bundesgesundheitsministerium.de