Sexueller Missbrauch an Behinderten

REPORT MAINZ: Eine Studie deckt erschreckende Zustände in deutschen Heimen auf

Tausende behinderte Frauen sollen in deutschen Einrichtungen und Heimen sexuell missbraucht worden sein. Das berichtet das ARD Politikmagazin REPORT MAINZ in seiner Ausgabe vom 14.02.2012 Das Magazin beruft sich dabei auf die neue Studie „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen in Deutschland“. Die repräsentative Untersuchung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums wurde von der Universität Bielefeld durchgeführt. Sie liegt REPORT MAINZ exklusiv vor und soll im April veröffentlicht werden. Aus der Studie geht hervor, dass sechs Prozent der Frauen mit geistiger Behinderung in Heimen und Werkstätten sexuelle Gewalt erlitten haben. Die Sozialwissenschaftlerin Monika Schröttle, die das Untersuchungsprojekt geleitet hat, geht davon aus, dass „auf jeden Fall mehrere tausend Frauen“ in deutschen Behindertenheimen und –Einrichtungen sexuell missbraucht wurden. Täter sind der Studie zufolge meist Bewohner, aber auch Personal. Im Interview erklärte Monika Schröttle von der Universität Bielefeld: „Das Gravierende ist, dass die Frauen in den Einrichtungen nicht einfach raus können und dass es viel schwerer ist, Zugang zu Hilfe und Unterstützung zu bekommen und dass die Einrichtung eigentlich dafür verantwortlich ist, dass sie keine Übergriffe erleben.“ In einer nicht repräsentativen Zusatzbefragung berichteten drei von vier Frauen, die in ihrer Kindheit und Jugend in Einrichtungen untergebracht waren, von „psychischen und/oder körperlichen Übergriffen“ in diesen Einrichtungen. Besonders betroffen waren blinde und gehörlose Mädchen. Georg Ehrmann, Vorsitzender der Deutschen Kinderhilfe erklärte in REPORT MAINZ: „Der tägliche Missbrauch von Jungen und Mädchen in deutschen Behinderteneinrichtungen ist ein großes Tabu und unter dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf machen die Verantwortlichen in der Politik, in den Verbänden und in den Kommunen die Augen zu und deswegen sprechen Betroffene auch von dem größten Skandal in der Jugendhilfe seit dem zweiten Weltkrieg.“ Hubert Hüppe, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen kritisierte in REPORT MAINZ die fehlende Meldepflicht in Einrichtungen sowie mangelhafte Kontrollen durch die zuständige Heimaufsicht der Länder: „Es fehlen einfach auch Verfahren, die deutlich machen, wen ich ansprechen kann, wenn etwas passiert. Dann weiß ich auch das wird weiter gegeben und es wird nicht verschwiegen, weil es vielleicht der Einrichtung schadet.“ Viele Bewohnerinnen von Behinderteneinrichtungen leiden unter Gewalt: „Etwa jede dritte bis vierte in einer Einrichtung lebende Frau hat psychisch verletzende Handlungen und psychische Gewalt in Einrichtungen erlebt. Bis zu 20% gaben körperliche Gewalt in Einrichtungen im Erwachsenenleben an,“ heißt es in der Studie. Mehr als die Hälfte der psychisch erkrankten Heimbewohnerinnen berichteten, in den letzten 12 Monaten psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein. 16 Prozent gaben an, psychisch so stark belastet worden zu sein, „dass es als Psychoterror oder seelische Grausamkeit empfunden wurde.“ In Bezug auf alle in der Studie befragten Frauen, also solche, die in Einrichtungen, aber auch in Haushalten leben heißt es dazu in der Studie: „Der hohe Anteil von Frauen mit Behinderungen, die psychische Übergriffe durch Gesundheitsdienste, Einrichtungen und Ämter/Behörden angaben, muss als bedenklich eingestuft werden.“

Quelle: Pressemitteilung von REPORT MAINZ vom 14.02.2012
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