Willkommen in Deutschland!?

06.03.2012 | Soziale Arbeit | Nachrichten

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA) kritisiert die einseitige und verkürzte Wiedergabe von Ergebnissen aus der Studie „Lebenswelten junger Muslime in Deutschland“, die das Bundesministerium des Innern am 1. März veröffentlicht hat.

Die Studie sorgt für Aufregung in Deutschland oder zumindest in den Medien. „Dass die BILD-Zeitung von der ‚Schock-Studie‘ spricht, mag nicht weiter verwundern“, sagt Michael Fähndrich, Geschäftsführer der BAG EJSA. „Aber auch seriösere Medien greifen wieder einmal gerne auf Titel zurück, die Islamophobie und Fremdenfeindlichkeit neue Nahrung geben.“ „Jeder vierte junge, nichtdeutsche Muslim integrationsunwillig“ titelte beispielsweise FOCUS online. Dabei bleibt unklar, wie hoch der Anteil dieser Gruppe an der Gesamtbevölkerung ist. Rechnen wir also nach: In Deutschland leben zwischen 3,8 und 4,3 Millionen Muslime – genauer wissen wir es leider nicht. Gut 50 Prozent der Muslime in Deutschland besitzt keinen deutschen Pass, also ca. 2 Mio. Menschen. Bei gut 80 Mio. Einwohnern wären das 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Von diesen 2,5 Prozent nichtdeutschen Muslimen zeigen – so ein Ergebnis der Studie – 24 Prozent keine Integrationstendenz. Das wären also maximal 0,7 Prozent der Gesamtbevölkerung. Kann uns diese Erkenntnis wirklich schockieren? Die Studie hebt ausdrücklich hervor, dass nicht notwendigerweise der Status als Muslim und/oder Migrant per se Ursache der Integrationsprobleme ist, sondern die mit diesem Status einhergehenden sozialen Benachteiligungen dazu führen könnten. Mögliche Ursachen werden in der Studie benannt, sind aber vielleicht weniger medientauglich. Die Politik spricht mit doppelter Zunge: Während die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung sich darum bemüht, in Deutschland eine Willkommenskultur zu installieren, äußert sich der Bundesinnenminister „besorgt über die Erkenntnisse seines Ministeriums“ und unterstellt den Muslimen „den Import autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten“. Hans-Peter Uhl, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, setzt noch einen drauf: "Diese Integrationsverweigerung muss nicht, aber kann den Nährboden für religiösen Fanatismus und Terrorismus darstellen." Dabei kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass sich die in Deutschland lebenden Muslime mehrheitlich deutlich vom islamistischen Terrorismus distanzieren und gleichzeitig eine vorschnelle Verknüpfung des Islams mit dem Terrorismus erleben. „Vor allem die älteren Teilnehmer der ‚ersten Generation’ muslimischer Einwanderer fühlen sich durch den pauschalen Vorwurf der Integrationsunwilligkeit oder gar -unfähigkeit persönlich angegriffen. Sie betonen die Leistungen, die sie für Deutschland erbracht haben, und verweisen darauf, dass ihre Steuern von den deutschen Behörden gerne genommen werden, während sie selbst als Personen anscheinend in Deutschland unerwünscht sind“, heißt es in der Studie. Derweil steht die doppelte Staatsbürgerschaft immer noch aus. Wir produzieren also weiterhin „nichtdeutsche Muslime“. Das ist der eigentliche Skandal!

Hintergrund

Die BAG EJSA vertritt als Fachverband der Diakonie unter anderem ca. 150 Jugendmigrationsdienste in evangelisch-diakonischer Trägerschaft, finanziert
aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans. Diese engagieren sich für Chancengerechtigkeit und Teilhabe junger Menschen mit Migrationshintergrund.

Quelle: Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit e.V. (BAG EJSA) vom 06.03.2012
www.bagejsa.de