Wohnungsloser in Rostock erfroren – BAG Wohnungslosenhilfe fordert Ausweitung der Kältehilfe in Deutschland
In Rostock ist am Donnerstag, 01.11.2012, ein 54-jähriger wohnungsloser Mann in einem öffentlichen Park erfroren. Am frühen Morgen war er von einem Passanten auf dem Boden liegend entdeckt worden. Der alarmierte Notarzt konnte Frank M. nicht mehr helfen. Im Betreuten Wohnen der Obdachlosenhilfe Rostock e.V., der letzten Unterkunft des Erfrorenen, hatte man ihn bereits mehrere Tage vermisst und gesucht. Angesichts des ersten Kälteopfers des nahenden Winters 2012/13 fordert die BAG Wohnungslosenhilfe e.V., der Dachverband der Wohnungslosenhilfe in Deutschland, dass die Kommunen ihre Kältehilfe deutlich hochfahren. Da es in Deutschland keine Statistik zur Wohnungslosigkeit gibt, muss die BAG W die Zahl der Wohnungslosen schätzen. Laut BAG W ist die Zahl der Wohnungslosen von 2008 bis 2010 um 10% auf 248.000 Personen gestiegen. Bis 2015 prognostiziert die BAG W sogar einen weiteren drastischen Anstieg der Wohnungslosigkeit um 10 bis 15% auf dann 270.000 bis 280.000 Menschen. Daher werden wieder mehr Wohnungslose auf den Straßen leben als in den Jahren zuvor. Deswegen muss jetzt gehandelt werden, um der gestiegenen Zahl der Wohnungslosen gerecht zu werden. Besonders betroffen sind die ca. 22.000 Wohnungslosen, die ganz ohne Unterkunft auf der Straße leben. Nach Kenntnis der BAG W sind in den letzten 20 Jahren (seit 1991) mindestens 274 Wohnungslose erfroren. Sie erfroren im Freien, unter Brücken, auf Parkbänken, in Hauseingängen, Abrisshäusern, in scheinbar sicheren Gartenlauben und sonstigen Unterständen. Jede Kommune in Deutschland muss Wohnungslose unterbringen. Städte und Gemeinden verstoßen gegen ihre Amtspflichten, wenn sie nicht rechtzeitig Notunterkünfte bereitstellen oder verschaffen. Unter dem Titel „Den Kältetod von Wohnungslosen verhindern!“ hat die BAG Wohnungslosenhilfe bereits im letzten Winter eine Handreichung erstellt, in der die rechtlichen Grundlagen der staatlichen Schutzpflichten zusammenfassend dargestellt und Eckpunkte für Maßnahmen zum Erfrierungsschutz benannt werden. Mit dieser Handreichung fordert die BAG W die Städte und Gemeinden auf, verstärkt zu prüfen, ob sie ihrer Verpflichtung nachkommen und ob die getroffenen Vorkehrungen in Quantität und Qualität ausreichend sind. Die BAG W setzt dabei auch auf eine Kooperation zwischen den Kommunen und den freien Trägern der Wohnungslosenhilfe. Nach Erfahrung der Wohnungslosenhilfe wird ein Teil der Betroffenen von den Angeboten nicht erreicht. Viele sind physisch und psychisch nicht in der Verfassung, sich in Massenunterkünften zu behaupten und sich ggf. gegen Übergriffe und Auseinandersetzungen durchzusetzen. Viele Angebote sind zu weit abgelegen und werden deswegen nicht erreicht, sind zu früh überfüllt, bieten keine Aufenthaltserlaubnis tagsüber und keine sichere Aufbewahrung der Habseligkeiten. Die Migration von EU-Bürgern, insb. aus den osteuropäischen Mitgliedsstaaten, hat in den letzten Jahren zugenommen. Eine immer größer werdende Zahl dieser Menschen landet irgendwann mittellos, wohnungslos und krank auf der Straße. Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit steht jedem Menschen zu – unabhängig von der Staatsangehörigkeit. Deswegen müssen die Kommunen auch Sorge dafür tragen, dass diese größer werdende Gruppe wohnungsloser Migrantinnen und Migranten Zugang zu menschenwürdigem Erfrierungsschutz erhält. Die BAG Wohnungslosenhilfe e.V. bekräftigt deswegen ihre Appelle und Forderungen an die Kommunen:- Streetwork und andere Formen aufsuchender Arbeit aus- oder aufbauen, um vom Kältetod bedrohte Wohnungslose auf der Straße aufsuchen zu können
- Notrufnummern einrichten bzw. die 110 propagieren, damit Bürger gefährdete Menschen melden können
- Keine menschenunwürdigen Asyle, sondern Ermöglichung eines Mindestmaßes an Privatsphäre und Selbstbestimmung
- Schutz und Sicherheit vor Diebstahl und Gewalt in den Unterkünften gewährleisten
- Für wohnungslose Frauen muss es die Möglichkeit einer separaten und sicheren Unterbringung geben
- Dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten für kleinere Gruppen von Wohnungslosen (auch mit Hunden)
- Großzügige Öffnungszeiten der Unterkünfte, d. h. auch tagsüber und nachts
- Keine Befristung des Aufenthaltes auf wenige Tage pro Monat
- Öffnung von U-Bahnstationen, Bahnhöfen und anderen geeigneten öffentlichen Gebäuden
- Ausreichend viele niedrigschwellige Tagesaufenthalte
- Notfalls zusätzliche Anmietung von geeigneten Räumlichkeiten, bspw. leerstehenden Gewerbeimmobilien, die beheizbar sind und über sanitäre Einrichtungen verfügen.
„Seien Sie aufmerksam! Wenn Sie wohnungslose Menschen sehen, die hilflos oder in einer Notsituation sind, setzen Sie die Polizei in Kenntnis, wählen Sie den Notruf 110! Alarmieren Sie bei akuter gesundheitlicher Gefährdung den Rettungsdienst 112!“
Quelle: Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V. vom 02.11.2012