Neue Studie zu Aggression und Gewalt in der informellen Pflege

31.07.2018 | Altenhilfe, Forschung | Nachrichten

Eine Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) deckte auf, dass etwa die Hälfte der pflegenden Angehörigen  ihr Engagement vom Pflegebedürftigen teilweise nicht geschätzt fühlt. Viele sind häufig niedergeschlagen oder wütend, teilt das ZPQ mi.  Etwa jeder Zweite berichte, Gewalt durch den pflegebedürftigen Menschen erlebt zu haben. 40 Prozent geben an, selbst schon gewaltsam gegenüber dem Pflegebedürftigen gehandelt zu haben. Gezielte Unterstützungsangebote sowie Aufklärung über Gewaltprävention seien dringend erforderlich. 

Für die Untersuchung wurden deutschlandweit 1.006 pflegende Angehörige im Alter zwischen 40 und 85 Jahren dazu befragt, welche Erfahrungen sie mit Konflikten und Gewalt in der Pflege gemacht haben. Es zeigt sich: Viele pflegende Angehörige haben mit belastenden Gefühlen zu kämpfen. Über ein Drittel der Befragten (36 Prozent) fühlt sich häufig niedergeschlagen, 29 Prozent sind häufig verärgert. Zudem hatte über die Hälfte (52 Prozent) in den letzten sechs Monaten teilweise den Eindruck, dass die pflegebedürftige Person ihre Hilfe nicht zu schätzen weiß. 25 Prozent hätten den Pflegebedürftigen bereits „vor Wut schütteln können“.

Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender des ZQP: „Pflegende Angehörige müssen wirksamer unterstützt werden. Denn Pflege kann schwierig sein und auch mit negativen Emotionen einhergehen. Es ist bedeutsam, solche Gefühle zu erkennen und zu lernen, wie man damit umgehen kann. Das ist ein wichtiger Schritt, um gefährlichen Krisen vorzubeugen und die Gesundheit aller Beteiligten zu schützen.“

Neben belastenden Gefühlen berichten viele Angehörige von Gewalt beziehunbgsweise krankheitsbedingtem gewaltförmigem Verhalten Pflegebedürftiger. 45 Prozent geben an, mit psychischer Gewalt wie Anschreien, Beleidigen oder Einschüchtern konfrontiert worden zu sein. 11 Prozent haben körperliche Übergriffe wie grobes Anfassen, Kratzen, Kneifen oder Schlagen erlebt.

„Gewalt in der Pflege hat viele Gesichter und fängt nicht erst beim Schlagen an. Es kommt dabei nicht in erster Linie darauf an, ob etwas aus bösem Willen passiert oder strafrechtlich relevant ist. Vielmehr geht es um die oft gravierenden Folgen. Wer Gewalt in der Pflege verharmlost, verkennt die möglichen Schäden bei Betroffenen und das Risiko einer Eskalationsspirale“, erklärt Suhr. Das Thema sei immer noch stark tabuisiert, es käme darum auf sachliche Aufklärung an. „Skandalisierung oder Stigmatisierung behindern eher wirksame Gewaltprävention“, so Suhr weiter.

Auch Pflegende können gegenüber einer pflegebedürftigen Person gewaltsam handeln. Insgesamt 40 Prozent der Befragten äußerten, dies innerhalb der vergangenen sechs Monate mindestens schon einmal absichtlich getan zu haben. Am häufigsten wurden mit 32 Prozent auch hier Formen psychischer Gewalt berichtet. 12 Prozent machten Angaben zu körperlicher Gewalt, 11 Prozent zu Vernachlässigung. Sechs Prozent nannten freiheitsentziehende Maßnahmen. Gewalt in der Pflege trifft pflegebedürftige Menschen oft besonders hart, denn sie können sich häufig nicht gut wehren, teilweise nicht einmal mehr äußern und sind vom Pflegenden meistens abhängig.

Hinweise dazu wie man mit Wut, Aggressionen oder herausforderndem Verhalten in der Pflege umgehen und Gewalt vorbeugen kann, erhält man zum Beispiel bei guten Pflegeschulungen oder Pflegeberatungen. Pflegende Angehörige haben auf Beratung und Schulung einen kostenlosen Rechtsanspruch.

Hintergrund

Fast drei Viertel der rund 3 Millionen pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden zu Hause versorgt – davon 1,4 Millionen ausschließlich durch Angehörige. 

Methoden und Vorgehensweise der Untersuchung

Grundgesamtheit der vorliegenden Analyse sind Personen in Deutschland im Alter von 40 bis 85 Jahren, die in ihrem privaten Umfeld seit mindestens sechs Monaten und mindestens einmal pro Woche einen Menschen pflegen, der folgende Kriterien erfüllt: (i) Alter ab 60 Jahren, (ii) pflegebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuches, d. h. die Person hat einen Pflegegrad und (iii) wird häuslich versorgt (d. h. wohnt nicht in einem Alten- oder Pflegeheim). Die Stichprobe von n = 1.006 Personen wurde gezogen aus einem Panel mit circa 80.000 deutschsprachigen Personen. Teilnehmen konnte nur, wer zur Grundgesamtheit gehörte.

Die Online-Befragung wurde in der Zeit vom 20. April bis zum 14. Mai 2018 durchgeführt. Die Stichprobe wurde nach Kombinationen von Alter, Geschlecht und formaler Bildung nachgewichtet, um sie dem Ideal einer Repräsentativstichprobe so weit wie möglich anzunähern. Grundlage der Nachgewichtung war der Deutsche Alterssurvey 2014, eine Repräsentativbefragung von Menschen zwischen 40 und 85 Jahren, die in Privathaushalten in Deutschland leben. Die statistische Fehlertoleranz der Untersuchung in der Gesamtstichprobe liegt bei +/- drei Prozentpunkten.


Quelle: Presseinformation der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege