Ordnung ist das halbe Leben!
Die bekannte Volksweisheit stellt zu Recht fest, dass das, was mit dem Begriff „Ordnung“ ausgedrückt wird, zwar wichtig für menschliches Leben und Verhaltensweisen ist, jedoch eben nicht das Ganze umfasst. Die Unterscheidung zwischen Ordnung als formalem, rechtlichem, legalem Begriff und moralischem, emotionalem und unverbindlichem Wertungswort macht schon deutlich, dass es notwendig ist, etwas genauer hinzuschauen, was gemeint und gemacht ist. Schauen wir mal in die nahe Vergangenheit: Die Gesellschaft für Politik und Sozialforschung (Polis) in Köln hat 1993 eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass 52 Prozent der Männer und Frauen in Deutschland sich eine „starke Hand“ und „Recht und Ordnung“ in Deutschland wünschen. Die repräsentative Umfrage ergab, dass rund 10 Prozent der Deutschen ein „geschlossenes, rechtextremes Weltbild“ hätten und ausländerfeindlich seien, wobei fast ein Drittel von männlichen Jugendlichen Gewalt als ein Mittel zur Lösung von gesellschaftlichen Konflikten befürworteten. Hat sich heute, mehr als zwei Jahrzehnte später daran etwas geändert?
Ordnung einführen heißt Unterscheidung bedenken
Der Mensch strebt nach Ordnung, Überschaubarkeit und hat gerne einen Überblick über das, was um ihn herum ist; vor allem dann, wenn in Zeiten des Wandels die scheinbaren und überkommenen „Sicherheiten“ abhanden kommen, in Frage gestellt werden, sich verändern und sich „Unsicherheit“ breit macht im individuellen und kollektiven Denken und Handeln der Menschen. Da wird der Ruf nach „Ordnungen“ wach, die den Menschen Anhaltspunkte und Halt im alltäglichen und gesellschaftlichen Leben geben sollen. „Räum` in deinem Leben auf“, raten, wenn Lebensziele und –situationen aus dem Ruder zu laufen drohen, Psychologen und Psychotherapeuten; „Ordentlich aufräumen“ heißt es auch, wer mit Computer, Smartphone oder Tablets umgeht, sie abgeben oder verkaufen will, damit nicht persönliche Daten in falsche Hände geraten.. Wie wir aus der Geschichte der Menschheit wissen, sind Erwartungen, Forderungen und Sehnsüchte nach Ordnung oft genug in Missbrauch, Unmenschlichkeiten, hierarchische Macht und Unfreiheiten gemündet. Es haben sich aber auch Systeme entwickelt, die notwendige Ordnungen für ein humanes Zusammenleben der Menschen, etwa im demokratischen System, bereitstellen. Es lohnt also darüber nachzudenken, wie der Mensch seine Umgebung klassifiziert und sich einordnet in die gesellschaftlichen Wirklichkeiten. Besonders in Situationen, bei denen scheinbare Wahrheiten und Beständigkeiten durch Veränderungen im individuellen und gesellschaftlichen Leben spürbar werden, werden Erwartungshaltungen geweckt, die nach Gewissheiten rufen. Es sind verständliche Sehnsüchte nach einem Halt und nach der Fähigkeit, die Entwicklungen in die eigene Hand nehmen zu können – oder sie von anderen Mächten erledigen zu lassen, allerdings zum eigenen Nutzen und nicht dadurch, dass unkontrollierbare Kräfte darüber bestimmen, wie das eigene Leben gestaltet werden soll. Es geht nicht darum, eine „starke Hand“ oder einen „Machtmenschen“ zu fordern; vielmehr soll die Erkenntnis ins Spiel gebracht werden, dass „Wahrheit eine Form des risikoreichen Lebens“ ist und die Bereitschaft zur Veränderung bedingt. Der Schweizer Soziologe Lukas Neuhaus nimmt in seinem Buch „Wie der Beruf das Denken formt“ die Muster der sozialen Klassifizierungserfahrungen auf, indem er – über die individuellen, sozialstrukturellen und habituell-biographischen Zuordnungen hinausgehend – danach fragt, wie sie mit der Struktur einer beruflichen Handlung korrespondieren, wie also ein „Zusammenhang zwischen der potentiell problematischen Struktur des beruflichen Handelns und den Mustern sozialer Klassifizierung“ besteht. Er zeigt auf, wie in den verschiedenen Berufsgruppen, etwa den pädagogischen und sozialen Berufen, den Verwaltungstätigkeiten oder den technischen Berufen unterschiedliche soziale Klassifizierungen vorgenommen werden und sich Zuschreibung für Werte- und Verhaltensmuster bilden, die das individuelle und gesellschaftlich-politische Verhalten der jeweils Agierenden beeinflussen. Sie reichen von der Bereitschaft zum Perspektivenwechsel, bis hin zu sich verfestigenden, konservativen Einstellungen, wie: „Das haben wir noch nie so gemacht“, oder: „Das haben wir schon immer so gehandhabt“[i].
Eine bewusste, achtsame und selbstfürsorgliche Haltung schafft Lebenskraft
In den Ratgebern, Erziehungsprinzipien und Tugenddiskussionen wird immer wieder auf die anthropologische Festlegung verwiesen, dass der Mensch kraft seiner Intellektualität und der ihm von Natur aus gegebenen Vernunftfähigkeit dafür prädestiniert ist, zwischen Gut und Böse unterscheiden und ein gutes, gelingendes Leben führen zu können; und zwar sowohl individuell als auch kollektiv. Die kulturellen und gesellschaftlichen Aspekte zeigen sich vor allem darin, dass die Fragen, wie der Mensch mit sich und seiner Umwelt umgeht, äußerst differenziert und unterschiedlich beantwortet werden. Im wissenschaftlichen Diskurs bringen dabei alle Fachdisziplinen ihre Auffassungen über die Existenzweisen der Menschen ein. Es sind philosophische, anthropologische, erziehungs- und kulturwissenschaftliche, psychologische, biologische, soziologische und gesellschafts-politische Positionen, die jeweils den Fokus darauf richten, wie das Selbst des Menschlichen individuell und gesellschaftlich wirkt und sich als Erkenntnisprozess zum Ausdruck kommt. „Mit Selbststeuerung lässt sich im Leben vieles, ohne sie nichts erreichen“; mit dieser apodiktischen Feststellung wird gewissermaßen eine Menschen- und Weltschau mit dem Blick auf die Entwicklungen und Verwicklungen des menschlichen Selbst(bewusst)Seins eingeleitet: „Freiheit durch Selbststeuerung“. Es sind Aufforderung zum Selbstdenken und nicht andere für sich denken zu lassen. Es geht um die Nachschau nach den Ursachen von Verhaltensweisen, die sich artikulieren in konsumtiven und unverbindlichen Einstellungen wie: „Ich will alles, und das sofort!“. Dem gegenüber stehen Herausforderungen, wie sie sich zum Beispiel in dem (nobelpreisgekrönten) Rat ausdrücken: „Was mehr wird, wenn wir teilen“[ii], und in der antiken philosophischen „autarkeia“ grundgelegt ist, nämlich, dass „autark ein Individuum, eine Gemeinschaft oder eine Tätigkeit (ist), die auf nichts anderes angewiesen ist, weil sie alles, was sie benötigt, selbst hat oder sich selbst beschaffen kann“[iii]. Der Neurobiologe und Psychotherapeut Joachim Bauer richtet seinen Blick darauf, wie die neuesten Erkenntnisse aus der Neurobiologie es ermöglichen, den freien, menschlichen Willen durch Selbststeuerung befördern zu können. Dabei kommt es ihm darauf an zu verdeutlichen, dass Selbststeuerung kein Selbstzweck sein darf, sondern dazu führen sollte, die humane Bestimmung des Menschen zu verwirklichen - ein gutes, gelingendes Leben als Individuum und Gemeinschaftswesen zu führen. Da gilt es, sich mit dem „Unbewussten“ auseinander zu setzen und aus der Sicht der Neurowissenschaften das Unbewusste ins Bewusstsein zu bringen. Mit der Freudschen Arbeitshypothese: „Wo Es war, soll Ich werden“ thematisiert der Autor „die sublime Unterwanderung des freien Willens“. Weil unser Denken, Fühlen und Handeln durch äußere Einflüsse verändert werden kann, ist es wichtig, die daraus entstehenden Mechanismen und Wirkungen kennen zu lernen; etwa die Bedeutung der Spiegelneurone, wie sie auf ganz bestimmte Verhaltensweisen reagieren und Verhalten beeinflussen[iv].
Wenn Ordnung krank macht
Wenn Ordnungsempfindungen zu Zwängen werden, sowohl beim privaten als auch beim beruflichen Tun und Denken, wird von Narzissmus gesprochen. Als krankhafte Form gibt es in vielen Variationen, und die Merkmale von narzisstischem Verhalten reichen von der Freudschen Definition als eine psychische Kraft, die auf das eigene Ich gerichtet ist, anstatt auf das Objekt, über die Zuschreibung, die der Psychoanalytiker Heinz Kohut trifft, dass Narzissten sowohl ein labiles Selbstwertgefühl haben, als auch ein perverses, süchtiges und delinquentes Verhalten zeigen, bis hin zu der Kennzeichnung, die der amerikanische Psychoanalytiker Otto F. Kernberg trifft, dass Narzissmus sich in der intensiven Beschäftigung mit sich selbst, durch übertriebenem Ehrgeiz und in Allmachtsgefühlen darstelle. Der aus einem griechischen, antiken Mythos hergeleitete Begriff bezieht sich auf den Jüngling Nárkissos, der sich, indem er an einer Quelle sein eigenes Bild auf der Wasseroberfläche sieht, in dieses Spiegelbild, also in sich selbst verliebte und verzweifelte, weil er es nicht habhaft werden konnte. Der italienische Maler Caravaggio hat die Situation in seinem berühmten Bild eindrucksvoll dargestellt. Im späten 19. Jahrhundert wurde der Begriff, vor allem durch Sigmund Freud, C. G. Jung und ihren Schülern, in die psychoanalytischen Forschungen und Praxis eingebracht. Der Coach und Managementtrainer Werner Berschneider beschreibt Narzissmus sowohl als alltägliche Erscheinung, ja sogar anerkennens- und liebenswerte Haltung, als auch als störende und verletzende Verhaltensweise. Er zeigt auf, dass einerseits Narzissten berühmte Kunstwerke, ökonomische, technische und politische Leistungen hervorgebracht haben und erbringen, andererseits auch zu ausbeuterischen, zerstörenden, gemeinschaftsschädigenden, größenwahnsinnigen und egoistischen Taten fähig sind. An drei typischen narzisstischen Erscheinungsformen diskutiert er die aktuelle Entwicklung und stellt fest: „Wir leben im Zeitalter des Narzissmus!“, und es ist angezeigt, die krankmachenden und gesellschaftsschädlichen Formen der „Zeitkrankheit“ zu beachten und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Er weist auf den Zusammenhang von Macht – Gewalt – Ordnungsvorstellung hin[v].
Das Spannungsfeld von „Crisis and Collapse“, oder: „Das Verlangen nach Sicherheit bringt Trägheit hervor“
Dass wir in einer „Risikogesellschaft“ leben (Ulrich Beck) gehört zu den Standardeinsichten im weltweiten Diskurs um Sicherheit und Unsicherheit, sowohl im persönlichen, als auch im gesellschaftlichen,.lokalen und globalen Dasein der Menschheit. Dass die Menschen kein absolut sicheres Dasein auf der Erde erwarten können, und dass das Leben in allen seinen Facetten und Situationen Risiko ist, gehört mittlerweile zum existenzphilosophischen und soziologischen Erkenntnisstand. Die Ansprüche und Erwartungshaltungen der Menschen, in den Zeiten der Unsicherheiten ein sicheres, soziales Leben führen zu können, wachsen. In dieser Kontroverse zeigen sich eine Reihe von Imponderabilien und Widersprüche, die im gesellschaftlichen Diskurs nicht immer objektiv und sachgerecht zu Wort kommen; etwa durch die Diskrepanz, dass der Sicherheitsanspruch möglicherweise Freiheitserwartungen tangieren kann[vi]. Hans Hoch vom Fachbereich Geschichte und Soziologie der Universität Konstanz und Vorstand des Freiburger Instituts für angewandte Sozialwissenschaft und Peter Zoche vom Karlsruher Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung setzen sich als Herausgeber eines Sammelbandes mit den wissenschaftlichen, interdisziplinären Erkenntnissen zu den vielfältigen Aspekten und Imponderabilien des Wirkungspaares „Sicherheit – Unsicherheit“ auseinander. Dass dabei auch Aspekte des Ordnungsdenkens Scharniere und Druckknöpfe zum Öffnen der Pandora verdeutlichen, versteht sich von selbst[vii].
Ist Ordnung alles oder nichts?
Wenn Ordnung Anker und nicht einbetoniertes Fundament des Denkens und der Wert- und Welthaltung sein soll, hilft phantasievolles und unabhängiges Denken; das nennen wir Philosophieren. Wer mit sich und der Welt nicht zufrieden ist, muss philosophieren; wem wohl ist, erst recht; und gar, wer Phantasie entwickeln will! Man muss entweder Metaphysiker, also Philosoph sein, oder ein Kind, die sich die Frage zu stellen trauen: „Warum ist etwas und nicht nichts?“. Ob dabei eine Mauer blockt, oder eine Brücke lockt, hängt entscheidend davon ab, wie das Individuum im Frage stellen und im In-Frage-stellen geübt, geschult und frei ist. Ein Ordnungsfanatiker hasst nicht mehr als die Frage: „Warum? Denn seine Vorstellungen liegen fest und haben sich in seinem Denken und Tun plaziert. „Warum“-Fragen aber wecken Neugier. Wenn jemand die Frage stellt – „Wer bin ich?“ – vielleicht sogar mit dem rückbezüglichen Hintergedanken nach dem „Wenn ja, wie viele?“, und dabei die abendländischen Traditionen der Kantischen Fragen – „Was kann ich wissen?“ „Was soll ich tun?“ „Was darf ich hoffen?“ bemüht, begibt er sich zwar auf eine „philosophische Reise“[viii]; er entgeht dabei aber auch nicht der Falle, die der Physiker und Philosoph Heinz von Foerster mit der Feststellung bedenkt: „Sage mir etwas über den Ursprung des Universums, und ich sage dir, wer du bist!“[ix]; wohl auch nicht dem Dilemma, dass die Wahrheits(suche) eine Form des risikoreichen Lebens ist[x]. Die Frage nach der menschlichen Existenz und den Urgründen seines universalen Daseins ist ein „brut fact“. Es ist der humanen Verstandesfähigkeit geschuldet, für Zustände, Dinge und Wirklichkeiten eine Erklärung zu finden, zumindest aber eine Frage danach zu stellen. Der US-amerikanische Autor und Essayist Jim Holt hat 2012 das Buch „Why Does the World Exist? An Existential Detective Story“ veröffentlicht, das sofort nach Erscheinen auf der Bestsellerliste der „New York Times“ landete und sowohl bei der philosophisch geschulten Leserschaft, wie in der breiten Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit fand. Es ist die „Leichtigkeit des Seins“, die nur durch Neugier und Frage-Bereitschaft entstehen kann, ohne banal und unglaubwürdig zu werden, die Jim Holt zu der Feststellung veranlasst, „dass etwas sein muss und nicht nichts sein kann“. In einer Fernsehsendung unterhält sich der französische Fernsehmoderator Bernard Pivot mit einem Dominikanerpater, einem Physiktheoretiker und einem buddhistischen Mönch über die Leibnitzsche Frage: Pourquoi y-a-t-il quelque chose plutôt que rien?“ – Warum ist etwas und nicht nichts? Der Kleriker äußert natürlich, dass die Wirklichkeit göttlichen Ursprungs sei; der Physiker erläutert forsch, dass sich die Existenz des Universums rein zufällig vorhandenen Quantenfluktuationen verdanke. Der Buddhist lächelt und sagt mit sanfter Stimme, er glaube, dass das Universum keinen Beginn habe, denn ein Nichts könne niemals Sein hervorbringen. Mit dem buddhistischen Pfad der Erleuchtung könne es Menschen gelingen, dem Rätsel des Seins auf die Spur zu kommen[xi].
Die Fähigkeit, Alternativen zu denken
Wissen und Gewissen müssen sich gleichzeitig entwickeln, sonst geraten Mut und Moral , Skepsis und Vertrauen in eine Schieflage, die Unfreiheit hervorbringt. Erich Fromm hat in seinem Buch „Die Furcht vor der Freiheit“ (1966) darauf hingewiesen, dass der Mensch bei seinem Streben nach Freiheit und Gerechtigkeit im gesellschaftlichen Leben sich im Zwiespalt von Unabhängigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstherrlichkeit und Abhängigkeit, Anpassungsbereitschaft, Einsamkeit befindet. Die Zivilisierung der menschlichen Existenz macht, so Norbert Elias in seinem „Entwurf zu einer Theorie der Zivilisation“ (1989), den gesellschaftlichen Zwang zum Selbstzwang notwendig. Dass es dazu des Bewusstseins zur Subversion bedarf (Bertrand Russel: Freiheit ohne Furcht. Erziehung für eine neue Gesellschaft, 1975) bedarf, hat in treffender Weise Kurt Marti in seinem Schweizer Mundartgedicht „Wo chiemte mer hi...“ zum Ausdruck gebracht, das Hans A. Pestolozzi als „positive Subversion“ bezeichnet: „Wo kämen wir hin / wenn alle sagten / wo kämen wir hin / und niemand ginge / um einmal zu schauen / wohin man käme / wenn man ginge“[xii]. Die europäische Aufklärung hat die Erkenntnis vermittelt, dass der Mensch kraft seiner Vernunftbegabung und seiner Fähigkeit zum politischen, sprich kritischen Denken in der Lage ist, sich aus einer selbstverschuldeten Unfreiheit zu befreien. Ein Merkposten bei diesem schwierigen, herausfordernden und befreiungsrelevanten Unterfangen ist: „Zivilcourage[xiii]. Es ist nicht das stromlinienförmige, auf Nutzen und Profit orientierte Denken und Handeln, das Menschlichkeit und Humanismus ermöglichen, sondern das Denken von Alternativen. Dieses Bewusstsein, dass es einen Perspektivenwechsel weg vom (ökonomischen und existentiellen) „Immer-Weiter-Immer-Schneller-Immer-Mehr“ und hin zu einem sozialgerechtigkeitsbezogenen Leben für alle Menschen auf der Erde bedarf, wird immerhin, wenn auch langsam und erst einmal intellektuell diskutiert und formuliert. Die Ideen und Konzepte sind mittlerweile sogar nobelpreiswürdig geworden[xiv]. Der Frankfurter Sozialwissenschaftler Rainer Lehmann kommt mit einer „Zumutung“ auf den Büchermarkt. Seine Aufforderung zur Ungehorsamkeit versteht er nicht nihilistisch oder fatalistisch, sondern tatsächlich als Mutmacher dafür, dass Skepsis, Zweifel und nötigenfalls Ungehorsam Bürgerpflicht sind, in jedem Fall in einer kapitalistischen, konsumtiven und verführerischen Welt. Mit seiner Frage: „Freiheit für WEN und WAS?“ versteht er Ungehorsamkeit nicht als Chaos, sondern ein Menschenrecht und eine Menschenpflicht; denn „Gehorsam bedarf zwingend einer Begründung, Ungehorsam einer Erklärung, die auch die Notwendigkeit von Tabubrüchen, Regelverletzungen und …von Gesetzesübertretungen vermittelt“[xv].
Die Unordnungen von einst, sind die Gewissheiten von Heute
Das wilde Denken ist tot – es lebe das wilde Denken! Eines der Zauberworte in der sich immer interdependenter, entgrenzender und globalisierender (Einen?) Welt ist: „Perspektivenwechsel“. Gemeint ist damit die Aufforderung zum Umdenken, zur Horizonterweiterung und zur Umkehr vom Trott eines business as usual, wie dies 1995 die Weltkommission „Kultur und Entwicklung“ dramatisch formuliert hat: „Die Menschheit steht vor der Herausforderung umzudenken, sich umzuorientieren und gesellschaftlich umzuorganisieren, kurz: neue Lebensformen zu finden“. In der Reihe des Carl-Auer-Systeme Verlags „Systemische Horizonte – Theorie der Praxis“ wird auf diese neue, lokale und globale Anforderung ein besonderes Augenmerk gerichtet, wie Bewusstsein und (die Wahrnehmung der) Realität in der globalen Lebenswirklichkeit sich darstellt und als interdisziplinärer Theorie-Praxis-Zusammenhang zeigt: „Theorie braucht man dann, wenn sie überflüssig geworden zu sein scheint – als Anlass zum Neu- und Andersdenken, als Horizonterweiterung und inspirierende Irritation, die dabei hilft, eigene Gewissheiten und letzte Wahrheiten, große und kleine Ideologien solange zu drehen und zu wenden, bis sie unscharfe Ränder bekommen – und man mehr sieht als zuvor“. Die Erfahrung ist allgegenwärtig: „Der Versuch, mit jemandem zu kommunizieren, der ein anderes Weltbild benutzt als man selbst, und sich dessen nicht bewusst zu sein, kann nur Verwirrung auslösen“. Es gibt keine mentalen Prozesse ohne Realitätsbezug und ohne Vergewisserung der Wirklichkeit, genauso wie es keine Realitätswahrnehmung ohne Bewusstsein gibt. Weil aber Weltbilder und Weltansichten immer situations- und zeitbezogen sind, unterliegt auch unsere Wahrnehmung der Realität, wie auch unser Handeln auf bestimmte Situationen einem Wandel. Die uralte philosophische Frage, ob sich Erkenntnis als a priori, also der menschlichen Erfahrung vorausgehend, oder als durch die Erfahrung vermittelt zeigt, wird mit den differenzierten, vom jeweiligen persönlichen und fachlichen Standpunkt ausgehenden Nachschauen über das „Wer bin ich?“ unterschiedlich diskutiert. Der wissenschaftliche Diskurs darüber, was Bewusstsein ist, mündet schließlich in der Auffassung: „Bewusstsein ist ein faszinierendes, aber schwer zu fassendes Phänomen“; es bleibt also ein Rätsel, genauso wie die Frage danach, in welcher Beziehung menschliches Bewusstsein und Verhalten zueinander stehen, ob sich beide Phänomene ausschlössen, zusammengehörten oder ergänzten[xvi].
„Ohne Selbstbestimmung – individuell wie kollektiv – ist gutes Leben nicht organisierbar“
Ein euzôia, ein gutes Leben, streben Menschen in ihrem Intellekt und in ihrer Vita an, seit sie denkend existieren. Nach der aristotelischen Philosophie beschränkt sich ein gutes Leben nicht auf das Notwendige, sondern umschließt das eine, alles umfassende Gut und Ziel menschlichen Daseins. Das Streben des Menschen nach Mehr(Wert) als dem für seine physische Existenz Erforderliche hat Zivilisationen zu allen Zeiten veranlasst, Werte zu entwickeln, die sich als kulturelle und zivilisatorische Errungenschaften in die Menschheitsgeschichte eingeschrieben und Initiativen hervorgebracht haben, sie als „Erbe der Menschheit“ zu bewahren, wie auch als Kulturkritik fragwürdig zu machen. Die Vita des 1926 im ostfriesischen Aurich geborenen Hermann Lübbe lässt sich als „Zeitzeichen“ lesen. Als Mitglied der NSDAP (von ihm marginalisiert) und später der SPD (zeitweilig) hat er auch als Staatssekretär in Nordrhein-Westfalen gewirkt. Als Philosoph war er an mehreren deutschen Universitäten tätig; bis zu seiner Emeritierung 1991 an der Universität in Zürich. Als Präsident der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie und Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland hat er mit seinen Schriften und seinem Wirken großen Einfluss auf den Diskurs der politischen Philosophie in Deutschland genommen. Mit seinem Werk sieht sich Lübbe in der Tradition der europäischen Aufklärung, wobei er totalitären, geschichtsphilosophischen Konzepten eine Absage erteilt. Das von Wolfgang Rother in der Reihe „Schwabe Interdisziplinär“ vorgelegte Kompendium „Zivilisationsdynamik“ lässt sich als Bestandsaufnahme von Hermann Lübbes philosophischem Wirken und als Einmischung in aktuelle wissenschaftliche, kulturelle und politische Wirklichkeiten lesen. Die Wegebeschreibungen und –markierungen zwischen individuellen und kollektiven Schuldeingeständnissen und Entschuldigungen, zwischen Erfolgsgeschichten und Versäumnissen, Visionen und Orientierungen, Moralvorstellungen und Zwängen, Betroffenheiten und Befindlichkeiten verdeutlichen, dass ohne Selbstvergewisserung, Selbststeuerung (Anm. 4) und Selbstbestimmung individuell und lokal- und globalgesellschaftlich humane Existenz nicht möglich ist[xvii].
Sind Wirklichkeiten wirklich?
Wie bitte? Soll es zwei Wirklichkeiten geben? Wäre dann die eine „Wirklichkeit“ nicht unwirklich und die andere, echte „Wirklichkeit“ nicht die einzig wirkliche? Oder haben wir es mit einer Abstraktion oder hamartia zu tun, wie Aristoteles den Irrtum bezeichnet als etwas, wovor man sich fürchtet, was man nicht tun soll? Wir sind bei der problematischen Nachdenke, ob die Realität, die wir in unserem alltäglichen und gesellschaftlichen Leben wahrnehmen, die wirkliche Wirklichkeit oder eine gemachte, vorgespiegelte und vertauschte Wahrheit ist. Die Metapher „Lebe ich im falschen Film?“ will ja zum Ausdruck bringen, dass da vor mir etwas abläuft, das nicht in meinem Denksystem, meinen Erwartungshaltungen und Erfahrungen vorhanden ist und überrascht, irritiert und verunsichert. Meist lässt sich das abtun mit der beruhigenden Auffassung: „Das ist ja nur im Film“ oder „Das habe ich mir ja nur eingebildet“ oder „Das ist unwirkliche Phantasie“. Kommt aber dann jemand, der behauptet, dass die scheinbare Unwirklichkeit wirklich ist, entsteht leicht Unsicherheit, und aus Ungläubigkeit kann sich Gläubigkeit oder Überzeugtheit entwickeln. Das kann durch Beweise geschehen, oder durch Manipulation oder Indoktrination. Wir sind bei der Frage, wie sich die Existenz und das Dasein des Menschen begründet, als materielles Haben oder als ideelles Sein[xviii]. Diese Fragen stellt der Psychiater, Psychotherapeut und Schriftsteller Manfred Lütz. Er identifiziert unsere Lebensauffassungen, Einstellungen und Erwartungshaltungen als „Bluff!“, als einen gigantischen, gesteuerten und manipulierten Schwindel, einen Irrtum und die Vorspiegelung von Trugbildern und Scheinwelten. Als Psychiater ist er allerdings nicht der Meinung, dass die „Fälschung der Welt“ ein psychiatrisches Problem darstellt; vielmehr ist er der Auffassung, „dass wir alle unter machtvollen Einflüssen stehen, die uns daran hindern, die Welt so zu sehen, wie sie in Wirklichkeit ist, und dass diese Täuschung inzwischen gefährliche Ausmaße annimmt“. Er antwortet darauf allerdings nicht resignativ oder fatalistisch, sondern mit der Überzeugung, dass der Mensch ein zôon politikon, ein politisches Lebewesen ist, das, nach Aristoteles, in der Lage ist, vernunftgemäß zu denken und zu handeln und ein glückliches Leben nur in Verantwortung und Gemeinschaft mit den Mitmenschen zu führen. Die „Agenturen des Irrtums“ sind es, die es zu analysieren gilt. Es sind die scheinbaren Tatsachenbilder, die uns der Bildschirm spiegelt, als Dokumentationen und „Reality-Shows“, die Gut und Böse wahr-haftig machen wollen und doch nur, wenn sie gut gespielt werden, falsches Spiel sind. Mit seinem „Fälschungsbericht“ liefert er jedoch keine Rezepte, wie das Falsche, das Vorgegaukelte, das gesellschaftlich und ideologisch Gemachte erkannt werden kann; vielmehr kommt es darauf an, den Adornoschen Satz – „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ – als eine wirkliche Herausforderung zum Perspektivenwechsel in unserem lokalen Alltag wie im globalen Menschsein zu verstehen[xix].
Aus der selbstverschuldeten Ignoranz ausbrechen
Die Menschheit muss in ihrer Existenz einen Perspektivenwechsel vollziehen, will sie überleben. Das ist keine fatalistische Erkenntnis, sondern eine Einsicht, die mittlerweile in vielfältiger Weise auf den Tisch des menschlichen Lebens gelegt wurde; etwa durch die Berichte an den Club of Rome, dass die Grenzen des Wachstums erreicht seien (1972), dass sich die Menschheit am Wendepunkt ihrer Geschichte befinde (1974), dass die Welt im Jahr 2000 noch übervölkerter, verschmutzter, ökologisch noch weniger stabil und für Störungen anfälliger sein wird als 1980 (Global 2000. Bericht an den Präsidenten), dass „throughput growth“, Durchflusswachstum eingestellt und eine tragfähige Entwicklung auf der Erde eingeleitet werden müsse (Brundtland-Bericht 1987), dass die Menschheit an einem entscheidenden Punkt ihrer Geschichte angelangt sei, (Agenda 21, 1992) und dass die Menschheit vor der Herausforderung stehe umzudenken, sich umzuorientieren und gesellschaftlich umzuorganisieren und neue Lebensformen finden (Weltkommission „Kultur und Entwicklung“, 1995) und erkennen müsse, dass der Mensch zur Erde und nicht die Erde dem Menschen gehöre (MAB). Dass die Einsichten in ein Umdenken trotz der zahlreichen Warnungen, Prognosen und Analysen scheinbar bei den Menschen so wenig wirksam werden, lässt nicht wenige hilflos und resignativ zurück. In den jährlich erscheinenden Berichten des New Yorker Worldwatch Institute „Zur Lage der Welt“ wird vor der Überhitzung des Planeten Erde gewarnt (2009), „Hunger im Überfluss“ attestiert (2011) und die Gier der Menschen nach Immer-Mehr angeprangert (2012). Da sind es Hoffnungsschimmer und Lichtblicke, dass es den Menschen, als vernunftbegabte und politische Lebewesen doch gelingen könne, die Mauern der Selbstsucht und der Uneinsichtigkeit zu überwinden und für einen nachhaltigen Lebensstil einzutreten. Es sind meist unspektakuläre und als selbstverständlich daherkommende Aktivitäten, die solidarische Wege aufzeigen,[xx] sich als „Samenkörner“ von sozialen Initiativen darstellen[xxi], auffordern, „dem Fluch des niedrigen Preises ab(zu)schwören, … dem Fluch der niedrigen Kosten den Garaus (zu) machen, … dem Fluch der hohen Renditen aus(zu)treiben, … dem Fluch des mächtigen Mainstreams ein(zu)dämmen, …den Fluch der falschen Kundenorientierung (zu) bekämpfen und dem Fluch der großen Konzerne die Stirn (zu) bieten“[xxii], die Mut machen, nicht in eingefahrenen und vorgelegten Gleisen weiter zu denken! Mit der Metapher „Tanz des Lebens“ drückt die 1929 geborene US-amerikanische Systemwissenschaftlerin und Buddhismus lehrende Joanna Macy mit der Theorie der „Tiefen Ökologie“ aus, dass die Erde ein lebendes, ganzheitliches System ist, in dem alle Dinge miteinander verbunden und voneinander abhängig sind. Ob die Welt als Schlachtfeld, als Falle oder als Geliebte und Teil meiner selbst betrachtet wird, bestimmt das Weltbild. Mit dem Zuspruch „Sei du selbst!“ beeinflussen ihre Ideen und Aktivitäten beeinflussen Bewegungen für Frieden, soziale Gerechtigkeit und Schutz der Umwelt. „Die Krise(n), die unseren Planeten bedrohen, sind von Menschen gemacht, sie entspringen einem untauglichen, krankhaften Verständnis vom Selbst“[xxiii]. Es sind fünf Geschichten, mit denen aufgezeigt wird, dass wir „uns diese Suppe selbst eingebrockt“ haben, nämlich einen Zustand der Welt und Menschheit zustande zu bringen, bei dem viel Leid, Zerstörung, Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit für die Menschen und die Umwelt kommt. Dabei aber nicht zu resignieren oder zu fatalisieren, sondern den „großen Wandel“ (Great Turning) zu beginnen, bei sich selbst, in der eigenen Umgebung und Gesellschaft, um tatsächlich ein neues Weltbewusstsein zu erreichen, das zeigen die exemplarischen Geschichten auf, und zwar nicht spektakulär, medienwirksam oder mit viel Tam-Tam oder gar Waffengeklirr, sondern mit der Feststellung: „Es reicht, das zu tun, was wir tun – aus ganzem Herzen“[xxiv].
„Was zeichnet psychisch besonders gesunde Menschen aus?“
Es ist nicht der sonst übliche Blick auf die Krankheitsgeschichte der Menschen und die individuellen und kollektiven Defizite, wenn es darum geht, wie ein existentieller, anthropologischer, psychologischer, sozialer und philosophischer Perspektivenwechsel bei der Analyse über den Zustand der Welt möglich wird, sondern die Nachschau darüber, wie und warum es Menschen und Gesellschaften gelingt, eine positive, nachhaltige Entwicklung zu vollziehen. Der US-amerikanische Psychologe und Präsident der „American Psychological Association“, Abraham H. Maslow (1908 – 1970), gilt als Mitbegründer der Humanistischen Psychologie[xxv]. Maslow ist in der deutschsprachigen, psychologischen, psychotherapeutischen, soziologischen und entwicklungspolitischen Diskussion vor allem durch seine „Bedürfnispyramide“ bekannt geworden, mit der er die individuellen Grundbedürfnisse der Menschen aufzeigt und auf die Forderungen nach lokaler und globaler sozialer und Verteilungsgerechtigkeit verweist. Bei seinen Forschungen fiel ihm auf, dass „psychisch besonders gesunde (und zufriedene, JS) Menschen ( ) zu ‚mystischen Erfahrungen‘ (tendieren)“. Es sind „Gipfelerlebnisse“, die zu einer positiven Welt- und Mensch-Anschauung führen. Der Gestalttherapeut und Leiter der Gestalt-Institute Köln und Kassel (GIK, www.gestalt.de), Erhard Doubrawa, stellt dabei fest: „Jeder Mensch ist ein Mystiker“ – wenn er sich denn darum bemüht, sich um sich und die Welt um ihn herum zu sorgen. Solche „Gipfelerlebnisse“ braucht der Mensch jedoch nicht im Jenseits, in Religionen oder Ideologien zu suchen: Sie befinden sich in der Welt! Die Maslowschen Auseinandersetzungen über „die im Kern religiöse oder transzendente Erfahrung“ bringt den Herausgeber zu der, sicherlich von den Dogmatikern zurückgewiesenen Behauptung, dass alle, in den Weltreligionen und religiösen Weltanschauungen übermittelten und grundgelegten „übernatürlichen Offenbarungen“ nicht mehr und nicht weniger als „ganz natürliche, menschliche Gipfelerlebnisse“ gedeutet werden können. Bei der Frage nach „organisatorische(n) Gefahren für transzendente Erfahrungen“ wagte Maslow sogar eine Aussage, über die es in der Tat nachzudenken gilt: Er stellte bei seinen therapeutischen Erfahrungen und Forschungen fest, dass „nicht-theistische religiöse Menschen“ anscheinend religiöser, transzendentaler und mystischer denken als konventionell Religiöse. „Ich bin nicht kirchlich gebunden, aber religiös“, diese Erfahrung ist allgegenwärtig und zeigt die Probleme zwischen Institution und Intuition auf. Einen Schlüssel zum Aufsperren dieser sperrigen Türen liefert der Autor, indem er die Bedeutung einer Werte-Bildung in den Vordergrund rückt und auf „Zielwerte“ verweist, die als „spirituelle Werte“ oder „höhere Werte“ menschliches Dasein bestimmen sollten, wie Fragen nach dem „guten Leben“, dem „guten Menschen“, der „guten Gesellschaft“[xxvi].
Ungleichheit = Ungerechtigkeit?
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“. Mit dieser globalen Ethik, wie sie in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in Artikel 1 formuliert und in allen demokratischen Verfassungen übernommen wird, kommt zum Ausdruck, dass Ungleichheit ein Zustand ist, den es zu überwinden gilt. Es gibt freilich im soziologischen Diskurs kaum ein Thema, das um strittener ist. Da ist zum einen die Forderung nach Durchsetzung dieses humanen Anspruchs, zum anderen die Beweisführung, dass absolute Gleichheit gar nicht möglich und von daher nicht zu erreichen ist. Das Dilemma wird besonders an den Stellen deutlich, wo es darum geht, in den konkreten Lebenssituationen der Individuen und Gesellschaften die Gleichheitsforderung auf allen Gebieten des menschlichen Daseins anzuwenden. Damit wird die hehre Forderung nach Gleichheit gemessen an den wirklichen, individuellen und gesellschaftlichen Situationen, was dazu führt, dass sich die Diskussion an materiellen und politischen Bedingungen orientiert und zu Vergleichen führt, die entweder ideologische, revolutionäre, oder ohnmächtige Gefühle und Einstellungen weckt. So stellt sich die Situation dar: „Das Streben nach mehr Gleichheit ist ins Hintertreffen geraten und als politisches Ziel verblasst, zugleich flammt in nennenswerten Teilen der Bevölkerung auch Empörung über allzu große Ungleichheiten auf“, was ja wohl nichts anderes bedeutet, als dass die Vision einer individuellen und gesellschaftlichen Gleichheit der pragmatischen und scheinbar „einsichtigen“ Erkenntnis gewichen ist, dass es eine unbedingte Gleichheit der Menschen nicht geben könne; während gleichzeitig die materiellen Begehrlichkeiten und Machtanhäufungen der Gewinner in der Gesellschaft Verlierer produzieren. Da braucht es einer Begriffsbestimmung, die den Wert „Gleichheit“ unter gleichwertigen normativen und funktionalen Aspekten offen legt und erträgliche (Un-)Gleichheiten definiert. Stellt man zudem den (Un-) Gleichheitsgedanken unter die Prämisse der „Gerechtigkeit“, öffnet sich ein Horizont, der Fragen aufwirft wie: „Welche gesellschaftlichen Probleme ergeben sich durch die gegenwärtig beobachtbaren Ungleichheitsdynamiken?“ – „Wo schlägt Ungleichheit in Ungerechtigkeit um?“ – „Welche Ungleichheiten brauchen wir, welche sollten vehement bekämpft werden?“. Mögliche, akzeptable und gerechte Antworten kann, im wissenschaftlichen Diskurs, ein Fach wie die Soziologie allein nicht geben. Nur im interdisziplinären Diskurs mit Historikern, Politikwissenschaftlern, Philosophen, Ökonomen und Rechtswissenschaftlern können diskussionswürdige, gegenwartsbezogene und zukunftsorientierte Lösungsansätze für eine Gleichsetzung der Formel: Gleichheit = Gerechtigkeit gesucht werden. Der Soziologe von der Bremer Universität, Steffen Mau und die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie, Nadine M. Schöneck, geben einen Sammelband zu diesen Fragen heraus. Sie bringen 19 Autorinnen und Autoren zusammen, die ihre fachlichen, wissenschaftlichen Standpunkte und Sichtweisen zum Koordinatensystem (Un-)Gleichheit – (Un-)Gerechtigkeit vorbringen. Ein gemeinsames Verständnis der unterschiedlichen Beiträge besteht in dem Fragenpaar: „Inwiefern ist Ungleichheit dysfunktional, das heißt mit (hohen) individuellen und gesellschaftlichen Kosten verbunden?“ und „Inwiefern kann Ungleichheit funktional (bzw. zumindest akzeptabel) sein?“[xxvii].
Gesetzmäßigkeiten?
Der britische Historiker und Archäologe Ian Morris, der an den US-amerikanischen Universitäten Chicago und Stanford lehrt und forscht, legt ein umfangreiches Werk vor, mit dem er einen Gang durch die menschliche Geschichte unternimmt und aufzeigt, „dass uns die Gesetzmäßigkeiten der Geschichte eine recht gute Vorstellung davon vermitteln, was als Nächstes geschehen wird“ – nicht als Wahrsagerei und Philisterei, sondern mit einer historischen Analyse, bei der er einen Index der menschlichen, gesellschaftlichen Entwicklung aufstellt und damit eingreift in den globalen Diskurs um eine humane Weiterexistenz der Menschheit. Es dürfte die Kombination von Archäologie und Geschichte sein, die Ian Morris veranlassen, die Frage, warum der Westen die Welt (noch) dominiert, in einer anderen als der bisher üblichen und wissenschaftlich scheinbar gesicherten Weise stellt: „Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns ihr auf breiter Front nähern und das Augenmerk der Historiker auf größere Zusammenhänge, das Bewusstsein der Archäologen für die fernere Vergangenheit und die vergleichenden Methoden der Sozialwissenschaften miteinander verbinden“. Neben der Einleitung, in der er in einer Erzählung eine mögliche andere Geschichte der Herrschaft in der Welt fabuliert, unternimmt der Autor 12 Schritte, um seine These vom „immerwährenden Zusammenspiel… (der biologischen und soziologischen Gesetzmäßigkeiten und nicht langfristiger Determiniertheit oder kurzfristigen Zufallsereignissen“ zu begründen. Mit seinem „Index gesellschaftlicher Entwicklung“, der die gesamte Argumentation im Buch leitet, wird nach den Wahrscheinlichkeiten gefragt, wie die jeweiligen historischen Ereignisse zu werten sind. Weil Indizi immer von Annahmen ausgehen, die der Erklärung bedürfen, dürfte der anthropologisch-archäologisch-historische Versuch zu erklären, warum der Westen die Welt regiert, einen bedeutsamen Pflog in die globalen Reviermarkierungen schlagen. Im Gegensatz zu Peter M. Senge vom Massachusets Institute for Technology (MIT), der eine „notwendige Revolution“ für ein kollektives Mensch-Natur-Verhältnis fordert[xxviii], kommt Ian Morris zu dem Ergebnis, dass die Analyse der evolutionären Entwicklung der Menschheit Wege zum Verständnis der Herrschaftsverhältnisse in der Welt aufzeigen können. Archäologie und Geschichte sind Vehikel dazu! Die zahlreichen grafischen Darstellungen und Statistiken bieten insbesondere Sozialwissenschaftlern, Politikern und Lehrkräften ausgezeichnetes Quellenmaterial zur eigenen Standortbestimmung und Weitervermittlung der unumgänglichen Frage: Wie vollzieht sich menschliche Entwicklung und wie sollte sie verlaufen?[xxix].
Begrenzung und Entgrenzung sind Geschwister
„Erkenne deine Grenzen“, dieser Ratschlag hat seine Berechtigung wie seine Tücken. In der aristotelischen Philosophie wird den Lebewesen „eine Grenze und ein Maß der Größe und des Wachstums“ zugesprochen, „weil sie eine Seele haben, die das Wachstum reguliert“ (J. Hübner, in: Otfried Höffe, Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005, S. 438). Und bei der Frage, was den Menschen gelingen lässt, werden Be- und Entgrenzungen im Dasein als notwendige und unverzichtbare Paradigmen formuliert[xxx]. Grenzen zu erkennen und zu überschreiten sind demnach intellektuelle Balanceakte des Lebens, die den realistischen und den kritischen Geist herausfordern. Sie beginnen als Erfahrungssuche und bedürfen des kontinuierlichen Bemühens um Lebensweisheit[xxxi]. Im wissenschaftlichen Diskurs kommt den Phänomenen von Grenzziehungen und –überschreitungen in vielerlei Hinsicht eine unverzichtbare Bedeutung zu; sowohl beim disziplinären und interdisziplinären Forschen und Lehren, als auch bei den Identitäts- und Definitionsbemühungen um Inter- und Transdisziplinarität, um Vernetzung und problemorientierte Clusterbildung. Grenzüberschreitungen als Wagnis und Wahrhaftmachung des Menschseins, in all den imponderabilen Zwängen und Begrenzungen, das sind Herausforderungen im Spannungsfeld von Biologie, Kultur und Technik, also der lokal- und globalgesellschaftlichen Verantwortung. Die sich in der liquide entwickelten wissenschaftlichen Welt bedarf es neuer Fragen und Antworten auf die alten Menschheitsdinge. Die Erosion alter Grenzen und Grenzerfahrungen verlangt nach dem Öffnen neuer Räume und wissenschaftlicher, kooperativer Zugänge. Die im Sammelband veröffentlichten interdisziplinären Beiträge der Tübinger Vorlesungsreihe “Grenzüberschreitungen – der Mensch im Spannungsfeld von Biologie, Kultur und Technik“ sind Fingerzeige und Richtungsanzeiger für wissenschaftliches Denken, Lehren und Forschen[xxxii].
Traditionen und Traditionalismen
Vom Wiedererwachen des traditionellen Denkens und Handelns überall in der Welt ist die Rede. Das erstaunt einerseits, weil in den Zeiten der sich immer interdependenter und entgrenzender entwickelnden (Einen?) Welt sich kulturelle und zivilisatorische Trends global anzugleichen scheinen, und andererseits Traditionen, gepaart mit Individualismen (und Egoismen), eine zunehmende Bedeutung und Aufmerksamkeit erlangen. Weil Traditionen sich in vielfältigen Formen zeigen und kontextuell auftreten, sind die wissenschaftlichen Zugänge zu der Frage was Traditionen sind und sich als Traditionalismen verdeutlichen, interdisziplinär zu betrachten, wobei die anthropologischen und ethnologischen Aspekte gewissermaßen Leitfunktionen haben können. Die Selbst- (und durchaus auch die Fremd-)identifikationen bei der Beschreibung und Zuordnung zu einer Tradition, etwa einer Volksgruppe oder Nation, hat sowohl identitätsstiftende, als auch ab- und ausgrenzende Bedeutung: „Ethnische Identität (ist) immer das Produkt externer und interner Definition“. Die Auseinandersetzungen über Traditionen und Traditionalismen sowohl lokal, als Abgrenzung und Selbstdefinition, als auch global, als Vielfalt der Menschheit, müssen die verschiedenen Aspekte, Trends, alltäglichen und kulturellen Entwicklungen in den Blick haben, und zwar disziplinär als auch interdisziplinär.. Der Kultur- und Sozialanthropologe der Universität Wien und Präsident der Anthropologischen Gesellschaft Wien, Hermann Mückler und der Direktor des Paulo-Freire-Zentrums für transdisziplinäre Entwicklungsforschung und dialogische Bildung in Wien, Gerald Faschingeder, lassen in dem vom Wiener Verein für Geschichte und Sozialkunde und der entwicklungspolitischen NGO, Südwind initiiertem Sammelband „Tradition und Traditionalismus“ VertreterInnen von mehreren Fachdisziplinen zu Wort kommen. Es sind, neben den beiden Herausgebern, 11 Autorinnen und Autoren, die fachspezifisch und wissenschaftssystematisch die Thematik zu den Bereichen Europäische Ethnologie, Entwicklungsforschung, Kultur- und Sozialanthropologie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte diskutieren und so ein Kompendium vorlegen, das geeignet ist, historisch und aktuell auf die Entstehung und Instrumentalisierung von Traditionen aufmerksam zu machen, sowie die lokalen und globalen Phänomene eines „Wiedererwachens der Tradition“ aufzugreifen. Die Unterschiedlichkeiten von Tradition und Traditionalismus zeigen sich in Realitäten und Realitätsverkennungen. Traditionelles Denken und Handeln kann sich sowohl in Fehldeutungen und -einschätzungen, als Einbildung, Immagination, Erdichtung, Fiktion, Trugbild oder Wunschtraum darstellen, als auch als stabile Werthaltung und Weitergabe von Handlungsmustern, Überzeugungen, Glaubensvorstellungen… zeigen. In der sich radikal wandelnden, scheinbare Gewissheiten produzierenden und Ungewissheiten schaffenden (Einen?) Welt sind Menschen auf Traditionen angewiesen, wie sie auch in die Falle von Gewohnheiten und scheinbaren, überlieferten oder diktierten „Wahrheiten“ tappen können[xxxiii].
Das Zauberwort „Toleranz“ und sein „Verschwinderli“
Es war ein philosophischer Online-Kommentar in der New York Times, in dem die US-amerikanische Philosophin Martha Nussbaum zu den Diskussionen zum Burka-Verbot in europäischen Ländern schrieb, der einer lebhaften, zustimmenden wie kontroversen Diskussion führte und sie veranlasste, ihre Position in einem Essay deutlich zu machen: „Erkenne dich selbst, damit du aus dir heraustreten kannst; diene der Gerechtigkeit und fördere den Frieden“. In mehreren Aspekten verdeutlicht sie darin die Notwendigkeit, aktive Toleranz in religiösen und weltanschaulichen Fragen zu praktizieren, dabei die auftretenden narzisstischen Ängste und Gefühle in den Blick zu nehmen, Respekt für Gewissensfragen zu entwickeln, Parteilichkeit und Unparteilichkeit einzuüben und empathische Gefühle zu zeigen. Es bedarf Grundprinzipien, die als individuelle und kollektive Tugenden bewirken, dass der Mensch ein „gutes Leben“ zu führen in der Lage ist. Es ist die Anerkennung und Achtung der Menschenwürde, die unter keinen Umständen missachtet oder außer Kraft gesetzt werden darf; es sind Gleichheit, Gerechtigkeit und Freiheit, die jedem Menschen zustehen; und es ist die aktive Toleranz, die es jedem Menschen gebietet, in sich selbst die ganze Menschheit zu sehen. Ein Blick in die europäische und amerikanische Geschichte zeigt unmissverständlich, dass die Kriterien, wie Nationalgefühl, kulturelle und interkulturelle Identitäten entstehen, vielfältig sind und einer intellektuellen, historischen und gesellschaftspolitischen Betrachtung bedürfen. „Wir müssen sorgsam erwägen, was eine Belastung für die freie Religionsausübung eines Menschen ausmacht, und was es heißt auch zu lernen, die Welt aus der Perspektive jener Religion anzuschauen, anstatt deren Bedürfnisse als schlecht und als Beleidigung der Mehrheiten-Religion anzusehen“[xxxiv].
„Der Andere könnte ich selber sein“
Vorurteile sind Denk- und Verhaltensweisen, die sich in Ablehnung, Antipathie, Diskriminierung, Stigmatisierung, Fremdenfeindlichkeit oder rassistischer Haltung gegenüber Individuen und Gemeinschaften zeigen. Diese von Gordon W. Allport formulierte Begriffsbestimmung ordnet Vorurteile und Stereotypenbildung als negative Einstellungen ein, die es zu erkennen und zu revidieren gilt; zuallererst in der Erziehung und Bildung der Menschen und als Anforderung für eine „vorurteilsbewusste Bildung“. Die 1999 gebildete Sir Peter Ustinov-Stiftung und die daraus entstandenen Forschungsinstitute und Kinder- und Jugendprojekte engagieren sich in vielfältiger Weise dafür, in der schulischen Bildung und in der wissenschaftlichen Forschung Rassismen, Fremdenfeindlichkeit, Ethnisierungen und allen Formen von Diskriminierung den Kampf anzusagen und beizutragen, dass Vorurteile erkannt, ihre Entstehung analysiert und ihre Überwindung gefördert wird. Der Politikwissenschaftler der Central European University in Budapest und Direktor des Instituts für Konfliktforschung an der Universität Wien, Anton Pelinka, hat, zusammen mit Karin Bischof und Karin Stögner das „Handbook of Prejudies“ (New York 2009) herausgebracht. Pelinka legt nunmehr als Herausgeber die überarbeitete deutsche Ausgabe, unter Mitarbeit von Birgit Haller, vor. Dabei geht es nicht darum, das Vorurteil per se zu verdammen oder gar ausmerzen zu wollen; vielmehr kommt es darauf an zu erkennen, dass „„Vorurteile ( ) das Produkt einer bestehenden Gesellschaft (sind)“. Sie werden also weder in die Gene noch in die Wiege gelegt. Damit wird deutlich, dass es Aufgabe des zôon politikon, des politischen Lebewesens Mensch (Aristoteles) ist, sich der negativen Ausprägungen von Vorurteilsbildungen bewusst zu sein. Die wissenschaftliche Vorurteilsforschung liefert Hinweise dafür, dass es nicht darauf ankommt, Vorurteile zu negieren oder aus der Welt schaffen zu wollen, sondern „Wege zu finden, mit Vorurteilen umzugehen, sie zu reduzieren und ihre explosiven, ihre mörderischen Potentiale zu kontrollieren“. Um dies wirksam werden zu lassen, bedarf es keiner Rezepte, sondern eines ganzheitlichen Blicks, der es ermöglicht, objektive Maßstäbe zur Bewertung und zum Umgang mit Vorurteilen zu erwerben. Ursprünge, Formen und Bedeutung von Vorurteilen bedürfen einer besonderen Aufmerksamkeit, um ein demokratisches, friedliches, freiheitliches und soziales Zusammenleben der Menschen in den nationalen Gesellschaften wie im globalen Rahmen zu ermöglichen. Weil mit den Worten von Albert Einstein „ein Vorurteil ( ) schwerer zu spalten (ist) als ein Atom“, bedarf es der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und Forschung, um ein vorurteilsbewusstes Bewusstsein in die Köpfe und Herzen der Menschen zu bringen[xxxv].
Über Werte nachdenken
Als Wert wird bezeichnet, „wonach ein Mensch strebt, was ihm teuer ist oder in irgendeiner subjektiven oder objektiven Weise in seinem Denken und Handeln ausgezeichnet erscheint“ (Martin Gessmann, Philosophisches Wörterbuch, 2009) Interessant dabei ist, dass der Wertebegriff im wissenschaftlichen Diskurs überwiegend seit dem 17. Jahrhundert im Rahmen des ökonomischen Diskurses die traditionellen, philosophischen (antiken) Zuordnungen zum (moralisch) „guten Leben“ abgelöst hat. Nicht das moralische, sondern das materielle Sein bestimmt das Bewusstsein, das gilt seitdem als Maxime[xxxvi]. Über Werte nachzudenken und sich um allgemeinverbindliche und akzeptierte Wertvorstellungen zu bemühen, die Individualismus, Hegemonie und Egoismus menschlichen Denkens und Handelns in die Schranken verweisen und überwinden lassen, gehört zu den anthropologischen Herausforderungen, für alle Menschen auf der Erde ein gutes, gelingendes, gerechtes, also humanes Leben zu gewährleisten. Dass wir von diesem Idealzustand noch weit entfernt sind, bedarf keiner besonderer Erwähnung. Der Soziologe (em.) der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt/M., Jürgen Ritsert, legt ein Essay vor, in dem er Bestandteile und Bausteine aus seinem Lehr- und Forschungsleben zusammen trägt, die als Wegweiser dienen könnten, „ein wenig bei einer zügigen Durchquerung des Sumpfes (zu) helfen“. Die Bezeichnung „Sumpf“, als gefährliches, tückisches und trügerisches Landschaftsgebilde legt erst einmal die Vermutung nahe, dass diese intellektuelle Bewältigung ein risikobehaftetes Unternehmen darstellt; weil aber der „Sumpf“ gleichzeitig in seiner Naturwüchsigkeit wunderbare Pflanzen hervorbringt und Lebewesen einen ausgezeichneten Lebensraum ermöglicht, lässt sich das „sumpfige“ Vorhaben auch als Brücke begehen. Es ist der Dreischritt eines Wertdenkens und -handelns, der erst einmal einen Zugang zu der Fragestellung bietet: „Etwas ist ein Wert“ – „Etwas hat einen Wert“ – „Etwas genießt Wertschätzung“. Damit lässt sich dann die Frage danach stellen, wie Werturteile sich bilden, zustande kommen, veranlasst werden und wirken. Damit aber „Interessen“ sich im Wertediskurs nicht als egoistische, ethnozentrische oder individualistische (Leit-) Linien und Wegweiser auf den Pfaden durch den „Sumpf“ der Wertbenennungen, -auffassungen und -benennungen etablieren und gewissermaßen „urwüchsig“ werden, ist eine wissenssoziologische Betrachtung hilfreich. Sie formuliert der Autor mit seinem „Kreislaufmodell“, dessen Grundlagen philosophische, soziologische und lebensweltliche Paradigmen und historisch Gedachtes sind. Es sind die Wertideen, die unseren Alltag bestimmen und allgemeine und besondere Problemsituationen bewältigen lassen; und es ist das Erkenntnisinteresse in Theorie und Praxis , das Menschen leitet, denken und handeln lässt, die den Begriff des „Werts“ so nachfragenswert, reflexionswürdig und diskussionsfähig werden lässt[xxxvii].
Menschliches Verhalten: Ein weites Feld
Bei der Frage nach dem individuellen menschlichen Verhalten bedarf es einer Grenzziehung: Steht damit das anthropologisch-sozialwissenschaftliche Interesse im Vordergrund[xxxviii],und wird die Komplexität des Vertrauens untersucht[xxxix], oder geht es um die empirische Nachschau darüber, wie Verhalten zu erklären ist. In der empirischen Einstellungs-, Werte- und Persönlichkeitsforschung steht die Frage auf der Agenda, wie individuelles Verhalten erklärt werden kann. Insbesondere in der Persönlichkeitspsychologie ist bedeutsam, mit welchem Ansatz (Menschenbild) menschliches Verhalten analysiert wird. Es geht letztlich um die Frage, wie Verhalten ist und gemacht ist, welche inneren Einstellungen und äußeren Einflüsse auf menschliches Verhalten wirken. Der Politikwissenschaftler am Institut für Politikwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, Siegfried Schumann, legt ein (Lehr-)Buch vor, in dem er, aus der Sicht der Sozialwissenschaften, die wichtigsten Theoriebildungen und Methoden der Persönlichkeits-, Werte- und Einstellungsforschung in Grundzügen beschreibt und an Forschungsbeispielen und -ergebnissen die theoretischen und praktischen Unterschiede verdeutlicht[xl].
Vertrauen ist eine notwendige, aber gleichzeitig problematische Vorleistung
Das Zauber- und Schlagwort kommt immer dann zur Geltung, wenn scheinbar Gespräche, Situationen und Verhaltensweisen aus dem Ruder zu laufen drohen, wenn Konflikte Kommunikationen erschweren oder gar unmöglich machen. „Vertrauen haben“, als ethische und moralische Charaktereigenschaft hat deshalb im philosophischen, gesellschaftlichen und individuell-alltäglichen Denken und Handeln einen hohen Stellenwert. Der Mensch, so eine biologische Interpretation, entwickelt von sich aus ein Grundvertrauen, insbesondere wenn es um Beziehungen zu anderen Menschen, um Kontakte und Kommunikation geht. Damit Vertrauen aber mehr sein kann als die Abwesenheit von Misstrauen, bedarf es eines Sozialverhaltens, das auf den Grundlagen des Logos wie des Pathos (Aristoteles) beruht. Niklas Luhmann etwa geht davon aus, dass Vertrauen ein elementarer Tatbestand des sozialen Lebens ist. Vertrauen ist nicht nur vom eigenen Willen und der Fähigkeit abhängig, human ein gutes Leben leben zu wollen, sondern auch von der Bereitschaft und Akzeptanz des Gegenübers, Vertrauen entgegen zu nehmen und zu geben. Demnach ist die Frage danach, was Vertrauen ist und sich auswirkt, nicht einfach damit zu beantworten, dass Vertrauensfähigkeit eine „weiche“ Einstellung und Verhaltensweise ist; vielmehr, das zeigen die vielfältigen Formen und Erfahrungen des Alltagslebens, dass Vertrauen und Vertrauensverlust eng zusammenhängen mit den gesellschaftlichen und sozialen Bedingungen, wie mit den Werten, Normen, kulturellen und interkulturellen Identitäten des menschlichen Daseins[xli]. Hier setzt die Vertrauensforschung an. In den Sozialwissenschaften, insbesondere der Psychologie, Philosophie, Soziologie, Anthropologie und Politikwissenschaft, werden jeweils spezifische Betrachtungsweisen zur Einstellungs- und Verhaltensform des Vertrauens benutzt, um das Phänomen verstehen zu können, das weder in die Gene gelegt ist, noch Bestandteil der biologischen und intellektuellen Ausstattung des Menschen ist, sondern erworben und erlebt werden muss. Sie reichen von der anthropologischen Annahme, dass der Mensch, wie Aristoteles dies ausdrückte, danach strebt, „gut“ zu leben (eu zên), bis hin zu gehirnphysiologischen Erklärungsmustern, etwa dahingehend, wenn unser Gehirn sich verändert, verändern wir uns mit ihm[xlii]. Nehmen wir die vielfältigen Interpretationen und Forschungsansätze, so treffen sie sich darin, dass Vertrauen immer nur zwischen Personen wirksam wird, genau so, wie Vertrauensverlust und Misstrauen zwischen Menschen entsteht. Die 1957/58 gegründete Evangelische Studiengemeinschaft in Heidelberg ist als namhafte und qualifizierte Diskussions- und Forschungseinrichtung bekannt und anerkannt. Die Schwerpunktbereiche des interdisziplinären Diskurses der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fokussieren sich auf Religion, Recht, Kultur – Frieden und Nachhaltige Entwicklung - Theologie und Naturwissenschaft. Der Politik- und Verwaltungswissenschaftler, Referent für Friedens- und Konfliktforschung an der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft e. V. (FEST), Markus Weinhardt, gibt den Sammelband „Vertrauen in der Krise“ heraus, mit dem Anspruch, über die „unsichere Eigenschaft“ neue und weiterführende wissenschaftliche Impulse im Prozess der Vertrauensforschung beizusteuern. Dabei orientieren sich die interdisziplinären Beiträge daran, dass Vertrauen nicht als „Empfindung“ (Thomas Hobbes), aber auch nicht als „Hypothese künftigen Verhaltens“ (Georg Simmel) diskutiert und reflektiert wird, sondern „es lebt von der Erfahrung, der Resonanz, der Aktion und Interaktion“. Dass im Titel der Begriff „Krise“ genannt ist, verweist darauf, dass die Auseinandersetzungen über das Hier und Heute, über Verlust des Vertrauens und die Herausforderungen, die eine sich immer interdependenter, entgrenzender und krisenhafter entwickelnden (Einen?) Welt schaffen, damit bewältigt werden können, wie Vertrauen in der unsicheren Welt lokal und global hergestellt werden kann[xliii].
Selbstachtung ist die Kunst des aufrechten Gangs
Zur Selbstachtung gehören immer zwei: Ich und Du! Damit ist schon ausgedrückt, dass die Eigenschaft, die eigene Menschenwürde zu erkennen, zu haben und in Anspruch zu nehmen, immer verbunden sein muss mit der Haltung, die andere Individuen und Gesellschaften mir entgegen bringen und ermöglichen. Alle Philosophen haben zu allen Zeiten das „Selbst“ als einen Wert an sich definiert. Seit der Frage Platons, was etwas in Wahrheit und Wirklichkeit ist (tí poté estín), wird die Suche nach der eigenen Identität und dem Sosein des Menschen in immer neuen Variationen und Denkkonstrukten bedacht und benannt. Selbstachtung hat also etwas zu tun mit dem individuellen Selbst- und Lebenswert und den kulturellen Identitäten der Menschen insgesamt, und dem Selbstbewusstsein, das stetig und mühsam entwickelt, erarbeitet und verteidigt werden muss. Im philosophischen und wissenschaftlichen Denken hat Selbstachtung selbst referentielle und selbst steuernde Bedeutung, die die Selbst- und Fremdbeobachtung bedingt. Es ist hilfreich, will man sich des eigenen Selbstwertgefühls versichern, der biologischen, anthropologischen und gesellschaftlichen wie persönlichen Voraussetzungen für Selbstachtung bewusst zu werden. Denn falsch verstandene, ideologisch gesetzte und historisch entstandene Formen von (so genannter) Selbstachtung können leicht zu negativen Ausprägungen, wie Egoismus, Überheblichkeit, Selbstüberschätzung und Höherwertigkeitsvorstellungen gerinnen. Da ist es gut, sich der philosophischen Bedeutung des Menschenwerts „Achtung“ bewusst zu werden und zu fragen, wie Selbstachtung von verwandten Begriffen unterschieden werden kann, wie sich die Eigenschaft in der menschlichen Natur ausprägt und sich rechtlich und moralisch darstellt, und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, wenn sich die Fähigkeit zur Selbstachtung durch negative Entwicklungen entweder nicht entfalten kann, oder ge- und zerstört wird. Am besten beginnt man dabei mit den individuellen, alltäglichen Erfahrungen, und greift aus auf die lokalen und globalen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen in der Welt. Weil der grundsätzlich selbstverständlich erscheinende kategorische Imperativ – dass, wie es im Volksmund heißt, was du nicht willst, dass man dir tu´, das füg´ auch keinen andern zu – nicht selbstverständlich ist, sondern in der Familie, Schule, Beruf und Alltagsleben erworben werden muss, bedarf es der Bildung zur Selbstachtung. Der an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch-Gmünd lehrende Philosoph und Ethiker Franz Josef Wetz, geht mit seinem Buch „Rebellion der Selbstachtung“ die Thematik praktisch-pädagogisch und didaktisch an. In einer Zeitanalyse nimmt er sich vier aktuelle Krisensituationen als „Leiden der Gegenwart“ vor: Den islamistischen Terror, die globalen Aufstände gegen Entmündigung und Staatswillkür, den überreizten und ausgreifenden Individualismus in den westlichen Kulturen, und die Gleichgewichtsstörungen im Work-Life-Balance. Das Bild vom aufrechten Gang ist ein gutes und passendes Zeichen für die Bedeutung, die Selbstachtung im individuellen und kollektiven Leben der Menschen hat[xliv].
Demokratie als Lebensform
„Der wissende, kritische, aufgeklärte und urteilsfähige Bürger ist bereit und fähig zu handeln und Verantwortung zu unternehmen„; dieses Credo der Demokratiepädagogik basiert auf einem partizipatorischen Bewusstsein. Die Kompetenz zum politischen Denken und Handeln und zur demokratischen Teilhabe muss lernend erfahrbar gemacht werden. Die schulische und außerschulische politische Bildung kann dazu Brain und Tools zur Verfügung stellen. Demokratie ist die einzige Individual- und Gesellschaftsform, die man lernen muss. Das ist Anspruch und Verpflichtung zugleich. Anspruch, weil das Bewusstsein von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit den Menschen nicht in die Wiege gelegt oder von welchen Mächten auch immer aufgegeben wird, sondern mit eigenem Zutun erworben werden muss; und Verpflichtung, weil die gesellschaftliche und politische Teilhabe gefährdet ist durch antidemokratische Kräfte und der Verteidigung bedarf. Von „wehrhafter Demokratie“ ist dabei die Rede und von der Herausforderung, die dem zôon politikon (Aristoteles), dem politischen Lebewesen Mensch eigen ist. Wir sind bei der Frage gelandet, welche Aufgaben und Möglichkeiten Demokraten haben, Demokraten zu sein. Es ist weder der Ohne-Mich-Standpunkt, noch eine heilsbringende Erwartung, die dazu erforderlich sind, sondern Politische Bildung, wie sie etwa in der „Demokratiepädagogik“ propagiert wird[xlv].
Die Soziologie der globalen Dynamiken
Die (Eine?) Welt wächst zusammen!? Die sich immer interdependente und entgrenzender entwickelnde Welt chargiert zwischen Skylla und Charybdis, oder, um es platter auszudrücken, zwischen Himmel und Hölle. Die Prognosen und Visionen über die Weltentwicklung fallen je nach philosophischem, politischem oder ideologischem Standpunkt auch in dieser Spannweite aus. Die globalen Trends, wie sie von den internationalen Weltkommissionen als Mahnung, Madrigal und Magie in den Weltdiskurs gebracht werden, zeichnen in gleicher Weise die Paradigmen zwischen Konflikt und Kooperation auf. Immer steht dabei die Herausforderung im Mittelpunkt, die lokalen und globalen Entwicklungen human durch einen Perspektivenwechsel zu bewältigen und zu realisieren, was als globale Ethik der Menschheit aufgetragen ist, dass nämlich „die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte). In der “Agenda 21“, dem globalen Aktionsprogramm der Vereinten Nationen von 1992, wird der Zustand der Welt eindringlich formuliert: „Die Menschheit steht vor einem entscheidenden Punkt ihrer Geschichte. Wir erleben eine zunehmende Ungleichheit zwischen Völkern und innerhalb von Völkern, eine immer größere Armut, immer mehr Hunger, Krankheit und Analphabetismus sowie eine fortschreitende Schädigung der Ökosysteme…“. Die mit der UN-Millenniumskampagne 2000 ausgewiesenen Ziele für eine bessere, gerechtere und friedlichere Welt lassen sich, zumindest bis zum projizierten Jahr 2015, nicht erreichen. Die im Fischer Weltalmanach 2014 aufgelisteten Zahlen, Daten und Fakten zur Weltentwicklung zu den Bereichen „Rohstoffe, Naturkatastrophen, Kriege, Krisen und Konflikte, Militärausgaben und Waffenhandel, Raumfahrt“ verdeutlichen die Problemfelder, die heute und morgen vor uns stehen. Nationalismen, Fundamentalismen, Rassismen und Kapitalismen hemmen die Zuversicht, dass es (eines Tages!) gelingen könne, die heutige „Risikoweltgesellschaft“ (Ulrich Beck) zu verändern, die vorhandenen Störanfälligkeiten, Gefahren- und Bedrohungspotentiale zu erkennen, zu handhaben und Sensibilitäten und Kompetenzen hin zu einer humanen Weltgesellschaft zu entwickeln[xlvi]. Der Begriff „Weltgesellschaft“ steht dabei für die Fähigkeit und Bereitschaft der Menschheit, eine bessere, gerechtere und humanere Welt zu schaffen. Das Bewusstsein, dass jeder Mensch tagtäglich in seinem individuellen und gesellschaftlichen Dasein die Verantwortung für eine humane Gegenwart und Zukunft der Menschheit mit sich trägt, ist noch nicht so entwickelt, dass sich daraus eine realistische und hoffnungsvolle Perspektive für die Eine Welt abzeichnet. Die Soziologin vom Institut für neuere Geschichte und Zeitgeschichte der Johannes Kepler Universität in Linz/Österreich. Veronika Wittmann, diskutiert im Für und Wider des Globalisierungs- und Weltgesellschaftsdiskurses die historischen, politischen, kulturellen und ökonomischen Dimensionen und Wirklichkeiten zur Lage der Welt und stellt dabei eine „soziale Inhomogenität in der Weltgesellschaft“ fest. ‚Dabei entwickelt sie die Vision vom „soziologischem Turn“ im (globalen) „Haus der Soziologie“[xlvii].
Das Kreativitätspositiv
„Sei kreativ – und du bist erfolgreich!“ – das ist die Botschaft, die überall ertönt, wo Menschen handeln, sich bewegen und entfalten[xlviii]. Creare, das schöpferische Tun, hat seit Jahrtausenden einen süßen Klang, wie gleichzeitig ein Versprechen, dass kreatives Schaffen Menschsein zu ungeahnten Höhen befördert, Emanzipation und Freiheit ermöglicht und zu einer „Ästhetisierung des Sozialen“ führt. Im gesellschaftskritischen, wissenschaftlichen Diskurs ergibt sich dabei ein Spagat, der sich zwischen Faszination, Unbehagen und Distanz bewegt. Die Chance wie der Zwang zur Kreativität bringen dabei gewollte und ungewollte Aufforderungen und Herausforderungen mit sich. Bei der Frage, was Kreativität ist, wie sich dieses individuelle und soziale Phänomen im Menschsein darstellt, welche Herausforderungen, Erwartungen, Erfolge wie auch Enttäuschungen und Misserfolge sich zeigen, erwächst nicht selten das befreiende wie frustrierende Aha-Erlebnis: „Everything has been done“ (Grupo Azorro, 2003). Immer aber entsteht dabei der Anspruch, aus Bestehendem Neues zu schaffen und weiter zu entwickeln. Eine ästhetische, vielleicht sogar existentielle Antwort darauf können Soziologen, Psychologen, Anthropologen und Kulturwissenschaftler geben: „Das Neuartige im Sinne des Kreativen ist dann nicht lediglich vorhanden wie eine technische Errungenschaft, es wird vom Betrachter und auch von dem, der es in die Welt setzt, als Selbstzweck sinnlich wahrgenommen, erlebt und genossen“. Der Lehrstuhlinhaber für Vergleichende Kultursoziologie an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), Mitglied des Beirats „Wissenschaft und Zeitgeschehen“ des Münchner Goethe-Instituts und Fellow am Freiburg Institute for Advanced Studies (FRIAS), School of Language and Literature, Andreas Reckwitz, hat sich bereits in mehreren Studien und Analysen zu Fragen der „Kreativität“, „Subjektivität“, „Kulturtheorie“, „soziologische Perspektiven der Gegenwart“ und „Kulturen der Moderne“ geäußert und beim Forschungsprojekt „Genealogie und Praxis des Kreativitätssubjekts“ an der Universität Konstanz mitgearbeitet. Er entwickelt ein Konzept für eine „ästhetische Sozialität“ in einer „Ästhetisierungsgesellschaft“, indem er die Aufmerksamkeit auf ästhetische Mobilität, Gesellschaftskritik, Alltagsästhetik und –ethik lenkt, dabei das humane Kreative im Menschen offen legt und Perspektiven für ein gutes, gelingendes, menschliches Leben aufzeigt. Damit sensibilisiert er für Denk- und Handlungsprozesse. „Sie verweisen zum einen auf die Fähigkeit und die Realität, dynamisch Neues hervorzubringen…, zum anderen nimmt Kreativität Bezug auf ein Modell des ‚Schöpferischen, das sie an die moderne Figur des Künstlers, an das Künstlerische und Ästhetische insgesamt zurückbindet“[xlix].und so dem Ordnungsbegriff eine ganz neue Bedeutung zuweist [l]. Autor
Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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[i] Lukas Neuhaus, Wie der Beruf das Denken formt. Berufliches Handeln und soziales Urteil in professionssoziologischer Perspektive, 2011, zur Rezension
[ii] Elinor Ostrom, Was mehr wird, wenn wir teilen. Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter, 2011, zur Rezension
[iii] F. Ricken, in: Otfried Höffe, Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005, S. 89f.
[iv] Joachim Bauer, Selbststeuerung. Die Wiederentdeckung des freien Willens, 2015, zur Rezension
[v] Werner Berschneider, Wenn Macht krank macht. Narzissmus in der Arbeitswelt, 2011,
[vi] Herfried Münkler / Matthias Bohlender / Sabine Meurer, Hrsg., Sicherheit und Risiko. Über den Umgang mit Gefahr im 21. Jahrhundert, 2009, zur Rezension
[vii] Hans Hoch, Hrsg., Sicherheiten und Unsicherheiten, 2014, zur Rezension
[viii] (Richard David Precht, Wer bin ich – und wenn ja wie viele? 2007, zur Rezension
[ix] Heinz von Foerster / Bernhard Pörksen, Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners. Gespräche für Skeptiker, 2011, zur Rezension
[x] Peter Brüger / Jörg Lau, Hrsg., Sag die Wahrheit! Warum jeder ein Nonkonformist sein will, aber nur wenige es sind, MERKUR. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken hrsg. von Karl Heinz Bohrer und Kurz Scheel, Heft 9/10, September/Oktober 2011, zur Rezension
[xi] Jim Holt, Gibt es alles oder nichts? Eine philosophische Detektivgeschichte, 2014, zur Rezension
[xii] Hans A. Pestalozzi, Nach uns die Zukunft. Von der positiven Subversion, Bern 1979
[xiii] Ulrich Beer, Zivilcourage, 2011, zur Rezension
[xiv] Elinor Ostrom, Was mehr wird, wenn wir teilen. Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingüter, 2011, zur Rezension
[xv] Rainer Lehmann, Aufforderung zum Ungehorsam. Ein Pamphlet, 2013, zur Rezension
[xvi] Lawrence LeShan, Das Rätsel der Erkenntnis. Wie Realität entsteht, 2012, zur Rezension
[xvii] Hermann Lübbe, Zivilisationsdynamik. Ernüchterter Fortschritt politisch und kulturell, 2014, zur Rezension
[xviii] Harald Weinrich, Über das Haben. 33 Ansichten, 2012, zur Rezension
[xix] Manfred Lütz, Bluff! Die Fälschung der Welt, 2012, zur Rezension
[xx] Philippe Pozzo di Borgo / Laurent de Cherisey / Jean Vanier, Ziemlich verletzlich, ziemlich stark. Wege zu einer solidarischen Gesellschaft, 2012, zur Rezension
[xxi] Maria Mies, Hrsg., Farida Akther. Samenkörner sozialer Bewegungen, 2011, zur Rezension
[xxii] Uli Burchardt, Ausgegeizt! Wertvoll ist besser – das Manufactum-Prinzip, 2012, zur Rezension
[xxiii] vgl. auch: Thich Nhat Hanh: Du bist ein Geschenk für die Welt. Achtsam leben jeden Tag – Ein Begleiter für alle Wochen des Jahres, 2010, zur Rezension
[xxiv] Joanna Macy / Norbert Gabler, Fünf Geschichten, die die Welt verändern. Einladung zu einer neuen Sicht der Welt., 2013, zur Rezension
[xxv] vgl. dazu auch: Jürgen Straub, Hrsg., Der sich selbst verwirklichende Mensch. Über den Humanismus der humanistischen Psychologie, 2012, zur Rezension
[xxvi] Abraham H. Maslow, Jeder Mensch ist ein Mystiker. Impulse für die seelische Ganzwerdung, 2014, zur Rezension
[xxvii] Steffen Mau / Nadine Schöneck, Hrsg., (Un-)Gerechte (Un-)Gleichheiten, 2015, zur Rezension
[xxviii] : Peter M. Senge, u. a., Die notwendige Revolution. Wie Individuen und Organisationen zusammenarbeiten, um eine nachhaltige Welt zu schaffen, Heidelberg 2011, in: zur Rezension
[xxix] Ian Morris, Wer regiert die Welt? Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden, 2011, zur Rezension
[xxx] Rainer Funk, Entgrenzung des Menschen, 2012, zur Rezension
[xxxi] Edward O. Wilson, Die soziale Eroberung der Erde. Eine biologische Geschichte des Menschen, 2013, zur Rezension
[xxxii] Alfred Nordheim / Klaus Antoni, Hg., Grenzüberschreitungen. Der Mensch im Spannungsfeld von Biologie, Kultur und Technik, 2013, zur Rezension
[xxxiii] Hermann Mückler / Gerald Faschingeder, Hrsg., Tradition und Traditionalismus. Zur Instrumentalisierung eines Identitätskonzepts, 2012, zur Rezension
[xxxiv] Martha Craven Nussbaum, Die neue religiöse Intoleranz. Ein Ausweg aus der Politik der Angst, 2014, zur Rezension
[xxxv] Anton Pelinka, Hrsg., Vorurteile. Ursprünge, Formen, Bedeutung, 2012, zur Rezension
[xxxvi] vgl. dazu auch: Rahel Jaeggi / Daniel Loick, Hrsg., Nach Marx. Philosophie, Kritik, Praxis,2013, zur Rezension
[xxxvii] Jürgen Ritsert, Wert. Warum uns etwas lieb und teuer ist, 2013, zur Rezension; sowie: Eberhard Straub, Zur Tyrannei der Werte, 2010, zur Rezension
[xxxviii] Bernhard Rathmayr, Selbstzwang und Selbstverwirklichung. Bausteine zu einer historischen Anthropologie der abendländischen Menschen, 2011, zur Rezension
[xxxix] Martin Hartmann, Die Praxis des Vertrauens, 2011, zur Rezension
[xl] Siegfried Schumann, Individuelles Verhalten. Möglichkeiten der Erforschung durch Einstellungen, Werte und Persönlichkeit, 2012, zur Rezension
[xli] Martin Hartmann, Die Praxis des Vertrauens, 2011, zur Rezension
[xlii] David Eagleman, Inkognito. Die geheimen Eigenleben unseres Gehirns, zur Rezension
[xliii] Markus Weingardt, Hrsg., Vertrauen in der Krise. Zugänge verschiedener Wissenschaften, 2011, zur Rezension
[xliv] Franz Josef Wetz, Rebellion der Selbstachtung. Gegen Demütigung, 2014, zur Rezension
[xlv] Benedikt Widmaier / Frank Nonnenmacher, Hrsg., Partizipation als Bildungsziel. Politische Aktion in der politischen Bildung, 2011, zur Rezension
[xlvi] Herfried Münkler, Hrsg., Handeln unter Risiko. Gestaltungsansätze zwischen Wagnis und Vorsorge, 2010, zur Rezension
[xlvii] Veronika Wittmann, Weltgesellschaft. Rekonstruktion eines wissenschaftlichen Diskurses, 2014, zur Rezension
[xlviii] Siegfried Preiser / Nicola Buchholz, Kreativität, 2008, zur Rezension
[xlix] vgl. dazu auch: Janina Karolewki / Nadja Miczek / Christof Zotter, Hrsg., Ritualdesign. Zur kultur- und ritualwissenschaftlichen Analyse "neuer" Rituale, 2012, zur Rezension
[l] Andreas Reckwitz, Die Erfindung der Kreativität, 2012, zur Rezension