Sport als Teil der Therapie
Neue Erkenntnisse in der Behandlung von Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen
Hamm (lwl). Gute Premiere für eine neue Reihe: Rund 200 Ärzte, Psychologen, Therapeuten und Interessierte verwandter Berufsgruppen verfolgten die Vorträge dreier namhafter Fachreferentinnen zum Auftakt der "Hammer Fortbildungsnachmittage". Drei bis vier Mal im Jahr, jeweils mittwochs, will die Universitätsklinik Hamm für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) künftig ein Forum für fachlich interessante Themen bieten. "Bei essgestörten jungen Menschen sind körperliche Aktivität und Sport wichtiger Teil der Therapie - entgegen bisherigen Annahmen" lautete diesmal eine überraschende Botschaft der Experten. Immer mehr Jugendliche erkranken an Essstörungen wie der sogenannten Anorexia nervosa. 60 Prozent der betroffenen Frauen und Mädchen sind mittlerweile zwischen 14 und 19 Jahre alt. Dabei steigt die Zahl der Ersterkrankungen der unter 15-Jährigen. Auf diese Entwicklung sowie auf die große Gefahr eines chronischen Verlaufs dieser Erkrankung wies eingangs Prof. Dr. Dr. Martin Holtmann, Ärztlicher Direktor der LWL-Klinik Hamm, hin: "Deshalb ist es immens wichtig", so Holtmann, "dass wir die Forschung in diesem Bereich weiter vorantreiben und uns über unsere Ergebnisse austauschen, um unsere Behandlungsmethoden stetig zu verbessern." "Dosierte Bewegungseinheiten anstatt Bewegungseinschränkung als Teil der Therapie" - das forderte Prof. Dr. Beate Herpertz-Dahlmann, Direktorin der Aachener Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. "Der Grund für den Bewegungsdrang der jungen Patienten liegt nicht nur in dem Bestreben Kalorien zu verbrennen wie bislang angenommen, sondern ist biologisch erklärbar", so Herpertz-Dahlmann. "Deshalb sollten wir diesen Drang nicht völlig unterbinden, sondern ihn in die Therapie mit einbeziehen", riet die Expertin. Nicht mehr zeitgemäß sei die Annahme, dass zum Beispiel bei Magersüchtigen schon mäßige körperliche Aktivität die gewünschte Gewichtszunahme beeinträchtige, Dieser Ansicht schloss sich Prof. Dr. Almut Zeek von der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsklinik Freiburg an: "Durch ein therapeutisch wohldosiertes Sportprogramm lässt sich das Körpergefühl der Jugendlichen verbessern und der Therapieerfolg positiv beeinflussen", berichtete Zeek von ersten Ergebnissen einer Pilotstudie zu diesem Thema. Wie wichtig für essgestörte junge Menschen ein bewusster Umgang mit den eigenen Emotionen ist, darüber referierte Charlotte Jaite, Diplom-Psychologin an der Berliner Charité. Auch sie hatte entsprechende Erkenntnisse aus einer Pilotstudie im Gepäck. "Bei allem Bemühen um eine Gewichtszunahme ist es notwendig, dass sie kontrolliert erfolgt", lenkte Prof. Herpertz-Dahlmann den Fokus auf einen anderen Aspekt der Genesung. Andernfalls könne es zum sogenannten "Refeeding-Syndrom" kommen, ein Auftreten mehrerer körperlicher Symptome wie Wassereinlagerungen, Krämpfe und Zittern oder akutes Herzversagen, die schlimmstenfalls zum Tode führten, so Herpertz-Dahlmann. Für dieses Jahr sind noch zwei weitere Fortbildungsnachmittage an der LWL-Universitätsklinik Hamm geplant. Thema des nächsten Treffens für interessierte Fachleute am 26. Juni 2013 sind Schmerzstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Hintergrund:Die Universitätsklinik Hamm für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) verfügt über 110 vollstationäre Plätze. Auf insgesamt 12 Stationen erhalten hier Kinder- und Jugendliche mit psychischen Störungen professionelle Hilfe. 20 zusätzliche Plätze stehen jungen Menschen mit einer Suchtproblematik zur Verfügung. Behandelt werden Patienten ab dem sechsten Lebensmonat (in Begleitung eines Sorgeberechtigten) bis zum 21. Lebensjahr. Das Versorgungsgebiet der LWL-Universitätsklinik Hamm umfasst neben der Stadt Hamm die Kreise Unna, Warendorf, Soest und Gütersloh.
Der LWL im Überblick
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als Kommunalverband mit 13.000 Beschäftigten für die 8,3 Millionen Menschen in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 21 Krankenhäuser, 17 Museen und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Ebenso engagiert er sich für eine inklusive Gesellschaft in allen Lebensbereichen. Die neun kreisfreien Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie tragen und finanzieren den Landschaftsverband, dessen Aufgaben ein Parlament mit 106 Mitgliedern aus den westfälischen Kommunen gestaltet.Quelle: Pressemitteilung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) vom 23.04.2013
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