Regenbogen am düsteren Abendhimmel
Dewang Gupta / Unsplash

Freude und Trauer

Lachen und Weinen liegen nah beieinander. Das sagt man so, und ich denke da an zwei Jungs, die gern miteinander „Kämpfen“ spielen. Zuerst haben sie Spaß, und dann wird es ernst, einer beißt zu oder zieht dem anderen ein Haarbüschel raus, und es geht weiter, bis ein Erwachsener kommt und die Zwei auseinanderbringt.

Lachen und Weinen als Ausdruck von Freude und Trauer lösten sich in den letzten Wochen in meinem Arbeitsalltag und auch im privaten Bereich täglich ab. Da war ich noch ganz inspiriert vom Weltglückstag, hatte die Spielkarten vom Ministerium für Glück als Erzählkarten in einer Familie erfolgreich angewendet und beschlossen, sie immer bei mir zu haben, damit ich sie auch mal ganz spontan einsetzen kann, und nun bin ich auf der Suche nach Worten und Karten zur Trauer.

Der Vater eines Freundes ist verstorben, er war zuletzt im Hospiz, sein Tod war erwartet, und die Familie hatte sich gut vorbereitet. Mein Freund sagt, er fühle sich, trotz aller Traurigkeit, auch irgendwie endlich befreit.

Anders war es bei Familie Berger. Es war ein Sonntag. Frau Bergers Bruder wollte die Mutter besuchen und fand sie tot in ihrem Bett. Plötzlich und unerwartet. Todesursache ungeklärt. Unruhe. Aufregung. Schuldgefühle. Sprachlosigkeit. Tränen. Schuldgefühle. Auch Wut. Und viele Fragen.
Ob ich die Kinder aus der Kita abholen kann, fragte Frau Berger dann am Montag, als ich mit meinen Glückskarten in der Tasche zum Hausbesuch kam. Und sie weinte gleich los. Der Bruder hatte sie am Vormittag angerufen, und sie war sauer, weil er sie nicht gleich am Sonntag schon informiert hatte. Ob sie es den Kindern sagen soll, und wie sie es sagen soll, und wann sie es sagen soll, und was genau sie denn sagen soll, fragte sie sich und natürlich auch mich.

Und ich hätte mir gewünscht, sie hätte mich vorher angerufen. Ich war total überrumpelt, und ich bin doch kein Notfalldienst.  Ich musste doch auch erst einmal nachdenken. Also haben wir in der Kita angerufen und gesagt, dass die Kinder später abgeholt werden. Meinen Anschlusstermin konnte ich absagen. Ich brauchte Zeit und keinen Termindruck.

Die Kinder holten wir dann gemeinsam ab. Frau Berger sagte den beiden, die Oma sei tot, und dabei weinte sie gleich wieder los. Die Kinder kuschelten sich an ihre Mutter, als ob sie die Mama trösten wollen. Gesagt haben sie erst einmal gar nichts. Die Fünfjährige meinte dann nach einer Weile „wir werden sie nie wieder sehen“. Und der Vierjährige sagte „die Oma ist jetzt ein Stern“, und dass er die ganze Nacht in den Himmel gucken wird, um zu schauen, ob sie schon da ist. Die beiden schienen sich gut auszukennen, und ich erfuhr, dass sie in der Kita schon oft über das Sterben und den Tod gesprochen hatten. Die Erzieherinnen hatten auch eine ganze Reihe von Kinderbüchern zum Thema besorgt. Es kommt schließlich öfter vor, dass mal ein Haustier stirbt, und auch die Kriege sind näher gerückt. Die Nachrichten gehen ja an den Kindern nicht vorbei, und einige haben Angehörige in den Kriegsgebieten der Welt. Sie kennen Verluste, und die Angst vor Verlust ist in den Familien präsent.

Zuhause bei mir aktualisierte ich meine Patientenverfügung, und ich denke, dass ich ein Testament aufsetzen sollte. Denn sonst tritt die gesetzliche Erbfolge ein, und … Ja, da sollte ich mich mal erkundigen, denn ich habe ja keine Kinder.

Und dann kommt wieder so eine Glücksnachricht. Frau Radtke schreibt aus Costa Rica. Vor zwei Jahren war sie verzweifelt, weil sie dachte, die Zeit reicht nicht mehr. Sie bedankt sich für meinen Impuls eine Familientherapie zu machen. Sie schreibt, wie sehr sie sich verändert hat und wie sich ihre Veränderung auf die Beziehung zu Greta, ihrer mittlerweile 16-jährigen Tochter, auswirkte, dass sie ihrem Exmann inzwischen ganz selbstbewusst gegenübertritt und dass die beiden es schaffen, als Paar getrennt und gemeinsam Eltern zu sein.
Ich freue mich mit, und ich weiß, meine Arbeit macht Sinn!

Ihre Katja Änderlich*


*Name von der Autorin pseudonymisiert