Bereit für das Neue?
Ab Mitte Dezember holperten dann doch noch einige unerwartete Termine in meinen Kalender.
Eine Kollegin wurde krank, und ich durfte wieder Vertretungen übernehmen. Besonders wichtig sei die Hilfekonferenz zur Fortschreibung einer ihrer Hilfen, die müsse unbedingt noch in 2023 stattfinden, hatte unsere Leitung angeordnet. Also stand ich kurz vor Weihnachten mit Frau B und ihren drei Kindern im Wartebereich des Jugendamtes. Dort erfuhr ich, dass die zuständige Sozialarbeiterin auch krank ist. Niemand hatte daran gedacht, uns zu benachrichtigen und den Termin abzusagen, und eine Vertretung hatte auch nicht organisiert werden können. Die Kostenübernahme geht bis zum 15. Januar, ob wir bis dahin arbeitsfähig seien, fragte die Kollegin vom Tagesdienst und bot Frau B und mir den Konferenzraum an, damit wir uns miteinander besprechen können.
Glücklicherweise waren wir uns nicht völlig fremd, weil wir uns bei der Weihnachtsfeier für die Familien gesehen hatten. Ich wusste, dass die Hilfe auf ihren eigenen Wunsch hin eingerichtet worden war und dass sie als alleinerziehende Mutter mit den drei Kindern überfordert ist. Unter der Woche lief es inzwischen ganz gut, aber die Wochenenden seien sehr anstrengend, so ohne Struktur, und weil die Kinder dann den ganzen Tag zuhause sind. Wenn sie sich etwas wünschen könnte, dann wäre es eine Kinderbetreuung für zwei bis drei Stunden an jedem der drei Weihnachtstage, sagte Frau B.
Die konnte ich natürlich nicht herbeizaubern, aber wir stellten ein Programm für die Weihnachtstage zusammen, mit Notfallplan, und die Kontakte der Krisendienste gab ich ihr auch nochmal.
Als ich am 27. zum Hausbesuch kam, ging es allen gut. Die Wohnung sah chaotisch aus, der Fernseher lief, und alle lagen auf der Bettcouch. „Ausnahme“, sagte Frau B. Und ich dachte: besser, als wenn jedes Kind allein und im eigenen Zimmer vor dem eigenen Fernseher liegt.
Daniel hatte mir am zweiten Weihnachtsfeiertag auf die Mailbox gesprochen. Er sei vorübergehend bei einem Kumpel untergekommen, bei seiner Mutter könne er nicht mehr bleiben und bei seinem Vater wolle er nicht mehr sein. Unseren Termin am 2. Januar würde er einhalten, er wisse aber nicht mehr genau, wann und wo wir verabredet sind. Ich bin froh, dass ich in diesem Fall nicht allein bin, weil die Zusammenarbeit mit der Kollegin von der Jugendsuchtberatungsstelle so gut läuft. Sie unterstützt David in seinen Vorhaben eine stationäre Reha zu machen, und ich glaube, er kann mit ihr besser über seine Suchtgeschichte sprechen als mit mir.
Ich bin urlaubsreif und hoffe, dass ich die zweite Januarwoche frei habe. Eigentlich würde ich gern mal einen ganzen Monat frei haben, am liebsten den März oder den Mai, aber es werden immer nur zwei Wochen Urlaub bewilligt, weil wir unterbesetzt sind und Notfälle und Vertretungen abgesichert sein sollen.
Bei der Silvesterfeier treffe ich Helene und erfahre, dass Arian, ein ehemaliger Kollege eines gemeinsamen Freundes, einen eigenen Jugendhilfeträger gegründet hat. Im März wolle er starten, und er sei auf der Suche nach einer erfahrenen Fachkraft für die pädagogische Leitung. Und ich sei doch auf der Suche nach einem kleinen Träger, bei dem ich mitgestalten kann, erinnert mich Helene. Aber als Leitung? Ich möchte doch mit den Familien arbeiten. Und beides geht nicht – oder vielleicht doch?
Ihre Katja Änderlich