Bundesregierung geht weiterhin unnachgiebig gegen sexuellen Kindesmissbrauch vor
Bundesministerinnen Schröder, Leutheusser-Schnarrenberger und Staatssekretärin Quennet-Thielen beraten über Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Unterstützung von Opfern sexuellen Missbrauchs:
Die Bundesregierung steht weiterhin zu ihrer Verantwortung, Kinder und Jugendliche vor sexuellem Missbrauch zu schützen und Opfern sexueller Gewalt Hilfe und Unterstützung zu geben. Aus diesem Grunde haben sich heute (Mittwoch) die einstigen Mitglieder des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“ zusammengefunden, um über den Stand der Umsetzung seiner Empfehlungen zu berichten. Unter dem Vorsitz der Bundesministerinnen Kristina Schröder (Familie, Senioren, Frauen und Jugend), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Justiz) und der ehemaligen Bundesministerin Annette Schavan (Bildung und Forschung), waren Ergebnisse und Perspektiven vorgestellt und gemeinsam beraten worden. „Der Runde Tisch war Anstoß für den Aufbau eines neuen breit angelegten Schutzsystems und zugleich Wegbereiter für einen respektvollen und würdigen Umgang mit den Opfern sexuellen Missbrauchs“, sagte die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kristina Schröder. „In diesem Sinne haben wir bereits vielfache Maßnahmen für den verbesserten Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Missbrauch und Gewalt ins Leben gerufen. Jetzt kommt es darauf an, dass wir diesen Weg konsequent weitergehen – denn der Einsatz für den Schutz von Kindern und Jugendlichen kann nicht groß genug sein.“ Die Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, erklärte:„Es ist gut, dass es der Bundesregierung 2010 gelungen ist, gemeinsam die Initiative für einen Runden Tisch zu ergreifen. Die Leitlinien zur Einbeziehung der Strafverfolgungsbehörden, die 2011 vom Runden Tisch verabschiedet worden sind, sind ein Meilenstein, um klare Handlungsempfehlungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Institutionen und Einrichtungen zu schaffen. Mit den Leitlinien besteht Klarheit, ab wann die Staatsanwaltschaft einzubeziehen ist. Sie muss grundsätzlich über tatsächliche Anhaltspunkte informiert werden, die darauf hindeuten, dass ein sexueller Missbrauch begangen wurde. Die Sensibilisierung und Anleitung von Sporttrainern, Lehrerinnen und Erziehern durch die Leitlinien und eine leicht verständliche Handreichung mit Fallbeispielen werden helfen, Übergriffe schneller zu beenden. Verbesserte Information dient dem Schutz vor weiteren Übergriffen, weil sie die Entstehung eines Klimas des Wegschauens und Vertuschens verhindern. Der Runde Tisch hat ganz konkrete Ergebnisse gebracht. Die Sensibilität gegenüber sexuellem Missbrauch ist in der Gesellschaft deutlich angestiegen. Keine Institution kann es sich heute mehr erlauben, sexuelle Übergriffe zu bagatellisieren. Die Bundesregierung steht zu ihrem Anteil an der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für die Opfer von Missbrauch im familiären Bereich. Sie hat ihre Bereitschaft zur Einrichtung eines Fonds für Hilfsleistungen gestern noch einmal mit einem Beschluss des gesamten Bundeskabinetts bekräftigt. Ich appelliere an die Länder, ihre ablehnende Haltung zu überdenken und zusammen mit dem Bund ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Mit der Einbringung des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG) bereits im Sommer 2011 hat die Bundesregierung neben vielen Verbesserungen für die Stellung des Opfers im Strafprozess einem Kernanliegen der Betroffenen durch eine massive Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährungsfrist von drei auf 30 Jahre Rechnung getragen. Ich hoffe sehr, dass der Bundestag dieses Gesetz nun zügig verabschiedet.“ Die Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Cornelia Quennet-Thielen, sagte: „Die schrecklichen Missbrauchsfälle am Canisius-Kolleg und an der Odenwaldschule haben Politik und Gesellschaft, Institutionen und Betroffene wachgerüttelt. Wir waren und wir sind uns einig: Wir müssen sexualisierte Gewalt bekämpfen. Wir müssen den Betroffenen beistehen und zugleich die Prävention stärken. Dafür brauchen wir vor allem auch mehr anwendungsbezogenes Fachwissen. Deshalb haben wir gemeinsam prioritäre Bereiche der Bildungs- und Gesundheitsforschung identifiziert. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat 32 Millionen Euro dafür bereitgestellt. Wir sind auf dem besten Weg, eine auch international sichtbare Forschungslandschaft aufzubauen, aus der wirkungsvolle Beiträge für die Praxis hervorgehen.“ Im Bereich Prävention und Intervention hat das Bundesfamilienministerium folgende Vorhaben auf den Weg gebracht:
- Das Bundeskinderschutzgesetz ist seit 01.01.2012 in Kraft. Es steht für eine deutliche Verbesserung im präventiven und intervenierenden Kinderschutz.
- Am 21.11.2012 startete die bundesweite Initiative zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs. In Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung richtet sich die Initiative „Trau dich“ an Kinder zwischen acht und zwölf Jahren. Im Mittelpunkt steht ein Theaterstück, welches Kinder spielerisch über deren Rechte informieren und ihr Selbstbewusstsein stärken will. Premiere des Stücks ist am 01.03.2013 in Berlin im Beisein von Bundesfamilienministerin Schröder.
- Zudem unterstützt das Bundesfamilienministerium mit über zwei Millionen Euro das Forschungsprojekt MIKADO mit dem Ziel, die Prävention von Missbrauch zu verbessern.
- Im Bereich der Intervention hat das Bundesfamilienministerium das Projekt „Bedingungen der Implementierung von Beschwerdeverfahren in Einrichtungen der kinder- und Jugendhilfe (BIBEK)“ unterstützt, in dessen Rahmen Empfehlungen zu formalen Beschwerdeverfahren für Kinder und Jugendliche erarbeitet wurden.
- Die Leitlinien des Runden Tisches zur Einbeziehung der Strafverfolgungsbehörden geben den Institutionen erstmals eine Orientierungshilfe, wie und unter welchen Bedingungen sie bei einem Verdacht auf sexuellen Missbrauch sie die Strafverfolgungsbehörden einbeziehen sollten. Als Hilfe zur Umsetzung dieser Leitlinien hat das Bundesjustizministerium eine Handreichung erarbeitet, in der in einer allgemein verständlichen Sprache und mit konkreten Fallbeispielen die Leitlinien für die Praxis handhabbar gemacht werden. Diese werden heute veröffentlicht. Sie können ab heute im Bundesjustizministerium angefordert werden.
- Mit dem Gesetz zur Stärkung der Opfer von sexuellem Missbrauch hat das Bundesministerium der Justiz Empfehlungen des Runden Tisches zur Vermeidung von Mehrfachvernehmungen, zur Ausweitung der Opferanwaltsbestellung und zur Stärkung von Verletztenrechten aufgegriffen. Gleichzeitig wurde noch vor der Abschlusssitzung des Runden Tisches ein wesentliches Kernanliegen der Betroffenen, die Verlängerung der zivilrechtlichen Verjährung von drei auf 30 Jahre, auf den Weg gebracht. Auf Initiative des Bundesministeriums der Justiz, wurden in Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches zahlreiche Änderungen der Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren vorgenommen. Auch mit diesen untergesetzlichen Bestimmungen werden zukünftig die Belange und Interessen des Opfers / des Verletzten einer Straftat im Strafverfahren noch stärker berücksichtigt.
- Das Bundesministerium für Bildung und Forschung stellt insgesamt 32 Millionen Euro für Forschung in den Bereichen Bildung und Gesundheit zur Verfügung. Generiert werden sollen wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über Ursachen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen. Zugleich sollen wirksame Präventionskonzepte und hilfreiche Therapieangebote entwickelt werden. Die Forschung ist durch ihren starken Praxisbezug und interdisziplinären Austausch gekennzeichnet.
- Mit der Einrichtung von fünf Juniorprofessuren wird die Verstetigung des Forschungsbereichs gesichert.
- Darüber hinaus wird ein E-Learning-Vorhaben an der Universität Ulm durchgeführt. Das Vorhaben stößt bereits in der Erprobungsphase auf sehr großes Interesse und wird voraussichtlich hervorragende Fortbildungsmöglichkeiten für Pädagogen sowie Mediziner bieten.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums der Justiz vom 20.02.2013
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