Frühgeborene im Blick behalten!
Anlässlich des Weltfrühgeborenentages am Freitag mahnt der Bundesverband "Das frühgeborene Kind", zu früh geborene Kinder nicht vorschnell aus dem diagnostischen Blick zu verlieren. Nicht immer bleibe es bei Startschwierigkeiten.
2016 kamen nach Angaben des Bundesverbandes deutschlandweit insgesamt 773.338 Kinder zur Welt. 66.851 dieser Kinder wurden vor der 37. Schwangerschaftswoche (SSW) und damit als sogenannte Frühchen geboren. Das entspricht 8,64 Prozent. Etwa 11.000 dieser Frühgeborenen kamen vor der 32. SSW bzw. mit weniger als 1.500 Gramm Geburtsgewicht zur Welt. Das entspricht einem Anteil von 10 Prozent aller Frühchen.
Nicht immer bleibt es nur bei anfänglichen Startschwierigkeiten der unreif geborenen Kinder, die sich auf die ersten Lebenswochen der nachgeburtlichen Behandlung in einem Perinatalzentrum beschränken. Das zeige auch die zunehmende Zahl an Rückmeldungen von Eltern sowie von mittlerweile erwachsenen Frühgeborenen, so der Fachverband. Vor allem die Schulzeit von ehemals sehr unreif geborenen Kindern kann sich für betroffene Familien zur unvorhergesehen Herausforderung entwickeln, wissen die Mitarbeiterinnen am Sorgentelefon des Verbandes aus den Beratungsgesprächen. „Viele Familien hatten das Kapitel Frühgeburt schon abgehakt und stellen dann ernüchtert fest, dass die Auswirkungen der anfänglichen Belastungen doch weiter reichen als gedacht", so Barbara Mitschdörfer, Vorsitzende des Verbandes.
Der Verband verzeichnet auch in den vergangenen drei Jahren zunehmend Anfragen von Angehörigen und ehemals zu früh geborenen jungen Erwachsenen, die selbst von großen Problemen im sozial-emotionalen Bereich und im Berufsleben berichten und oftmals verzweifelt auf der Suche nach Austausch mit anderen Betroffenen sind.
Besonderes Augenmerk auf die sehr kleinen Frühgeborenen
Dass vor allem bei ehemals sehr kleinen Frühgeborenen erhöhtes Augenmerk erforderlich ist, unterstreichen auch die Ergebnisse eines 2004 initiierten Nachuntersuchungsprojektes aus Niedersachsen, an dem sich auch der Bundesverband seit 2009 beteiligt. Das Projekt dokumentiert den Entwicklungsstand dieser in Niedersachsen geborenen Frühchen im Alter von 6 Monaten, 2 Jahren, 5 Jahren und 10 Jahren, was körperliche, entwicklungsneurologische und psychologische Aspekte betrifft. Den vorliegenden Ergebnissen zufolge zeigen viele der nachuntersuchten Kinder später motorische oder kognitive Einschränkungen sowie Verhaltensauffälligkeiten. Bei der Nachuntersuchung im Alter von fünf Jahren waren zum Beispiel 14,1 Prozent der Kinder geistig und 17,4 Prozent körperlich behindert. 33,1 Prozent wiesen Verhaltensauffälligkeiten auf und bei 40,4 Prozent zeigten sich sprachliche Auffälligkeiten. Experten aus den Fachbereichen Neuropädiatrie und Sozialpädiatrie sind sich darüber einig, dass möglichst frühzeitige adäquate Fördermaßnahmen dazu beitragen können, den Entwicklungsverlauf dieser Kinder positiv zu beeinflussen.
Doch noch immer werden viele Kinder erst dann therapeutisch gefördert, wenn sie beispielsweise im Rahmen des Schulbesuchs mit defizitären Leistungen auffällig werden, obwohl die entsprechenden Anzeichen bereits deutlich früher hätten erkannt werden können. Aufgrund dessen setzt sich der Bundesverband verstärkt dafür ein, dass vor allem Kinder mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.500 Gramm entsprechend engmaschig von Entwicklungsexperten bis zum Schuleintritt nachuntersucht werden, um ihnen möglichst frühzeitig hilfreiche Therapieangebote zugänglich machen zu können, wenn sich Entwicklungsdefizite abzeichnen.
Quelle: Pressemitteilung des Bundesverbandes "Das frühgeborene Kind" vom 15. November 2017