DAK-Pflegereport 2016: Zu Hause sterben - Das braucht unterstützende Strukturen
Zwei von drei Deutschen verbringen die letzten Stunden ihres Lebens nicht an dem Ort, den sie sich wünschen. Nach einer aktuellen Studie der DAK-Gesundheit wollen nur sechs Prozent der Deutschen im Krankenhaus oder Pflegeheim sterben. In der Realität sterben jedoch dreiviertel aller Menschen in solchen Institutionen. Diesen deutlichen Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit zeigt die Krankenkasse in ihrem Pflegereport 2016.
Für den Report hat das AGP Institut Sozialforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg für die DAK-Gesundheit erstmals untersucht, welche Wünsche, Vorstellungen und Erfahrungen die Menschen haben, wenn es ums Sterben geht. Die Analyse umfasst eine repräsentative Bevölkerungsbefragung zum Thema, Auswertungen von DAK-Statistiken sowie qualitative Interviews mit Menschen, die sterbende Angehörige begleitet haben. Laut Pflegereport stirbt im Krankenhaus jeder fünfte Patient allein. Außerdem sind demnach zahlreiche Krankenhausaufenthalte kurz vor dem Tod vermeidbar. Das verursache unnötige Kosten und stehe im Widerspruch zu den Wünschen der Betroffenen, heißt es bei der Vorstellung des Reports.
Laut DAK-Pflegereport sagen insgesamt 60 Prozent aller Befragten, dass sie zu Hause sterben möchten. 16 Prozent sind unentschlossen. Nur vier Prozent nennen das Krankenhaus, zwei Prozent das Pflegeheim. Die Tendenz ist noch deutlicher bei Menschen, die bereits Pflegeerfahrung haben. So sagen pflegende Angehörige zu 76 Prozent, dass sie zu Hause sterben möchten.
Dennoch sterben gut 75 Prozent aller Menschen in Deutschland im Krankenhaus oder Pflegeheim. Vergleicht man diese Zahl mit den Wünschen, sterben 69 Prozent nicht dort, wo sie möchten. Hinzu kommt eine Tendenz zur weiteren Institutionalisierung des Sterbens, die sich aus den Beschreibungen der Sterbeprozesse von Angehörigen oder Freunden ergibt: Vor mehr als 20 Jahren starben 55 Prozent zu Hause und 6 Prozent im Pflegeheim. In den letzten fünf Jahren hingegen starben 32 Prozent zu Hause und 22 Prozent im Heim. Der Anteil derer, die im Krankenhaus starben, ist mit knapp 40 Prozent etwa gleich geblieben.
Gut jeder Fünfte hätte Angehörigen oder Freunden gewünscht, an einem anderen Ort zu sterben. Vor allem das Zuhause wurde als Wunschort angegeben (insgesamt 14,5 Prozent). Als Begründung wird meist die Erfahrung im Krankenhaus genannt: Sterbende seien dort an Maschinen angeschlossen und zum Zeitpunkt des Todes allein. Tatsächlich starb im Krankenhaus jeder fünfte, im Pflegeheim sogar jeder Dritte allein. Zu Hause waren es nur sieben Prozent, die zum Zeitpunkt des Todes niemanden bei sich hatten.
Mehr als jeder Dritte würde sich zutrauen, jemanden bis zu dessen Tod zu pflegen. Vor allem Frauen geben das an (41 Prozent). Allerdings ist die Antwort von der Berufstätigkeit abhängig: Von den in Vollzeit beschäftigten Frauen traut sich jede Dritte die Aufgabe zu, von den Teilzeit arbeitenden Frauen ist es schon jede Zweite. Viele Befragte nennen Unterstützung von Angehörigen, Ehrenamtlichen und Professionellen als Bedingung. Der Pflegeexperte, Prof. Thomas Klie, der den Report wissenschaftlich konzipiert, durchgeführt und ausgewertet hat, sagt: „Der DAK-Pflegereport zeigt eine große Bereitschaft, Pflege auch bis zum Tod zu übernehmen. Doch dafür bedarf es verlässlicher Strukturen vor Ort.“ Klie zählt dazu professionelle nachbarschaftliche und zivilgesellschaftliche Sorgestrukturen, die ihrerseits Ausdruck gesellschaftlicher und gesundheitspolitischer Würdigung seien.
Nicht nur widerspricht das Sterben im Krankenhaus den Wünschen der meisten Menschen. Es belastet auch das Solidarsystem. Für den DAK-Pflegereport wurden Daten von gut 60.000 verstorbenen Versicherten ausgewertet, die vor ihrem Tod pflegebedürftig waren. 64 Prozent dieser Personen waren im letzten Quartal vor ihrem Tod im Krankenhaus. „Die große Zahl von prämortalen Krankenhauseinweisungen widerspricht dem Grundsatz ‚ambulant vor stationär‘ der Pflegeversicherung. Man kann davon ausgehen, dass viele davon vermeidbar sind“, sagt Herbert Rebscher.
Qualitative Interviews mit Menschen, die Sterbende gepflegt und betreut haben, zeigen, dass Klinikaufenthalte oft die Folge insuffizienter Versorgung zu Hause sind. „Konstellationen, in denen die Anzahl der Beteiligten begrenzt war, provozierten Belastungssituationen“, sagt Thomas Klie. „Der Abbau von Krankenhaus-Einweisungen ginge nur mit einem Ausbau und der Re-Organisation ambulanter Versorgung.
Es gelte, auch mit Blick auf die bessere Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, Beratung und Entlastungsmöglichkeiten systematisch zu etablieren.
Herbert Rebscher sagt: „Die Ergebnisse des DAK-Pflegereports 2016 machen deutlich, dass das Hospiz- und Palliativgesetz nicht nur notwendig ist. Es muss auch dringend umgesetzt werden.“ Das Gesetz wurde Ende 2015 beschlossen und soll die palliative Versorgung vor allem im häuslichen Rahmen verbessern.
Quelle: DAK-Presseinformation am 19. Oktober 2016